Recht Die Leipziger Staatsanwaltschaft hat ein Verfahren eingestellt, bei dem ein Mann heimlich nackte Frauen in einer öffentlichen Sauna gefilmt hat – weil er sich nicht strafbar gemacht hat.
Ein Mann setzt sich in einer Sauna neben zwei junge Frauen – und die bemerken sehr schnell, dass er kurz zuvor ein Handy so positioniert hat, dass es die Szene einfängt. Sie stellen ihn zur Rede, irgendwann kommt die Polizei hinzu. Es stellt sich heraus, der Mann hat nicht zum ersten Mal heimlich nackte Frauen in der Sauna aufgenommen – trotz Handyverbots. Doch wenige Wochen später stellt die Leipziger Staatsanwaltschaft das Verfahren ein, weil ein hinreichender Tatverdacht fehle, wie zuerst die „Taz“ berichtete.
Die Erklärung, so fassungslos sie einen zurücklassen mag, ist simpel: Die öffentliche Sauna gilt nicht als besonders schützenswerter Raum, in dem heimliches Filmen oder Fotografieren nach Paragraf 201a Strafgesetzbuch verboten ist.
„Die öffentliche Sauna ist es nicht, aber regelmäßig gilt der Raum, der sich als letzter persönlicher Rückzugsbereich abschirmen lässt, als besonders schützenswert“, erklärt die Tübinger Strafrechtlerin Jennifer Grafe. Teilweise gebe es sogar Überlegungen, einen Garten, der von einer Hecke umgeben ist, als einen solchen höchstpersönlichen Bereich einzuordnen. „Bei einer Umkleidekabine kommt es auf die konkrete Gestaltung an, aber Einzelräume, die sich abschließen lassen, dürften als besonders schützenswert gelten, genauso wie Toiletten.“
Reform im Jahr 2021
Dass der Ausschluss einer Sauna Unbehagen auslöse, könne sie gut nachvollziehen, sagt Grafe. „Das Problem ist die aktuelle Gesetzesformulierung. Das Strafgesetzbuch beschäftigt sich außer bei Straftaten im pornografischen Bereich nicht mit dem Thema Nacktfotografie – es ist leicht antiquiert in einer Zeit, in der alle permanent ein Handy in der Hand haben. Es braucht eigentlich neue Regelungen für neue Probleme“, so die Expertin für Sexualstrafrecht. Aber: „Schon das Beispiel Upskirting und Downblousing hat gezeigt, dass mit dem Paragrafen 184k Teilbereiche geregelt werden und gleichzeitig neue Regelungslücken entstanden sind.“ Zu Recht könnte man hinterfragen, warum das eine moralisch verwerfliche Vergehen, das Fotografieren unter einen Rock oder in den Ausschnitt, geahndet wird, und das andere nicht.
Unter den Rock filmen oder in den Ausschnitt ist seit einer Strafrechtsreform 2021 strafbar, es drohen Geld- und Freiheitsstrafen – allerdings nur bei Aufnahmen „von den Genitalien, dem Gesäß, der weiblichen Brust oder der diese Körperteile bedeckenden Unterwäsche“. Dass der Paragraf laut einiger Experten zu kurz greift, hatte der Fall der Joggerin Yanni Gentsch gezeigt, die einen Mann, der ihren Po beim Laufen heimlich filmte, vor laufender Kamera zur Rede stellte. Anzeigen konnte sie ihn nicht, weil das Filmen des bedeckten Körperteils nicht strafbar ist. Gentsch startete eine Petition, um heimliches, sexuell motiviertes Filmen strafbar zu machen.
Auch wenn eine Reform sehr schwierig sei, unmöglich ist sie nicht, so Grafe. „Regelungen für bestimmte Räume zu schaffen, das geht nicht. Eine Norm muss ortsunbezogen funktionieren. Entscheidend ist nicht das Wo, sondern das Warum“, sagt sie. „Gleichzeitig braucht es im Strafrecht objektive Kriterien – wenn auf die Motivation abgestellt wird, wird eine Verfolgung sehr schwierig.“
Bedenken einiger Kritiker, dass bei zu starren Regelungen hinsichtlich des Einverständnisses die Kunstfreiheit eingeschränkt werde, hat sie nicht. „Im Urheberrecht unterscheiden wir zwischen einem Foto, das von einer Einzelperson gemacht wird oder von einer großen Menge. Für das eine braucht es das Einverständnis, für das andere meistens nicht. Aber wenn es um Nacktheit geht, da sehe ich keine Gefahr, dass die Kunstfreiheit eingeschränkt wird. Gerade bei Aufnahmen von nackten Menschen muss es mit einem Einverständnis laufen – ansonsten gehört es verboten“, sagt Grafe. Auch könnte man davon ausgehen, dass beispielsweise ein heimlich aufgenommenes Bild eines Gesäßes oder einer Brust – ob nackt oder bedeckt – weniger vom künstlerischen Interesse motiviert wurde.
Dass sich die Bundesregierung vorgenommen hat, Regelungslücken bei bildbasierter Gewalt zu schließen, findet die Juristin gut. „Entscheidend ist, dass nicht wieder nur mit Teilregelungen nachgesteuert wird“, betont Grafe.