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Treffen Bundeskanzler Merz besucht Ministerpräsident Kretschmann in Stuttgart und erhält ein Geschenk. Vor der Villa Reitzenstein protestiert „das Stadtbild“.
Gärtner mit lautstarken Laubbläsern blasen Laub. Es nieselt. Die Mitglieder des Landeskabinetts eilen am Dienstagmorgen früh in die Villa Reitzenstein. In den Runden Saal des Staatsministeriums wird schon mal das Geschenk für Kanzler Friedrich Merz (CDU) getragen, ein Globus. Rund um die Villa Reitzenstein wacht eine hohe Polizeipräsenz. Und kurz gibt es Aufregung bei der Polizei. „Das ist gegen die Auflagen!“, ruft ein Einsatzleiter mit Blick auf eine kleine Demo ins Telefon. Denn die Demonstranten sind schon lange vor Merz da, aber am falschen Platz. Sie stehen direkt vor dem durch eine Mauer geschützten Haupteingang der Villa Reitzenstein, unter anderem mit Palästinenserflagge.
Der Redner am Megafon zieht quer durch die Themen der linken Szene – von Palästina, über den Kanzler als einstigen „Blackrock-Manager“, bis hin zu „Krankenpfleger statt Soldaten“. Doch dann ziehen sie anstandslos ab – und skandieren: „Wir sind das Stadtbild.“ Zur Debatte um seine Äußerung in Sachen „Stadtbild“ will der Bundeskanzler aber nichts mehr sagen, betont er später bei der abschließenden Pressekonferenz auf eine entsprechende Nachfrage. Er habe alles dazu gesagt.
Pünktlich um 10 Uhr rauscht Merz’ Limousinen-Konvoi vor. Innenminister Thomas Strobl (CDU) hat den Kanzler für dessen offiziellen Antrittsbesuch in Baden-Württemberg am Stuttgarter Flughafen abgeholt. Minister und Staatssekretäre haben sich aufgereiht im Runden Saal. Merz begrüßt alle Kabinettsmitglieder. Es folgen warme Worte in die Runde: „Ich freue mich hier zu sein“, sagt Merz. Er erinnert an seinen Kurzbesuch jüngst bei Kretschmann nach dem CDU-Landesparteitag in Stuttgart – „auf eine Tasse Kaffee“. Und es folgt ein Satz, den man wohl gerne gehört hat in der Staatskanzlei: „Baden-Württemberg ist das Bundesland, das am meisten geprägt ist von Mittelstand, Innovation und Wirtschaft – auch wenn das Markus Söder nicht gerne hören wird, aber wahrscheinlich stimmt es.“
Kretschmann überreicht dem Kanzler ein sinniges Geschenk, nämlich einen Globus aus baden-württembergischer Produktion eines Unternehmens aus Krauchenwies (Landkreis Sigmaringen). Schließlich sei der Kanzler auch für Europa- und Weltpolitik verantwortlich, sagt der Ministerpräsident.
Zu Merz’ Amtsvorgänger Olaf Scholz (SPD) hatte Kretschmann eher ein Nichtverhältnis, da machte er gar kein großes Geheimnis draus. Mit dem Regierungsstil des kühlen Hanseaten konnte Kretschmann nichts anfangen, gleich zu Beginn von Scholz’ Amtszeit 2021 lag Kretschmann mehrfach mit ihm quer, sah bei ihm auch eine Missachtung der Rolle der Ministerpräsidenten. Bei Merz ist dies offenbar anders. Auf eine Frage an Kretschmann jüngst in einem „Spiegel“-Interview, ob er einen persönlichen Draht zu Merz habe, antwortete der Ministerpräsident kurz und knapp „Ja“, man könne sehr offen miteinander reden.
Nach knapp eineinhalb Stunden kommen Merz und Kretschmann aus der Sitzung des Landeskabinetts heraus. Es gibt 15 Minuten Zeit für Pressestatements und kurze Nachfragen. Es sei ein klarer, kompakter und konzentrierter Austausch gewesen, so Kretschmann – und im Wesentlichen sei es um die Stärkung des Wirtschaftsstandorts Deutschland und natürlich Baden-Württemberg gegangen. „Wir sind eine der führenden Innovationsregionen“, so der Ministerpräsident und deshalb habe man dem Bund eine „Innovationspartnerschaft“ in den Bereichen Chips, Luft- und Raumfahrt, Batterieentwicklung und Gesundheitswirtschaft angeboten. Es gehe darum, „gemeinsam die Stärken zu stärken“.
Kretschmann spricht auch das EU-Projekt „KI-Giga-Factory“ an, für das sich ein Konsortium aus Baden-Württemberg beworben habe – „mit voller Unterstützung der Landesregierung“. Und weiter: „Wir bieten mit unserem KI-Ökosystem dafür das beste Umfeld.“ Merz betont, dass er das Angebot einer Innovationspartnerschaft gerne annehme. Was das EU-Projekt angeht, verweist er auf die Ausschreibung durch die EU. Viele zentrale Fragen sind dabei aber noch offen. „Fünf Konsortien aus Deutschland haben sich beworben“, so Merz.
Sobald weitere Klarheit über diese „KI-Giga-Faktory“ bestehe, die es in der EU in mehrfacher Ausprägung geben solle, werde man darüber reden. „Ich hoffe, dass es gelingt, mindestens eine davon nach Deutschland zu holen.“ In der Bewertung der Künstlichen Intelligenz zeigte sich der Bundeskanzler einig mit dem Ministerpräsidenten. Es gebe Chancen wie Risiken, betonen beide. Kretschmann sagt: „Wer heute nicht mitkocht, steht später auf der Speisekarte.“
Wir bieten mit unserem KI-Ökosystem dafür das beste Umfeld. Winfried Kretschmann Ministerpräsident