Zwischen Waldlust und Wirbelbruch
TV Vor 40 Jahren startete mit der kitschtrunkenen Ärztesaga „Die Schwarzwaldklinik“ eine der populärsten deutschen Serien aller Zeiten. Was war das Erfolgsgeheimnis?
Sie war die Mutter aller deutschen Krankenhausserien, ein Heile-Welt-Blockbuster mit Herz, Schmerz und Bollenhut: Die „Schwarzwaldklinik“ lockte in den 80er Jahren mit ihren salbungsvollen Geschichten zwischen Waldlust und Wirbelbruch bis zu 28 Millionen Zuschauerinnen und Zuschauer vor die Bildschirme der Bundesrepublik.
Vor 40 Jahren, am 22. Oktober 1985, startete der Straßenfeger mit dem gütigen Professor Klaus Brinkmann (Klausjürgen Wussow), seinem feschen Sohn Udo (Sascha Hehn) und der von Gaby Dohm gespielten Schwester Christa. Mit ihrem süffigen Mix aus Schwarzwaldmädel-Romantik und Weißkittel-Dramatik entfachte die Serie einen Kult, der bis heute nachwirkt: Die TV-Saga aus der Helmut-Kohl-Ära ist der Ahnherr von Erfolgsformaten wie „Der Bergdoktor“; und ins liebliche Glottertal bei Freiburg, wo die Storys spielen, pilgern neugierige Fans nach wie vor.
Die von Wolfgang Rademann (1934 – 2016) produzierte ZDF-Serie war der unangefochtene TV-Platzhirsch in der Bundesrepublik jener Jahre. Sogar populäre US-Formate wie „Dallas“ konnten nicht mit dem samstagabends gezeigten Hybrid aus Heimatfilm, Arztserie und Seifenoper konkurrieren. Es gab Romane zur Schwarzwaldklinik, die Darsteller wurden zu Superstars, und die Punkband „Die Toten Hosen“ arbeitete sich in einem ironischen Song an dem TV-Kult ab. Doch auch weltweit zog „Die Schwarzwaldklinik“ das Publikum in den Bann: 43 Länder strahlten den Megaerfolg aus, dessen Vorbild die tschechische Fernsehserie „Das Krankenhaus am Rande der Stadt“ war.
Flott frisierter Frauenheld
Die Geschichten waren in der Regel simpel. In der ersten Folge kehrt der erfolgreiche Chirurg Klaus Brinkmann in sein süddeutsches Heimatdorf zurück und beginnt seinen Dienst als Chefarzt der idyllisch gelegenen Schwarzwaldklinik. In der arbeitet auch sein Sohn Udo, ein flott frisierter und motorisierter Frauenheld – der spätere „Traumschiff“-Kapitän Sascha Hehn gab im weißen Cabrio stets ein schmuckes Bild ab.
Beide Brinkmanns leben unter den Augen von Evelyn Hamann als sittenstrenger Haushälterin in einer gemeinsamen Villa, doch es gibt ein Problem: Die Männer sind in die patente Schwester Christa verguckt, die letztlich den Senior heiratet. Der abgeblitzte Udo geht eine On-Off-Beziehung mit Lernschwester Elke ein, dargestellt von Barbara Wussow.
Natürlich ging es in der „Schwarzwaldklinik“ nicht nur um Herzschmerz, sondern auch um echte Krankheiten: Brinkmanns und die anderen Halbgötter in Weiß kümmerten sich rührend um die kleinen und großen Wehwehchen von Patienten und mussten sich, wenn es nicht gerade um Krebs und Kreuzbandriss ging, überdies in allerlei dramatischen Situationen bewähren. Hauptdarsteller Wussow (1929 – 2007) wurde von Fans mit seiner Arztrolle so stark identifiziert, dass ihn viele Zuschauer allen Ernstes um medizinischen Rat baten.
Doch auch wenn in den 70 Folgen Knochen und Herzen reihenweise brachen: Am Ende wurde in der Fernsehsaga in Mull alles gut. Die Nuklearkatastrophe von Tschernobyl oder das Waldsterben hatten keinen Zutritt zur heilen Serienwelt – andernfalls reagierte das Publikum empfindlich: Eine Folge, in der eine Vergewaltigung gezeigt wurde, erregte enorme öffentliche Kritik und landete für Jahre im Giftschrank des ZDF.
Mit einem Marktanteil von bis zu 60 Prozent erreichte die „Schwarzwaldklinik“ eine Quote, die bis heute keine andere deutsche Serie übertroffen hat. Viele Forscher wollten das Erfolgsgeheimnis ergründen, etwa in Studien wie „Fluchtmodell Schwarzwaldklinik. Eine Familienserie als Rückzugsmöglichkeit in eine vereinfachte, heimatliche Welt“. Schauspieler Hehn analysierte Jahre später: „Die Zuschauer damals in den 80ern konnten sich mit den Figuren aus der ‚Schwarzwaldklinik‘ identifizieren, während in ‚Dallas‘ und ‚Denver-Clan‘ eine Welt unerreichbaren Reichtums vorgespielt wurde.“
1989 wurden die Arztgeschichten zwar nach 70 ereignisreichen Episoden eingestellt, doch die Faszination riss lange nicht ab. Fast 15 Millionen Zuschauerinnen und Zuschauer waren dabei, als 2005 zum 20. Geburtstag ein „Schwarzwaldklinik“-Film über den Bildschirm flimmerte. Pünktlich zum 40. Geburtstag hat das ZDF alle Folgen des Klassikers mit der legendären Titelmelodie zum nostalgischen Wiedersehen auf Abruf in seine Mediathek gestellt.