Ein Lächeln von Schubert
Konzert Violinistin Sara Schlumberger-Ruiz und Capella Tübingen erinnerten an den einst berühmten Viotti.
Tübingen. Bei ihrem jüngsten Projekt kooperierten die 25 Streicher der Capella Tübingen (bis 2018 der „Tübinger Kammermusikkreis“) mit dem SinfoNeA-Orchester, vertreten durch zwölf Bläser: je zwei Flöten, Oboen, Klarinetten, Fagotte, Trompeten und Hörner. Bei Haydns später Sinfonie Nr. 102, 1795 für London komponiert, entwickelte sich ein klangvoll sinfonisches Miteinander, pointiert musiziert. Stilvoll, gepflegt der Streicherklang. Das Adagio ein schattiges Idyll, das schon Beethoven vorausahnen ließ: selig weich schaukelnde Rhythmen über einem samtigen Klangteppich. Rustikal stramm das Menuett, durchaus modern mit seinen blockhaft getakteten Tanzschritten. Transparent die imitatorisch verästelten Staccato-Einsätze im Presto-Finale.
Gewohnt charmant, informativ und anekdotenreich führte Dirigent Jochen Brusch durchs Programm am Samstag in der Martinskirche (und am Sonntag in der Dettenhäuser Johanneskirche).
Am innigsten musiziert Schuberts Ballettmusik Nr. 3 zu Helmina von Chézys Drama „Rosamunde“: schwebende Bläser-Soli über einem melancholisch sanften Streicher-Puls und pochendem Pizzicato-Bass. „In typischem Schubert-Dur“, so Brusch: „ein Lächeln über alle Trauer hinweg“.
Giovanni Battista Viottis Concerto Nr. 22 von 1803 (das 22. seiner insgesamt 29 Violinkonzerte) war im 19. Jahrhundert eins der meistgespielten neben Beethoven, Spohr und Mendelssohn – und das Lieblingskonzert von Brahms. „Einst weltweit gespielt, wirkt es heute fast wie eine Wiederentdeckung“, so Brusch. Wie schon bei ihrem Capella-Debüt 2022 begeisterte die Geislinger Violinistin Sara Schlumberger-Ruiz – Studentin bei Anke Dill in Stuttgart – mit lyrisch zarter Klangschönheit und mühelos unforcierter Virtuosität (Solo-Kadenzen von Joseph Joachim). Rund und voll das Timbre ihrer romantischen Vuillaume-Violine. Bravouröse Verve im Finale, aufmerksam begleitet vom Orchester (Konzertmeisterin: Christina Kessler). Ein wunderbar synergetisches Zusammenspiel. Für den kräftigen Beifall der 100 Zuhörer bedankte sich Schlumberger-Ruiz mit einer detailfein ausdifferenzierten Zugabe: Fritz Kreislers „Recitativo e Scherzo-Caprice“.
Inzwischen kann Capella Tübingen auf eine über 80-jährige Geschichte zurückblicken, im Kriegswinter 1944 von der Tübinger Sopranistin Herrad Wehrung und ihrer Schwester Leonore Wehrung gegründet, seinerzeit noch als Haus-„Orchesterle“. Neben dem Akademischen Orchester das dienstälteste (Streich-)Orchester Tübingens, das sich immer über neue Mitspieler freut.