Schon eine Umdrehung bringt es

Metzingen Der AKE möchte Vorbehalte gegen die Windkraft zerstreuen und arbeitet mit der Initiative Pro Windkraft Reutlingen zusammen. Die Idee: Tausende Haushalte mit CO₂-freiem Strom versorgen.

Keine Energie hat in Deutschland im Jahr 2024 mehr Strom erzeugt wie die des Windes. 31 Prozent der 431,5 Milliarden Kilowattstunden Strom stammen von Windkraftanlagen, wie das Statistische Bundesamt ermittelt hat. Der Anteil erneuerbarer Energien beträgt im Strommix 59,4 Prozent. Das sind beachtliche Werte für ein ehemaliges Nischenprodukt, das vor rund 30 Jahren von einer Marktreife so weit entfernt schien wie heute eine Besiedelung des Mars.

Windkraft und Photovoltaik, davon jedenfalls sind der Metzinger Arbeitskreis Energie (AKE) und die Initiative Pro Windkraft Reutlingen überzeugt, haben das Potenzial, Deutschland aus der Energiekrise zu führen. Weil Windkraftanlagen bereits nach 18 Monaten CO2-neutral sind, also das bei der Herstellung oder späteren Entsorgung der Anlagen anfallende Kohlenstoffdioxid geringer ist als die Menge CO2, die entstünde, würde der aus den Anlagen gewonnene Strom auf fossilem Weg hergestellt.

Windkraft freilich ist umstritten. Das ist auch kürzlich in einer Sitzung des Metzinger Gemeinderats angeklungen. Die Windräder sind nun mal weithin zu sehen. Das gefällt nicht allen. Zudem müssen, sofern die Anlagen in einem Wald stehen, dafür einige Bäume gefällt werden. Die Fläche dafür pro Windrad ist freilich verhältnismäßig klein, ein halber Hektar reicht dafür aus, weniger als ein Fußballfeld.

Politischen Gegenwind gibt es zumindest für zwei in Reutlingen geplante Windkraftanlagen. Im Falle einer Zustimmung zur Windkraft strebt die AfD ein Bürgerbegehren an. Unterschriften werden schon gesammelt.

Davon möchte sich der AKE nicht entmutigen lassen. Dessen Vorstandsmitglied Markus Schenk vertritt die Grünen im Metzinger Gemeinderat und schätzt die Chancen auf Anlagen in Metzingen vorsichtig ein. „Noch ist es nicht eindeutig, ob sich die vorgeschlagenen Flächen eignen.“ In Metzingen kommen laut Regionalverband Neckar-Alb der Wippberg und eine Fläche im Maienwald infrage. Theoretisch, noch gibt es dazu keine Gutachten, die gibt in der Regel jene Firma in Auftrag, nachdem sie in Sachen Windkraft einen Vorvertrag mit der jeweiligen Kommune oder dem Grundstückseigentümer geschlossen hat.

Doch besser mehr als weniger Anlagen, sagen Angela Patka und Florian Klebs, beide sind Sprecher der Initiative Pro Windkraft Reutlingen: „Wir geben in Deutschland jedes Jahr 80 Milliarden Euro für fossile Brennstoffe aus“, sagt Klebs, „Geld, das ins Ausland fließt, in Länder mit fragwürdigem Demokratieverständnis, die sich gegebenenfalls in Konflikten gegen uns stellen.“ Er plädiert dafür, Volksvermögen im Land zu halten: „Wenn ich sich drehende Räder sehe, freue ich mich als Lokalpatriot.“ So eine Umdrehung, also eine einzige Umdrehung, erzeugt den Strom, den ein durchschnittliches E-Auto benötigt, um 70 Kilometer weit zu fahren.

Im Metzinger Gemeinderat, erinnert sich Markus Schenk, wurden bezüglich der Frequenz Bedenken laut: So eine Windkraftanlage drehe sich ja nicht ständig, manchmal stehe sie still. Schlechtes Argument, sagt Schenk: „Autos stehen meist 23 Stunden am Tag.“

Angela Patka kennt diese Vorbehalte. Weil diese immer wieder vorgebracht werden und sich wiederholen. An jedem neu geplanten Standort beginnt die Diskussion jedes Mal neu, der Wissensstand der Bürger ist gering. Ein Prozedere, das viel Zeit kostet. Weswegen die Initiative ebenso wie der AKE zu Exkursionen einlädt, um bestehende Anlagen zu besichtigen. Und um sich mit jenen Menschen zu unterhalten, die entweder von Anfang an dafür zu begeistern waren oder im Laufe der Zeit überzeugt wurden von der Windkraft. „Das ist doch vergleichbar mit der Diskussion um Mobilfunkmasten vor 25 Jahren“, sagt Florian Klebs. „Heute reden wir über Mobilfunk nur noch, wenn wir im Funkloch stehen.“

Die typischen Bedenken: Zu wenig Wind, zu viel Schallemissionen, Vögel und Fledermäuse werden durch die Propeller geschreddert, zu hässlich fürs Landschaftsbild. Der Wind ist freilich ein Faktor, aber kein Investor baut dort, wo es sich für ihn nicht lohnt. Ein ständiges Wummern war lediglich von zwei Anlagen in Baiereck (Schurwald, Kreis Göppingen) zu hören. Ein Produktionsfehler war die Ursache, die Getriebe wurden ausgetauscht, jetzt laufen sie nahezu geräuschlos.

Die Gefahr für Vögel und Fledermäuse hat sich drastisch verringert durch moderne Kamerasysteme, die die Anlage automatisch bei Gefahr abschalten. Nur selten müsse eine Windkraftanlage wegen Überlastung des Netzes abgeschaltet werden, sagt Angela Patka. Und dass Strom aus erneuerbaren Energien das Stromnetz überlastet, weil er von Wind und Sonne abhängt, mithin schwer kalkulierbar ist, und dadurch zu sogenannten Blackouts, also der Nichtverfügbarkeit von Elektrizität führt, darf als vernachlässigbar angesehen werden, sagt Florian Klebs und verweist auf eine Veröffentlichung der Bundesnetzagentur.

Demnach lag im Jahr 2024 in Deutschland die durchschnittliche Nichtverfügbarkeit von Elektrizität je Letztverbraucher bei 11,7 Minuten. In Frankreich, trotz (oder wegen) Atomkraft, betrug die Blackout-Zeit eine Stunde.

Markus Schenk, ganz Kommunalpolitiker, sieht weitere Windkraft-Vorteile: Kommunen generieren daraus Pachteinnahmen, Gewerbesteuer und eine Einspeisevergütung von 0,2 Cent pro Kilowattstunde. Für Verbraucher entsteht Strom für sieben bis acht Cent (reine Kosten ohne Steuern und Netzentgelte): „Das ist unglaublich günstig.“

Keine gute Strecke für Pendler

Metzingen Der Landkreis Reutlingen möchte einen neuen Radweg zwischen der Kelternstadt und Eningen ausweisen. Die Variante, die er dafür vorschlägt, lehnt der Metzinger Gemeinderat allerdings ab.

Schon seit Langem wünschen sich Metzinger und Eninger eine gute und schnelle Radwegverbindung zwischen ihren beiden Orten. Gerade für Pendler wäre eine solche Route attraktiv, sagt die Kommunalpolitik. Entsprechend hohe Priorität genießt die Strecke im Radverkehrskonzept des Landkreises Reutlingen, dessen Straßenbauamt vier mögliche Varianten für die Wegeführung erarbeitet hat. In diesem Frühjahr wurden diese sowohl im Metzinger als auch im Eninger Gemeinderat vorgestellt.

Der Kreis favorisiert dabei jene Strecke, die vom „Schlemmerstüble“ herkommend die Radler rechts in den Wald leitet und über Forstwege weiter zur Erddeponie „Eichberg“ führt. Von dort aus gibt es asphaltierte Wege in Richtung Eningen. Gut fünf Kilometer ist diese Trasse lang, rund 160 Höhenmeter sind auf ihr zu überwinden. Weil zudem der Sanierungsaufwand für die Wege überschaubar ist, ließe sich diese Route relativ günstig umsetzen. Im Frühjahr gingen die Verantwortlichen von Kosten in Höhe von 320.000 Euro aus.

Hoher Aufwand

Im April hatte der Eninger Gemeinderat für die Realisierung dieser Strecke votiert, weil sie sich kurzfristig umsetzen lässt. Gleichzeitig machte sich das Gremium aber dafür stark, eine alternative Route weiterzuverfolgen, auf deren Bau die Kommunalpolitiker zu einem späteren Zeitpunkt hoffen. Diese Variante verläuft parallel zur Kreisstraße, wäre also deutlich attraktiver als die Strecke durch den Wald. Um sie Wirklichkeit werden zu lassen, muss allerdings ein relativ großer Aufwand betrieben werden, unter anderem gilt es, Grundstücke aufzukaufen. Deshalb ist die Route auch um einiges teurer als der Weg durch den Wald.

Dennoch lehnt der Metzinger Gemeinderat die günstigere Variante ab und votierte vergangene Woche gegen deren Umsetzung. Die Route durch den Wald sei für Pendler ungeeignet, argumentierte das Gremium bereits bei der ersten Debatte zum Thema im Frühjahr. Teilweise müssten Radler dort Steigungen von bis zu 14 Prozent überwinden. Zudem sei der Weg häufig nass und verschmutzt, im Winter sei er auf Höhe der Deponie überdies oftmals gefroren und damit viel zu gefährlich. Stattdessen plädieren die Metzinger dafür, die Route entlang der Kreisstraße intensiver in den Blick zu nehmen.

Um ihrem Willen Nachdruck zu verleihen und um ein politisches Signal an den Landkreis zu senden, schloss sich die große Mehrheit der Metzinger Stadträte einem Antrag der Grünen-Fraktion an. Dieser bittet den Landkreis darum, in detailliertere Planungen für die Kreisstraßen-Variante einzusteigen. Überdies soll definiert werden, wie viele Grundstücke aufgekauft werden müssen. Damit, so Dr. Georg Bräuchle, der Fraktionsvorsitzende der Grünen, solle erkennbar werden, wie aufwendig der Wegebau tatsächlich werde.

Oberbürgermeisterin Carmen Haberstroh äußerte derweil Bedenken: Zwar sei die von der Ratsmehrheit favorisierte Strecke sicher die bessere Variante, die Kosten dafür seien jedoch hoch. Mit Blick auf den Kreishaushalt, der vor großen Einschnitten stehe, tue sie sich schwer, den Antrag der Grünen zu unterstützen, so Haberstroh, die für die Freien Wähler im Reutlinger Kreistag sitzt. Sie finde es zudem schwierig, jetzt personelle Ressourcen für ein Projekt zu binden, das womöglich erst in 20 Jahren umgesetzt werden könne. Gegenwind erhielt sie von Georg Bräuchle. Er erwarte von der Metzinger Oberbürgermeisterin, dass sie die Interessen der Kelternstadt vertrete. Das tue sie, verteidigte sich Haberstroh, schließlich habe der Sparzwang des Kreises auch Auswirkungen auf Metzingen und zwar über die Kreisumlage, die die Kelternstadt bezahlen muss.

Landratsamt und Kreistag sind bei ihren Entscheidungen rechtlich indessen nicht an das Votum der Gemeinderäte gebunden. Im Radwegekonzept des Kreises ist der Ausbau der Strecke durch den Wald für 2027 eingeplant. Das letzte Wort ist dazu freilich noch nicht gesprochen.

Alleine in Frankreich unterwegs

Vortrag Nina Rühling berichtet im Kulturforum über ihre Erfahrungen auf einer fast 1000 Kilometer langen Wanderung.

Metzingen. Das Programm im Metzinger Kulturforum in der Eisenbahnstraße ist im Oktober so bunt wie der Herbst: An diesem Donnerstag, 23. Oktober, wird zum Vortrag mit Nina Rühling eingeladen, die solo in Frankreich unterwegs war. Bereits der Titel lässt Abenteuer vermuten: „Wenn Sie Bären sehen, schließen Sie bitte die Tür“, heißt es ab 19.30 Uhr.

Nina Rühling wanderte sieben Wochen alleine auf dem französischen Weitwanderweg GR 10 von Hendaye im Baskenland bis nach Banyuls-sur-Mer im Süden Frankreichs. Dabei bewältigte sie bergauf, bergab rund 55.000 Höhenmeter. Im Vortrag geht es um Sonne, Hitze und Gewitter, um Berge, Menschen, Tiere und das einfache Leben unterwegs. Um die Reduktion und den Inhalt eines Wanderrucksacks. Und um eine ganz besondere Zeit, die bis heute bei ihr nachwirkt, Lust auf mehr macht und vielleicht auch andere Menschen dazu inspiriert, sich auf den Weg zu machen.

Der Vortrag im Kulturforum vermittelt neben Eindrücken zur Landschaft und dem Leben vor Ort auch Impressionen einer 930 Kilometer langen Tour und Infos zur Planung und Vorbereitung. Beeindruckend berichtet Rühling, die im Übrigen auch schreibt und zahlreiche Webinare gibt, über ihre Erfahrungen. Im Anschluss werden natürlich auch Fragen der Besucher beantwortet.

Beginn der Veranstaltung ist um 19.30 Uhr, der Eintritt ist frei, Spenden sind willkommen, so der Verein.

Trauer um Hans-Jürgen Stede

Nachruf Der Erste Landesbeamte a.D. des Landkreises Reutlingen ist am vergangenen Donnerstag gestorben.

Landkreis/Metzingen. Eine gelbe Hose, darüber ein grünes Hemd mit Streifen und ein lockeres blaues Sakko. In diesem Look erschien Hans-Jürgen Stede vor etwas mehr als einem Jahr zu seiner Abschiedsfeier in der Eninger Grieshaber-Halle. In einem blauen oder schwarzen Anzug hat man den Ersten Landesbeamten a. D. nur selten gesehen. „Die Welt ist grau und traurig genug – da muss ich nicht auch noch meinen Beitrag leisten.“ Es wundert also nicht, dass seine Familie für die Trauerfeier eine Bitte formuliert: „Farbenfrohe Kleidung ist in seinem Sinne.“

Hans-Jürgen Stede ist am vergangenen Donnerstag, 16. Oktober, im Alter von 64 Jahren gestorben. In seinen 24 Jahren im Reutlinger Landratsamt hat sich der Metzinger in vielen Bereichen für den Landkreis eingesetzt. Mit seinem hohen Engagement besonders für Nachhaltigkeit und Klimaschutz war Stede seiner Zeit voraus, setzte viele Programme um und somit neue Maßstäbe in diesem Bereich.

Von 2001 bis 2013 initiierten er und seine Fachmitarbeiter mehr als 500 Projekte mit einem Gesamtvolumen von 12,5 Millionen Euro um. 2003 startete der „Expresso“, der Schnellbus zum Stuttgarter Flughafen. Ebenfalls von Stede auf den Weg gebracht: „Ebbes guad‘s“, eines der bundesweit größten Apfelsaft-Aufpreis-Projekte, „Schwäbisches Hanami“, das Jagdimpulsprogramm „Wilde Wochen“, die Klimaschutzagentur und das Biosphärengebiet. „Ich bin dankbar für die tolle Entwicklung dieser Projekte“, sagte Stede. „Es waren keine Strohfeuer, sondern die Projekte sind über die Jahre größer und stärker geworden.“

Bei seiner Abschiedsfeier im Juli 2024 war die Grieshaber-Halle bis zum letzten Platz gefüllt. Ein Zeichen, wie beliebt und geschätzt Stede bei seinen Kolleginnen und Kollegen war – obwohl seine Genauigkeit und seine Gründlichkeit „manchmal ziemlich anstrengend“ sein konnten, wie Thomas Reumann, Landrat a.D., mit einem Schmunzeln sagte. Der aktuelle Landrat Dr. Ulrich Fiedler bezeichnete Stede als Unikat und keinen „Mainstream-Manager“. Der Abschiedsabend und die Reden seiner Freunde hatten Stede sichtlich berührt. „Alles wirkliche Leben ist Begegnung. Die Beziehungen zu Menschen war mir immer wichtig, und so war dieser Abend für mich unglaublich berührend“, sagte Stede.

Der optimistische und lebensfrohe Metzinger kämpfte 2015 und 2016 gegen Lymphdrüsenkrebs, 2023 kämpfte er gegen Prostatakrebs. „Seine hohe Fachkompetenz, sein Engagement und seine menschliche Art zeichneten ihn in besonderer Weise aus und haben damit auch nach seinem Eintritt in den Ruhestand noch bleibende Spuren hinterlassen“, formulieren Landrat Fiedler und Personalratsvorsitzender des Landratsamts Uwe Köppen in der Traueranzeige.

Die Trauerfeier findet am Samstag, 25. Oktober, um 11.30 Uhr in der Martinskirche Metzingen statt.

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