Energiewende In Forbach baut der Energieversorger EnBW ein neues Wasserkraftwerk mit einem großen Speicher. Es gilt als wichtiger Beitrag zur Versorgung mit grünem Strom. Ein Besuch auf der Großbaustelle.
Es ist das pure Idyll. Der Blick von der alten, eisernen Schleusenbrücke über das Murg-Staubecken am Ortsende von Forbach (Kreis Rastatt) fällt auf die dunklen Wälder des Nationalparks Schwarzwald, die hier steil ins Murgtal herabfallen. Auf halber Höhe ziehen sich die Gleise der Murgtalbahn und die Bundesstraße B462 entlang des Hangs. Nichts deutet darauf hin, dass hier im Berg, nur wenige Meter hinter dem ebenerdigen Eingang zum sogenannten Sylvia-Stollen, die Hölle los ist.
Tonnenschwere Maschinen, Bagger, Kräne und Lastwagen sind im Einsatz und füllen den Berg mit Lärm. Tunnelbauer verbauen Stahlbewehrungen, sprengen und fräsen Stollen und Löcher in den Granit. Die Anwohnerinnen und Anwohner auf der anderen Flussseite wurden in den vergangenen 18 Monaten mehrmals am Tag daran erinnert, wenn immer wieder ein dumpfes Grollen die Häuser erzittern ließ.
Dort drin im Berg baut der Energieversorger EnBW seit Ende 2023 an einem autarken Energieversorgungsprojekt enormen Ausmaßes: der Erweiterung des alten Murg-Wasserkraftwerks zu einem Pumpspeicherkraftwerk mit unterirdischer Kraftwerkskaverne und einem unterirdischen Wasserspeicher. 280 Millionen Euro investiert das Unternehmen hier, Ende 2027 soll das Kraftwerk in Betrieb gehen, und dann für mindestens 60 Jahre am Netz sein.
Das Kraftwerk wird gespeist aus natürlichem Wasserzufluss, der einige hundert Meter oberhalb des Murgtals gesammelt und aufgestaut wird. Das Besondere am Großprojekt: Der Großteil des Wassers kann künftig quasi in einen Pendelbetrieb zwischen den oberen und den unteren Wasserspeicherbecken versetzt werden, ohne – wie im alten Wasserkraftwerk – nach einmaligem Turbinendurchfluss in die Murg abzufließen.
400.000 Kubikmeter Wasser können so bewegt werden und pro Zyklus rund 465 Megawattstunden Strom erzeugen – das entspricht der Speichergröße von rund 50.000 Batteriespeichern im Haushalt. Im Turbinenbetrieb – also wenn das Wasser von oben aus den Staubecken ins Kraftwerk strömt und durch eine Turbine Strom erzeugt – beträgt die Leistung 77 Megawatt.
Wird durch andere erneuerbare Anlagen tagsüber oder bei viel Wind zu viel Strom in die Netze eingespeist, kann das Pumpspeicherkraftwerk seine vollen Speicher nutzen, um das Wasser wieder in die oberen Speicherbecken zu pumpen, statt den Strom ins Netz einzuspeisen, wo er von der EnBW billig auf den Markt gebracht werden müsste oder gar negative Strompreise fällig würden.
Der Berg wird ausgehöhlt
„Im internationalen Vergleich ist das keine Riesenanlage, aber für die Region hier schon“, sagt Ulrich Gommel, einer der beiden Projektleiter, der seit 2018 mit dem Projekt befasst ist, bei einer Führung durch die unterirdische Baustelle. „Einen in den Berg hinein erweiterten unterirdischen Kavernenwasserspeicher, wie wir ihn hier bauen, gibt es in ganz Deutschland nicht.“
Den Speicher und das Kraftwerksgebäude in den Berg zu bauen, heißt vor allem, den Berg auszuhöhlen und Platz zu schaffen. Eine Million Tonnen Granit haben die Bauarbeiter dazu bereits aus dem Berg gesprengt. 5000 Sprengungen, oft vier bis fünf pro Tag, waren seit 2024 das Hauptgeschehen auf der Tiefbaustelle. „Sprengen, sichern, Aushub, Granit ausfahren, sprengen – so ging das hier jeden Tag“, berichtet Gommel.
Etwa 200 Ingenieure, Bergbauexperten und Mineure sind dauerhaft im Einsatz, sie arbeiten im Schichtbetrieb mit rund 60 Mann pro Schicht rund um die Uhr, jeden Tag, auch an Feiertagen und am Wochenende. „Nur an Weihnachten haben wir ein paar Tage Pause gemacht“, sagt Gommel. 5700 Meter Stollen und Tunnel sind so entstanden, dazu die Kaverne für das Kraftwerksgebäude – 123 Meter lang, 20 Meter breit, bis zu 40 Meter tief – sowie die Speicherstollen für das Wasser.
Damit die 20-Tonnen-Aufleger mit dem Granitaushub aus dem Berg nicht pausenlos durch die schmale Straße in Forbach rollen mussten, wurde eine eigene Ausfahrt aus dem Berg hinauf auf die Bundesstraße B 462 getrieben. Einhundert Lkws rollten von dort hinauf zum Steinbruch nach Raumünzach, wo der Granit zu Baumaterial verarbeitet wird – jeden Tag.
Hohe Akzeptanz in der Region
Für die EnBW ist der Ausbau des alten Kraftwerks zu dem leistungsfähigen Pumpwasserkraftwerk auch eine Zukunftsinvestition in autarke Energie- und Netzsicherheit. „Wir sind schwarzstartfähig“, sagt Gommel. Das heißt: Auch bei einem Blackout, einem kompletten Ausfall des gesamten Stromnetzes, kann das Pumpspeicherkraftwerk künftig aus eigener Kraft wieder hochgefahren werden und Strom produzieren.
Die erneuerbare, klimaneutrale Stromerzeugung durch Wasserkraft stößt nicht nur bei den Anwohnern in der Region, sondern auch bei Umwelt- und Klimaschützern auf hohe Akzeptanz. Zudem ist der Eingriff in die Natur bei dem unterirdischen Ausbau des Kraftwerks gering. „Die Geoökologie macht uns hier keine Probleme und auch mit Sedimenten haben wir nicht zu kämpfen“, sagt Gommel. Das Schwarzwaldwasser ist so sauber, dass es in den Speichern kaum zu Ablagerungen kommt, die die Wartung der Anlagen teuer und aufwendig machen würden.
Neben dem Grundwasserschutz gebe es, berichtet der Projektleiter, etliche mit Behörden, Forst-, Umwelt- und Naturschutz erarbeitete Umweltausgleichsmaßnahmen – auch ein Eidechsenhabitat – rund um die Stollenausgänge und die Baustellengelände. Doch Gommel sagt auch: „Proteste gab und gibt es hier nicht, die Gemeinde und die Region stehen hinter uns.“