Kastanien machen Freude

  • Bruno Münch ehemaliger Pfarrer der Kirchengemeinde Roßfeld Foto: privat

Es gibt sie wieder in Mengen, und ich freue mich darüber. Erst heute Morgen wieder habe ich mich gebückt, um einige davon vom Boden aufzuheben und sie in meine Tasche zu stecken, wie ich das auch als Kind im Herbst schon gemacht habe: einige von diesen fast runden dunkelbraunen Früchten.

Aber auch wenn es sie dieses Jahr nicht in Mengen geben würde, hätte ich mich sicher wieder an diesen Duft erinnert. Jeden Herbst denke ich bei der passenden Wetterlage an diesen Duft: Es war vor Jahren in den Herbstferien, wir haben einige Tage Urlaub in Lissabon gemacht.

Jeden Abend duftete es in großen Teilen der Innenstadt nach gerösteten Maronen. Gefühlt an jeder Straßenecke befand sich ein Stand, an dem solche verkauft wurden. Immer wieder habe ich mir eine Tüte Maronen gekauft und mit Genuss verzehrt. Sie haben ein nussig-süßes Aroma und sind cremig-weich.

Esskastanien, wie sie auch genannt werden, gibt es hierzulande nicht. Aber als Kind hatte ich im Herbst oft Kastanien in der Hosentasche. Im Dorf gab es einige große Kastanienbäume, die das Ortsbild mitgeprägt haben.

Ich erinnere mich auch gerne daran, wie ich zuhause oder auch mal in der Schule Kastanienmännchen gebastelt habe: eine größere Kastanie für den Leib, eine kleinere für den Kopf. Auch in einer Jugendgruppe habe ich schon mit Kastanien basteln lassen. Sogar ohne dass sie für mich essbar waren, haben sie mir Freude bereitet. Einmal durfte ich mit in den Wald gehen, wo in einem kalten und schneereichen Winter Kastanien zur Fütterung von Rotwild verwendet wurden.

In manchem Haushalt, in den ich in den letzten Jahrzehnten gekommen bin, sah ich im Herbst Kastanien ausgelegt – zum Beispiel auf den Fensterbänken. Mit ganz einfachen Mitteln kann man etwas dekorativ gestalten, ohne sich in Unkosten zu stürzen. Ob mit ihnen auch Spinnen ferngehalten werden können? Mancher Zeitgenosse schwört darauf.

Auf jeden Fall erlebe ich, wie sich auch die nächste und übernächste Generation wieder an Kastanien freut. Und wenn der Enkel oder die Enkelin demnächst Kastanien aus der Hosentasche holt, weiß ich, dass sich auch heute noch Kinder an kleinen Dingen freuen können.

Schon vor fast 200 Jahren, im Jahr 1827, hat der Friedrich Spitta das Gedicht „Freuet euch der schönen Erde“ verfasst. Es gibt viele kleine Dinge, über die man staunen und sich freuen kann. Vielleicht muss man sogar bei den kleinen Dingen anfangen, sich zu freuen: So wird die Grund- stimmung fröhlich und zuversichtlich.

Welche kleinen Dinge werden uns in dieser Woche erfreuen?

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