Grundidee ausgehöhlt
Der Bund überarbeitet die erst ein Jahr alte Krankenhausreform und gibt den Ländern mehr Freiraum. Den müssen sie nun aber auch im Sinne der Patienten nutzen.
Nun wird sie weichgespült, die Klinikreform: mehr Ausnahmen, mehr Zeit – und mehr Geld vom Bund. So hat es die Bundesregierung beschlossen, so soll es der Bundestag absegnen. Die Länder können jubeln, auch wenn sie sich, wie das so ihre Art ist, natürlich noch mehr gewünscht hätten. Sie haben, egal welche Parteien in den Landeshauptstädten jeweils regieren, in großer Einigkeit dem Bund gesagt: Wir sind es, die die Planungshoheit für die Krankenhausstandorte haben. Und deshalb wollen wir uns vom Bund möglichst wenig vorschreiben lassen. Auch, wenn es um die Behandlungsqualität von Patienten geht.
Was sie dabei nicht gesagt haben: dass sie einer damit verbundenen Verpflichtung seit Jahrzehnten nicht nachkommen – nämlich, die Investitionen der Kliniken zu bezahlen. Denn eigentlich ist es so geregelt: Die Krankenkassen finanzieren die Betriebs- und Personalkosten der Kliniken. Das sind Ärzte, Pflegekräfte, aber auch Strom, Wasser, Medikamente und so weiter. Für die Investitionskosten aber sollen die Bundesländer aufkommen, wenn etwa ein Neubau ansteht, eine Renovierung oder ein neuer Operationssaal. Das Problem ist, dass die Länder sich gerne vor diesen Kosten drücken. Nicht einmal die Hälfte der nötigen Milliarden stellen sie zur Verfügung, und das regelmäßig. Das sieht man vielen Krankenhäusern auch an. Und diese Praxis hat zu allerlei Tricksereien der Kliniken geführt, die auf Kosten der Belegschaft und der Patienten gehen.
Nun aber werden die Länder dafür letztlich noch belohnt. Nicht nur, dass sie für den auf 50 Milliarden Euro bezifferten Umbau der Kliniklandschaft wie geplant die Hälfte vom Bund erstattet bekommen – die Bundesregierung übernimmt von diesem Transformationsfonds auch noch weitere vier Milliarden, die die Länder also nicht selbst aufbringen müssen.
So sehr sie sich nun freuen dürfen, bei Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) weit mehr Gehör gefunden zu haben als bei ihrem Vorgänger Karl Lauterbach (SPD): Zurücklehnen können sich die Länder nicht, auch wenn der vollständige Vollzug der Reform nun erst 2030 erfolgen soll. Denn es stimmt ja nicht nur, dass Deutschland zu viele Kliniken hat, von denen zu viele zu wenig können. Mittlerweile ist auch die finanzielle Lage vieler Kliniken dramatisch. Der Großteil von ihnen schreibt rote Zahlen. Die Länder müssen also jetzt sehr bewusst entscheiden, welchem Haus sie welche Behandlung, welche Operation zutrauen – und welchem nicht. Und wie viel Qualitätsverlust man den eigenen Bürgern zumuten will, um in bestimmten Regionen Kliniken am Leben zu erhalten.
Lauterbachs Idee, bundesweit gültige Qualitätskriterien durchzusetzen, ist weitgehend ausgehöhlt worden. Jetzt muss jedes Land zeigen, ob es selbst für mehr Qualität sorgen kann. Oder ob es lieber den bequemen Weg geht: etwa ein Krankenhaus wegen erwarteter Proteste nicht abwickelt, obwohl das angezeigt wäre – und deshalb bald die Qualität der Behandlung entscheidend davon abhängt, in welchem Bundesland man wohnt.
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Die Länder müssen jetzt sehr bewusst entscheiden, welchem Haus sie welche Operation zutrauen.