Französischer Regierungschef auf Abruf
Krise Sébastien Lecornu hat nach seiner erneuten Ernennung zum Premier durch Präsident Emmanuel Macron kaum Chancen, sich im Amt zu halten. Der Rückhalt ist gering.
Paris. Als „Mönchssoldat“ hat sich Sébastien Lecornu vergangene Woche in einem Fernsehinterview beschrieben. Also als einer, der Befehle ausführt und seine eigenen Bedürfnisse einer größeren Sache unterordnet. In dieser Haltung akzeptierte der 39-Jährige noch einmal das Amt des französischen Regierungschefs.
Präsident Emmanuel Macron hatte Lecornu am Freitagabend erneut zum Regierungschef gemacht – fünf Tage, nachdem sein Vertrauter von dem Amt zurückgetreten war. Der Staatschef zauberte nach dem Rücktritt weder einen Mann des gemäßigten linken Lagers noch einen Technokraten aus dem Hut.
Dass Lecornu die nächste Woche als Regierungschef überlebt, ist unwahrscheinlich. Die Parteien am linken und rechten Rand haben bereits angekündigt, ihm das Misstrauen auszusprechen. Und auch im gemäßigt linken Lager sind einige dafür: Die Sozialisten, auf die es mit ihren 66 Abgeordneten ankommt, wollen Lecornu nur dulden, wenn er die umstrittene Rentenreform sofort auf Eis legt. Es gebe kein Stillhalte-Abkommen zwischen dem Parti socialiste (PS) und dem Präsidenten, sagte Generalsekretär Pierre Jouvet. „Wir sind nicht die Rettungsboje eines Macronismus, der an allen Ecken unterzugehen droht.“
Auch die Konservativen, die bisher mit dem Lager des Präsidenten regierten, gingen auf Distanz. Sie würden der nächsten Regierung nicht mehr angehören, kündigte Parteichef Bruno Retailleau an. Änderungen an der Rentenreform, die eine Anhebung des Renteneintrittsalters von 62 auf 64 Jahre vorsieht, lehnen die Konservativen ab.
Lecornu, der vom Staatschef freie Hand bekam, geht realistisch an seine neue Aufgabe. „Wenn die Bedingungen nicht mehr gegeben sind, werde ich gehen“, kündigte er in der Sonntagszeitung „Tribune Dimanche“ an.
Finanzmärkte beruhigen
Lecornu wird seine Regierung Anfang der Woche vorstellen. Eine erste Kabinettssitzung kann frühestens am Dienstag stattfinden, da Macron am Montag kurzfristig nach Ägypten fliegt. Wichtigste Aufgabe der Regierung ist ein Haushaltsentwurf, der auch die Finanzmärkte beruhigen soll. Frankreich hat mit 3,4 Billionen Euro die höchsten Schulden der EU.
Die Opposition kritisierte die Ernennung Lecornus. „Ein schlechter Witz, eine demokratische Schande und eine Erniedrigung für die Franzosen“, schrieb der Parteichef des rechtsnationalen Rassemblement National (RN), Jordan Bardella, im Kurznachrichtendienst X. Grünen-Chefin Marine Tondelier sprach von einer „letzten Provokation“.Lecornu, der wohl am Dienstag oder Mittwoch seine Regierungserklärung hält, könnte schon diese Woche gestürzt werden. Neben RN und der Linksaußenpartei La France Insoumise (LFI) wollen auch Grüne und Kommunisten für einen Misstrauensantrag votieren. „Es ist ein Moment der Wahrheit“, sagte Lecornu selbst.