Padel-Halle kommt, Tennis weicht
Freizeit Die Familien Meyer und Wilske setzen im Fliederweg in Rot am See auf einen Trendsport. Was es mit Padel auf sich hat, und warum an sieben Wochentagen jeweils 16 Stunden gespielt werden kann.
Bis 1. Januar soll alles fertig sein? Das ist ein sportlicher Zeitplan für ein neues Sportangebot in Rot am See. Silvan Meyer, der mit Martin Wilske die erste und in weitem Umkreis einzige Padel-Halle auf den Weg bringt, spricht gar vom Wunsch, „das Weihnachtsgeschäft mitnehmen zu können“. Optimal, sagt er, wäre die Eröffnung am 1. Dezember. Noch ist dem Bau im Fliederweg die Tennishalle anzusehen, in der sich 38 Jahre lang die Jüngerinnen und Jünger des weißen Sports mit- und aneinander maßen.
Was war das für eine Begeisterung im Land, als 1986 Boris Becker Wimbledon verteidigte und Steffi Graf 1987 ihr erstes Grand-Slam-Turnier gewann – mithin ein zweiter deutscher Jungstar über den Tennishimmel zog. Alle Welt wollte plötzlich Tennis spielen, die Mitgliederzahlen in den Vereinen stiegen sprunghaft an, Tennisplätze wurden landauf, landab gebaut. Tennis galt plötzlich nicht mehr als elitär und wurde Breitensport. Binnen kürzester Zeit haben damals Inge und Kurt Meyer samt Helferschar die Halle gebaut, die im Herbst 1987 eingeweiht werden konnte. Sohn Silvan erinnert sich an praktisch durchgehend auf der Baustelle verbrachte große Ferien. Das Risiko zahlte sich aus – auch wenn die Halle mit ihren zwei Spielfeldern im Winter so viel Profit machen musste, dass der Sommer, in dem draußen gespielt wird, ausgeglichen werden konnte.
Jahre und Jahrzehnte zogen ins Land; Silvan Meyer, ein erstklassiger Tischtennis-Leistungssportler, sattelte um und erarbeitete sich den C-Trainerschein im Leistungssport. Die Photovoltaikanlage mit mehr als 100 Kilowatt auf dem Dach tat ein Übriges, das Projekt rentabel zu machen. Die Förderung für das Sonnenenergiefeld ist nun aber ausgelaufen. Und die Tennisfans wurden auch im Winter Jahr für Jahr weniger.
Die Neuausrichtung
Die Familien Meyer und Wilske waren seit geraumer Zeit nicht mehr glücklich mit ihrer Halle – zum Leidwesen der Tennisspieler. Für die beiden Familien kam eine Idee aus der nächsten Generation gerade recht. Simon Wilske ist ein begeisterter Padel-Spieler und fährt dafür regelmäßig nach Heilbronn. „Im Umkreis von 80 Kilometern gibt es solche Anlagen nur in Heilbronn, Würzburg und Stuttgart“, sagt Silvan Meyer. Er ist überzeugt davon, dass es sich nicht um einen kurzlebigen Trend handelt. Seit Mitte der 1970er-Jahre habe dieser Sport einen Siegeszug um die Welt angetreten, auch das europäische Ausland habe sich mit dem Padel-Fieber angesteckt. „Es fordert mental und verlangt strategisches Denken, aber das Spiel selbst lässt sich leichter erlernen.“
Padel und Tennis haben viele Gemeinsamkeiten – das Ploppen des Balls auf dem Schläger, das mehr oder weniger rhythmische Hin und Her, über das nicht der Zufall entscheidet, sondern Gefühl, Technik und Timing. Die Unterschiede liegen vor allem im Einbeziehen der Wände: Wie beim Squash darf der Ball abprallen und erneut aufspringen. Für die zwei Familien gibt es einen entscheidenden Vorteil: Padel wird das ganze Jahr über in der Halle gespielt. Und: Personal wird nicht benötigt.
So begann also der große Umbau. Wie in den 1980er-Jahren legte vor allem Kurt Meyer Hand an: Im Alleingang hat der 86-Jährige 1300 Quadratmeter Teppich gelöst und entsorgt und die Treppe und die sanitären Anlagen herausgerissen. Auf rund 700 Quadratmetern will der Senior neuen Teppichboden verlegen.
Silvan Meyer, 53, ist Steuerfachwirt, der als Lebensgefährte von R. Olivia Diederich zugleich Praxismanager der McKee Zahnärzte in Crailsheim ist. Auch Martin Wilske, Friseurmeister im gleichnamigen Haarstudio, hat mehr als genug zu tun. Die Mitglieder beider Familien stehen mitten im Leben und haben nicht die Zeit, sich groß um Personalangelegenheiten zu kümmern – geschweige denn selbst in der Halle zu stehen. So gibt es also eine vollautomatische Anlage: Wer spielen will, bucht sich online ein – und kann an sieben Tagen in der Woche von 7 bis 23 Uhr einen der beiden Doppelcourts für vier oder das Einzelspielfeld für zwei Spieler nutzen. Ein Code öffnet buchstäblich Türen und schaltet auch die Flutlichtanlage ein. Die Schläger können ebenfalls online organisiert werden. Die Schankwirtschaft wird zumindest vorläufig durch einen Getränkeautomaten ersetzt. An Komfort soll es dennoch nicht fehlen: Die sanitären Anlagen samt Duschen werden erneuert, ein Lounge-Bereich mit Sesseln und Strandkörben dient der Erholung. Unterstützung kommt von der Koch-Autogruppe, die ihren Cupra mit dem Padel-Tennis verbindet.
Generell wird das Gebäude im Fliederweg in eine neue Zeit geführt. Bislang gab es noch nicht mal Internet, jetzt ist so ziemlich alles, bis hin zum Instagram-Auftritt („Padelstube“), ganz tief im digitalen Zeitalter verwurzelt. In der Hoffnung auf eine neue Erfolgsgeschichte. Auf Aufbruchstimmung – ein bisschen wie damals mit Boris und Steffi.