Natur als „kritische Infrastruktur“ schützen
Artenvielfalt Maria Furtwängler und Bioland-Präsident Plagge sprechen über Insektenschutz und Landwirtschaft.
Rot am See. Wie kann Landwirtschaft zum Schutz der Artenvielfalt beitragen – und was kann jede und jeder Einzelne tun? Beim Bioland-Forum in der Hofburk haben die Schauspielerin und Stiftungsgründerin Maria Furtwängler und Jan Plagge, Präsident des größten deutschen Bio-Anbauverbands, über Biodiversität, Verantwortung und den Zustand der Natur gesprochen.
Weil es leiser wird
Furtwängler, die auch NABU-Insektenbotschafterin ist und deren Stiftung MaLisa sich unter anderem dem Klima und der Biodiversität widmet, schilderte eindrücklich ihre Erfahrungen mit dem Artenschwund. Sie beschrieb das Heimweh nach einer Heimat, die verloren geht, obwohl sie noch da ist. Es werde leiser an ihren liebsten Orten, weniger wuselig und weniger bunt. Diese Veränderungen hätten sie wachgerüttelt, sagt sie. Sie sei keine Expertin, aber Biodiversität sei ein Thema, das alle angeht, für das sich alle starkmachen müssten – sie nutze dafür ihre Rolle in der Öffentlichkeit.
Natur sei nicht nur ihr Kraftort, sondern Grundlage des Lebens und unverzichtbar, so die bekennende Insektenliebhaberin. „Wir sollten anfangen, über Natur als das zu sprechen, was sie ist: kritische Infrastruktur, die es unbedingt zu erhalten gilt.“ Sie verwies auf Stromtrassen, Autobahnen und Krankenhäuser: „Da sagt doch auch kein Mensch, dass das der Markt entscheiden soll.“ Die Menschheit gefährde gerade ihre Zukunft, darüber müsse auf Augenhöhe diskutiert werden, weg von der Polarisierung, um gemeinsam Lösungen zu finden. Gerade konservative Politiker nahm sie dabei in die Pflicht. „Das ist doch eigentlich ihr Thema: die Bewahrung unserer Schöpfung.“ Furtwängler sprach auch über ihre Erfahrungen mit öffentlicher Kritik (siehe unten). Nach einer NDR-Dokumentation über Insekten hieß es, sie „hetze gegen die heimische Landwirtschaft“.
Über die „Tragik der Allmende“
Jan Plagge unterstrich die zentrale, aber zwiespältige Rolle der Landwirtschaft. Irgendwie seien Landwirte alles zusammen. Sie seien gleichzeitig „Treiber, Opfer und Teil der Lösung der Biodiversitätskrise.“ Die größte Hürde auf dem Weg zu mehr Artenschutz ist für ihn die Frage der Finanzierung; ohne agrarpolitische Unterstützung, ohne wirtschaftliche Kompensation werde es nicht gehen, nicht, wenn Gemeinwohlleistungen zusätzliche Arbeit und Ertragsverlust bedeuteten. Plagge, obgleich bekennender Gegner bürokratischer Auswüchse, erinnerte daran, dass eine Allmende ohne strikte Regeln nicht überdauert. Damit spielte er auf ein Problem an, das auch „Tragik der Allmende“ genannt wird: Wenn eine gemeinschaftlich genutzte Ressource – etwa eine Weide, ein Fischbestand oder das Grundwasser – von allen genutzt, aber von niemandem geschützt wird, ist sie irgendwann erschöpft. Jeder möchte möglichst viel davon haben, und am Ende bleibt für niemanden genug.
Dass so komplexe Entscheidungen wie die Sicherung funktionierender Ökosysteme den Verbrauchern überlassen werden können, hält Jan Plagge für utopisch. Nötig seien vielmehr branchenweite, rechtlich längst zulässige Abstimmungen zwischen Handel, Herstellern und Landwirten, um nachhaltige Bewirtschaftung wirtschaftlich tragfähig zu machen.
Beide waren sich einig, dass der Erhalt der Biodiversität eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist, die ein Umdenken in Politik, Wirtschaft und bei jedem Einzelnen erfordert.