Bioland-Forum Meteorologe Andreas Neumaier, Crailsheims Baubürgermeister Jörg Steuler und Landwirt Ernst Rieger beantworten am Vorabend der Muswiese in der Musdorfer Hofburk Fragen.
Mit den Lebensräumen sterben auch die Arten; Insekten verschwinden in alarmierendem Tempo“ – Moderatorin Christine Hofmann, Teamleiterin des Hohenloher Tagblatts, widmete sich dem Thema unter ganz unterschiedlichen Gesichtspunkten. Mithilfe ausgewiesener Fachleute beantwortete sie vor allem die Frage, was jeder und jede tun kann. Auch in diesem Jahr hat Organisator Heiko Reinhardt für das Bioland-Forum ganz unterschiedliches Wissen zusammengebracht.
Andy Neumaier, Wetterbeobachter bei der Bundeswehr und Medien-Meteorologe, berichtete von der immer schneller ansteigenden Jahresmitteltemperatur seit 1963 – und von den gravierenden Folgen.
„Deutschland ändert nichts“
Neumaier erklärte, warum es zu Extremwetterereignissen kommt, wie verheerend sich verschobene Vegetationsphasen auswirken können und anderes mehr. Er fand aber auch, dass „das kleine Deutschland nichts gegen diese Entwicklung ausrichten“ könne: Man werde sich an den Klimawandel anpassen müssen: Anders säen und pflanzen, anders leben. Neumaier sprach von bis zu 70 Grad auf großen, baumlosen innerstädtischen Asphaltflächen. Das wirke sich nicht nur auf Insekten verheerend aus, sondern auch auf „Hund, Katze, Maus“ – und den Menschen. Über eine Allee oder überhaupt über Bäume könne da viel erreicht werden.
Crailsheim wächst
Das sagte später auch Jörg Steuler, Sozial- und Baubürgermeister der Stadt Crailsheim. Er ging unter anderem auf die Bedeutung der Kaltluftschneisen entlang der Jagst ein sowie auf viele kleinere und größere Projekte etwa im Bereich der Jagstaue, mit denen Eingriffe in die Natur nach Möglichkeit ausgeglichen werden.
Die Stadt Crailsheim wächst; die Einwohnerzahl ist in den vergangenen Jahren stetig angestiegen und liegt jetzt bei über 37.000. Im Jahr 2022 zum Beispiel gab es tausend zusätzliche Einwohner. Damit wächst auch die Fläche der Stadt. Steuler: „Wir haben nur noch drei Gewerbegebiete frei.“ Man werde auch die letzten 25 Hektar, die die Regionalentwicklung vorsehe, entwickeln müssen.
Die Fragen, die Christine Hofmann ihm stellte, betrafen zum Beispiel die Innenentwicklung (die Steuler zufolge Vorrang hat – „dann erst gehen wir in die Fläche raus“) und die Lichtverschmutzung, unter der vor allem die nachtaktiven Insekten leiden. Steuler erzählte vom weitgehenden Verzicht auf Fassadenbeleuchtung – die Villa mal ausgenommen – und davon, dass rund 2000 der 6000 Straßenleuchten auf LED umgerüstet wurden. Problematisch sei die gefühlte Sicherheit in der Stadt: „Die Menschen wollen mehr Helligkeit.“
Blick auf Gärten und Balkone
Das Crailsheimer Stadtbienenprojekt war ebenfalls Thema, vor allem die von Rainer Prosi gemeinsam mit den Schulen durchgeführten Kartierungen, mit denen sich unter anderem die städtischen Blühstreifen bewerten lassen. Daraus ergeben sich immer wieder Empfehlungen für den Naturschutz, etwa die Förderung von Nistplätzen und Blühpflanzen in Gärten und auf Balkonen.
Dazu wiederum gibt’s kaum mehr zu sagen als Ernst Rieger. Der Landwirt, der bei Raboldshausen Samen gebietseigener Wildblumen und Wildgräser produziert, sprach über die Bedeutung einheimischer Pflanzen. Um die Vegetation ist ihm nicht bang: „Die Wildblumen hier haben seit der Eiszeit überlebt. Die kommen klar. Wenn es trockener wird, gibt‘s halt mehr Gelb als Weiß in den Wiesen.“
„Unterm Sonnenschirm liegen“
Wichtig war ihm vor allem aufzuzeigen, wie sehr Insektenwelt und Vegetation aufeinander eingespielt sind und wie sehr Biodiversität und menschliche Gesundheit zusammenhängen: „Wenn die wildlebenden Bestäuber wegfallen, wird die Ernährung sehr teuer oder sehr einseitig.“ Er bat das Publikum, öfter unterm Sonnenschirm zu liegen, Mähroboter und Laubbläser im Schuppen zu lassen und dem Garten viel mehr Ruhe zu geben. Thymian und anderes zu pflanzen, das heimischen Insekten tatsächlich etwas zu bieten hat. Und im Winter die Stauden stehenzulassen. Auch für die Landwirtschaft hatte er Tipps – etwa auf geförderte Biogas-Blühmischungen zu setzen statt immer nur auf Mais. Auch für ihn gab’s Applaus. Aber nach so viel Information war klar: Die Muswiese will eingeläutet werden.