Plötzlich ein Leader

  • Ist in Topform: Serge Gnabry (links) vom FC Bayern München mit Bundestrainer Julian Nagelsmann. Foto: Federico Gambarini/dpa

DFB-Team Mit einem Sieg in Nordirland kann die Nationalelf das Tor zur WM weit aufstoßen. Sie setzt dabei auf einen Spieler, der schon fast weg vom Fenster war.

Der Mann fiel auf an diesem Abend in Sinsheim. Nicht nur, weil er im Spiel ein weißes Stirnband trug. Serge Gnabry konnte man auch so nicht übersehen. Der Offensivspieler des FC Bayern München war schließlich überall auf dem Platz zu finden. Er half hinten aus, holte auch mal die Grätsche raus, wenn es sein musste. Vorne war der 30-Jährige an etlichen gefährlichen Angriffen beteiligt. Gnabry, befand Bundestrainer Julian Nagelsmann am späten Freitagabend nach dem deutlichen 4:0 (2:0)-Heimerfolg in der WM-Qualifikation gegen Luxemburg, habe das „beste Spiel seit langem“ im Trikot der deutschen Fußball-Nationalmannschaft gezeigt. Ja, mehr noch: Der Münchner sei ein  „Vorbildspieler“.

Wer hätte das gedacht? Plötzlich ist Gnabry, der viel Gescholtene, ein Leader. Nicht nur bei den Bayern, wo er nach dem verletzungsbedingten Ausfall von Jamal Musiala inzwischen unumstrittener Stammspieler ist und Top-Leistungen in Serie zeigt, auch im DFB-Team. Der gebürtige Stuttgarter scheint in der Tat die Kurve bekommen zu haben, nachdem er zwischenzeitlich in München Bankdrücker war, im vergangenen Sommer noch als Verkaufskandidat galt.

Der Flügelstürmer ist topfit, er wirkt spritzig und tatkräftig, er traut sich etwas, spielt seine Stärken konsequent aus: Dribbling, Zug zum Tor, Torabschluss. Die Gegenspieler sehen Gnabry derzeit zumeist von hinten. Ja, in dieser Verfassung ist der Bayern-Star eine Klasse für sich. Klar, dass der 30-Jährige sich beim 4:0 gegen Luxemburg in die Torschützenliste eintrug (48.) „Serge hat eine gute Entwicklung genommen. Er hat eine extrem hohe Qualität. Er ist ein Teamplayer und bodenständig“, sagt Torhüter Oliver Baumann. Die weiteren Treffer erzielten David Raum (12. Minute) mit seinem ersten Länderspieltor und der vom Bundestrainer doch wieder als Rechtsverteidiger aufgebotene Kimmich (21./Handelfmeter/50.) mit seinem ersten DFB-Doppelpack.

Einen starken Serge Gnabry kann die deutsche Mannschaft auch an diesem Montag (20.45 Uhr) gut gebrauchen, wenn es gegen Nordirland geht. Die DFB-Elf kann mit einem Sieg in Belfast das Tor zu WM 2026 in den USA, Kanada und Mexiko weit aufstoßen. Bundestrainer Nagelsmann erwartet von seinen Spielern, dass sie erneut „Gier und Galligkeit“ auftreten. Mal schauen, wie die DFB-Stars dies umsetzen. Die nordirischen Fans dürften den Deutschen im Nationalstadion Windsor Park einen heißen Empfang bereiten.

Und so dürfte die Aufgabe in Belfast ungleich schwieriger werden als beim Einbahnstraßen-Fußball gegen Luxemburg, beim Duell mit den harmlosen und offensiv überforderten Nachbarn, der zudem das Pech hatte, nach einer Roten Karte für Abwehrmann Dirk Carlson (Handspiel als letzter Mann) fast 70 Minuten in Unterzahl spielen zu müssen.

Leweling reist ab

Die deutsche Mannschaft steht nach drei von sechs Spieltagen auf Platz eins der Gruppe A, weil der bisherige Spitzenreiter, die Slowakei, zeitgleich in Nordirland mit 0:2 verlor. Platz eins ist schön und gut, sagt Nagelsmann. Was aber wirklich zähle, sei nur das nächste Spiel, der nächste Gegner: Nordirland. Der Bundestrainer will sich nicht blenden lassen. Er sagt: „Am Ende müssen wir das Spiel gewinnen, das steht über allem. Ich denke, es ist nicht ratsam, die Tabelle zu lesen, wenn es nicht vorbei ist. Wir müssen die Spiele gewinnen. Und das versuchen wir am Montag.“

Nicht in Belfast dabei sein wird Jamie Leweling. Der Profi von Pokalsieger VfB Stuttgart reiste am Samstag aus dem Teamquartier in Herzogenaurach. Leweling hatte wegen Adduktorenproblemen seit Dienstag individuell trainiert. Um „mit Blick auf die laufende Saison kein Risiko einzugehen“, werde er aber auf die Partie verzichten, teilte der DFB am Wochenende mit.

Der Verzicht auf Leweling dürfte verkraftbar sein für die Deutschen, wenn Serge Gnabry weiter so performt. Mit 24 Länderspiel-Toren ist der Münchner der erfolgreichste Schütze im aktuellen DFB-Kader, sein Selbstvertrauen in den vergangenen Wochen stetig gewachsen. „Tore und Assists helfen einem immer, eine gewisse Leichtigkeit zu entwickeln“, sagte Gnabry und verschwand im Mannschaftsbus. Um sich nach seinem starken Auftritt gegen Luxemburg erstmal zu stärken. Mit einer – einmal Schwabe, immer Schwabe – gehörigen Portion Spätzle.

Serge hat eine extrem hohe Qualität. Er ist ein Teamplayer und bodenständig. Oliver Baumann Nationaltorhüter

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