USA Präsident Donald Trump und sein Kriegsminister Pete Hegseth stellen die Weichen für eine militärische Autokratie, in der Trump allein Einsätze seiner Truppen anordnen könnte.
Als Pentagon-Chef Pete Hegseth vor wenigen Wochen den ranghöchsten Offizieren aus aller Welt befahl, an einer Krisensitzung auf dem Marinestützpunkt Quantico bei Washington teilzunehmen, herrschte Ratlosigkeit: Was kann so wichtig sein, dass für jene, die an der US-Westküste, in Europa oder gar in Asien stationiert sind, eine virtuelle Schaltung nicht genügt?
Zwar beherrschte die dramatische Inszenierung seines Auftritts die Schlagzeilen, Hegseths Kritiker haben aber unterschätzt, dass Amerikas neuer „Kriegsminister“ ein klares Ziel verfolgte: Er bereitet den Weg in eine militärische Autokratie, in der sämtliche Macht auf den Oberbefehlshaber der Streitkräfte übertragen wird. Und das ist kein Geringerer als US-Präsident Donald Trump.
Mit lauter Stimme, Körpersprache und Übertreibungen, die an Trumps Wahlkampfveranstaltungen erinnerten, nutzte Hegseth den Anlass, um eine neue Militärdoktrin zu verkünden. Demnach gehören politische Korrektheit, soziale Gerechtigkeit, „ideologischer Müll“ und eine unnötig aufgeblähte Bürokratie der Vergangenheit an. Ideen, die an moderne Autokratien erinnern.
Das gilt auch für die Entlassung uniformierter Anwälte, sogenannter JAGs, die an der Rechtmäßigkeit von Trumps Militäraktionen zweifeln. Oder die neue Vorschrift, wonach Journalisten Artikel vor der Veröffentlichung mit dem Pentagon abzusprechen haben. Kritiker sehen darin Elemente einer Gleichschaltung der Medien. Dass bei Soldaten keine Bärte und nicht einmal leichtes Übergewicht geduldet werden, sei ein gefährlicher Auswuchs des Kulturkampfs und der Absage an die „Woke“-Bewegung.
Experten warnen aber vor der noch gefährlicheren politischen Komponente des Auftritts: der Abschaffung „unnötiger und lästiger Regeln“ für militärische Einsätze. Im Klartext: Die Regierung soll vor solchen Missionen künftig nicht mehr die Zustimmung des Kongresses einholen müssen. Zudem sollen die neuen „Einsatzregeln“ der US-Streitkräfte auf „gesundem Menschenverstand“ und dem Konzept der „maximalen Tödlichkeit“ beruhen.
Der demokratische Kongressabgeordnete Seth Moulton erklärte, dass „Hegseth im Grunde die Strukturen von Streitkräften in Diktaturen wie Nordkorea und Russland beschrieben“ hat. Moulton, ein Veteran des Irakkrieges und ehemals enger Berater von General David Petraeus, zieht daraus eine beunruhigende Schlussfolgerung: „Hegseth politisiert damit nicht nur die Streitkräfte, er schickt sich an, eine militärische Autokratie aufzubauen.“
Unterdessen manifestiert sich die Entwicklung bereits im politischen Tagesgeschäft. Anfang September hat der Präsident seinen Verteidigungsminister per Dekret zum „Kriegsminister“ umbenannt. Der erste US-Kriegsminister diente unter Präsident George Washington in tatsächlichen Kriegszeiten, nämlich während der Revolution gegen die britische Kolonialmacht vor 250 Jahren. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Bezeichnung abgeschafft.
Dass Trump damit auf den möglichen Eintritt der USA in einen Krieg anspielt, bestreitet das Weiße Haus, doch schon am Tag des Dekrets schritt Trump zur Tat. Er ordnete vor der Küste Venezuelas die Bombardierung eines Bootes an, das angeblich Drogen in die USA schmuggeln sollte, wobei elf Menschen starben. Eine Aktion, die laut Verfassung der Kongress hätte autorisieren müssen. Trumps Rechtfertigung: Die Drogenkartelle seien Terrororganisationen. Damit sei die nationale Sicherheit der USA gefährdet und die Umgehung des Kongresses völlig legitim.
Rechtfertigung konstruiert
Das sehen Experten anders. Nach Überzeugung von Michael O‘Hanlon, der bei der Brookings Institution für sicherheitspolitische Fragen zuständig ist, werde Trump bei jeder eigenhändigen militärischen Intervention eine Rechtfertigung konstruieren. „Zwar mag das Prinzip einer formalen Kriegserklärung altmodisch klingen“, sagt O‘Hanlon. „Gleichwohl sollten wir das Prinzip beibehalten, dass demokratische Institutionen – in diesem Fall der Kongress – ihr Mitspracherecht ausüben können.“
Von derartigen Appellen lässt sich Trump aber nicht aus der Bahn werfen. Dies zeigt sich auch an der umstrittenen Entsendung der Nationalgarde in demokratisch regierte Städte wie Washington, D.C., Chicago und Portland. Dabei verbietet der „Posse Comitatus Act“ dem Präsidenten, Soldaten auf US-Staatsgebiet einzusetzen. Auch hat er ohne Autorisierung iranische Nuklearanlagen attackiert. Und was kommt als Nächstes? In Regierungskreisen wird gemunkelt, dass Trump mit einem Einmarsch in Venezuela liebäugelt, um Präsident Nicolas Maduro zu entmachten. Da der Kongress dafür niemals grünes Licht geben würde, dürfte das ebenfalls ein Alleingang werden – Verteidigungs- oder eben „Kriegspolitik“.