Galileo testet neue Wohnkonzepte für die Zukunft
Hohenstein Ein umgebautes Musterhaus zeigt, wie Nachhaltigkeit, multifunktionale Räume und Technik das Leben in den nächsten Jahrzehnten prägen könnten.
Wie könnte das Haus der Zukunft aussehen? Dieser Frage wollte das Pro-Sieben-Wissensmagazin Galileo auf den Grund gehen. Dabei sollte es nicht nur um Architektur und das äußere Erscheinungsbild gehen, sondern vor allem darum, soziale Aspekte, smarte Technik, Nachhaltigkeit und Gesundheit miteinander zu vereinen – ohne dass die Wohnlichkeit zu kurz kommt. Ziel war zudem, familiennahes und gleichzeitig selbstbestimmtes Wohnen unter einem Dach zu ermöglichen.
Umbau eines Schwörer-Hauses
Bereits Anfang des Jahres nahm das Team von Galileo hierfür Kontakt zum Hohensteiner Fertighausunternehmen Schwörer Haus auf, auf dessen Areal dann das „Galileo-Haus der Zukunft“ entstand. Nicht etwa als Neubau, sondern als Umbau eines bereits bestehenden Musterhauses. Damit wurde gleichzeitig bewiesen, dass zwar neue Häuser gebraucht werden, aber bestehender Wohnraum durchaus zukunftsorientiert umgestaltet werden kann.
Neben Mitarbeitern des Hohensteiner Hausherstellers beteiligten sich die Architektin Anne Kozlowski als Expertin für modulares Wohnen und Platzoptimierung, der Smart-Home-Influencer Simon Oberstedt und der Zukunftsforscher Harry Gatterer an der Umsetzung. Über Monate hinweg wurden Ideen zusammengetragen, weltweit recherchiert und natürlich gebaut.
Anfang Oktober wurde das Galileo-Haus der Zukunft dann für 24 Stunden von zwei ‚Best Agern‘ – einem Ehepaar der Generation 50 plus – und einer fünfköpfigen Familie auf Alltagstauglichkeit und Wohlfühlatmosphäre getestet. Am vergangenen Montag folgte die offizielle Eröffnung.
Von außen und auch auf den ersten Blick von innen unterscheidet sich das Haus der Zukunft kaum von heutigen Ein- bis Zweifamilienhäusern. Vielmehr verbirgt sich die Zukunftsvision in unzähligen kleinen Details. Dabei war das Haus der Zukunft bei seiner Errichtung 2006 ebenfalls schon ein Zukunftshaus, das damals erstmals barrierefreie Gestaltung, Komfort und Wohnlichkeit vereinte, wie das Team von Schwörer Haus erklärte.
Platz sparen
Jetzt wurde der klassische Zuschnitt in flexibel nutzbare Zonen umgewandelt, sodass sich die Räume multifunktional nutzen lassen. Die modularen Möbel sind teilweise auf Rollen oder ein- und ausfahrbar. Hierzu zählen eine Kochinsel auf Rollen, verschiebbare Möbel und Lamellentische, die sich flexibel vergrößern oder verkleinern lassen.
Feste Trennwände wurden durch Einbauelemente und Stauraummöbel ersetzt. So lässt sich der begehbare Kleiderschrank im Schlafzimmer zusammenschieben, und das Bett fährt per Knopfdruck an die Decke. In weniger als einer Minute wird das Schlafzimmer dadurch zum Büro oder bietet genug Platz für sportliche Aktivitäten. Für Letzteres wird aus dem Spiegel ein Fitnessdisplay. Ob Yoga, Meditation oder Krafttraining – alles ist möglich, und zwar mit Echtzeitanalyse. Sollte die Kraft nachlassen, wird das Training automatisch angepasst.
Der transparente Bildschirm des großen Fernsehers macht es möglich, dass dieser auch problemlos im Wohnzimmer vor der Fensterfront stehen kann. Für zusätzlichen Platzgewinn sorgt in der Küche ein unsichtbares Kochfeld, das das Kochen direkt auf der Arbeitsplatte ermöglicht.
Natürliche Materialien
Neben einer möglichst guten Platzausnutzung spielte bei der Umsetzung auch Nachhaltigkeit eine große Rolle. So fanden Stühle aus recyceltem Material Verwendung, die keineswegs billig, sondern eher modern aussehen. Für farbliche Akzente sorgen in Flachsvlies-Tapeten eingearbeitete Blüten und Moos. Weiterhin wurden natürliche Materialien wie Holz, Kork, Seegras und Hanf eingesetzt.
Sparsamer Umgang mit Wasser
Verschiedene Kameras im Außenbereich sind solarbetrieben, und im Garten sorgen Solarmöbel – Solartisch, -bank und -schirm – für zusätzliche Energiegewinnung. Die Toilettenspülung verwendet das gebrauchte Wasser vom Handwaschbecken. Wer gerne lange duscht, kann das zukünftig auch ohne schlechtes Gewissen tun: Nach drei Minuten wird auf Wasserkreislauf umgeschaltet. Das heißt, das bereits verwendete Wasser wird aufbereitet, auf Temperatur gehalten und erneut verwendet. Der Wasserhahn in der Küche liefert nicht nur Spülwasser, sondern auch gefiltertes stilles, sprudelndes oder kochendes Wasser.
Gesundheit und Sicherheit
Dank Künstlicher Intelligenz und Technik wird im Haus der Zukunft auch auf die Gesundheit der Bewohner geachtet. In der Seniorenwohnung findet beispielsweise ein Bett Verwendung, dessen Rahmen Atem sowie Bewegung überwacht und im Notfall Alarm schlägt. Die Matratze passt automatisch Härte und Neigung an, erkennt Schnarchen und kann, wenn gewünscht, ein Schwebegefühl bereiten oder massieren.
Die intelligente Toilette misst EKG-Werte und analysiert den Urin, gibt die Daten anschließend an ein Tablet weiter, das bei Abweichungen warnt. Für eine gesunde Ernährung sorgen unterdessen Hydrotower und ein Gartenschrank, in denen frisches Gemüse wächst. Die Bewässerung erfolgt automatisch. Sensoren erfassen zudem Temperatur und Schadstoffbelastung im Haus. Spezielle Gardinen entfalten durch Besprühen mit Wasser eine kühlende Wirkung an heißen Sommertagen.
Auch das Thema Sicherheit wird im Haus der Zukunft großgeschrieben. Eine Wachhund-Drohne verlässt in regelmäßigen Abständen ihren Kasten im Garten und fliegt ums Haus. Im Fall der Fälle verfolgt sie sogar den Einbrecher. Die Eingangstür ist mit Zahlencode und Gesichtserkennung geschützt, und Saugroboter sorgen nicht nur für Sauberkeit, sondern patrouillieren bei Abwesenheit durchs Haus.
Futuristische Extras
Bügelschränke übernehmen mittels Wasserdampf das Bügeln, das Kochen wird von einem Kochroboter erledigt. Der Backofen erkennt seinen Inhalt selbst und stellt Backtemperatur sowie die Backzeit automatisch ein. Und wer keine Verantwortung für ein Haustier übernehmen möchte, kann zukünftig auf Roboter wie die Eule Niko zurückgreifen, die wie Hund oder Katze ihren Menschen hinterherläuft.
Vieles von dem, was im Galileo-Haus der Zukunft Verwendung gefunden hat, ist bereits auf dem Markt, allerdings mit 36.000 Euro für einen transparenten Fernseher oder ebenso viel pro Jahr für eine Wachhund-Drohne nicht für jeden erschwinglich. Gleichzeitig wurden auch viele Prototypen ausprobiert, die schon mal einen kleinen Vorgeschmack, auf des Leben in der Zukunft geben. Die Testpersonen jedenfalls waren, so das Team von Galileo, begeistert, die Senioren allerdings auch zeitweise überfordert.