Tübingen greift beim Abschleppen härter durch
Reutlingen Eine Reutlingerin zahlte nach dem Abschleppen ihres Autos in Tübingen circa 500 Euro. Nun hat die Stadt die strikte Abschlepppraxis bestätigt.
Ein Einkaufsbummel in Tübingen endete für eine Frau aus Reutlingen mit einer teuren Überraschung: Weil sie ihren Wagen an einem verkaufsoffenen Sonntag auf einem Schulparkplatz abstellte, wurde dieser abgeschleppt – Kostenpunkt etwa 500 Euro. Nun hat die Stadt Tübingen erklärt, warum sie so konsequent vorgeht – und weshalb sie diese hohen Gebühren für gerechtfertigt hält.
Zuständig für das Entfernen widerrechtlich abgestellter Fahrzeuge auf städtischen Privatparkplätzen – etwa Schulparkplätzen – ist demnach ein Abschleppdienst aus Reutlingen (Name ist der Redaktion bekannt). Sie wurde laut Tübinger Stadtverwaltung ausgewählt, weil sie als einziges Unternehmen im Umkreis von etwa 25 Kilometern das sogenannte „Direktinkasso“ anbietet, also die Bezahlung der Abschleppkosten direkt bei Abholung des Fahrzeugs ermöglicht. „Der Verwaltungsaufwand sollte so gering wie möglich gehalten werden“, teilt eine Sprecherin der Stadt mit. „Hierzu wurden die Abschleppunternehmen in circa 25 Kilometern Umkreis von Tübingen zunächst alle angefragt.“ Lediglich das Reutlinger Unternehmen habe dabei das Direktinkasso angeboten, weshalb es ausgewählt wurde.
Abschleppdienst „fährt Streife“
Das Unternehmen kontrolliert laut Stadtverwaltung bestimmte Parkflächen eigenständig – auch an Wochenenden und Feiertagen. „Die Firma hat auf regelmäßig besonders durch widerrechtlich parkende Fahrzeuge betroffenen Parkplätzen einen dauerhaften Kontroll- und Abschleppauftrag – auch an Wochenenden und Feiertagen“, heißt es in der Antwort. Auf anderen Flächen sei der Auftrag auf die Wochentage beschränkt.
Die Stadt betont, dass die Firma selbstständig zu unterschiedlichsten Zeiten kontrolliere und widerrechtlich parkende Fahrzeuge abschleppe. Nur in Ausnahmefällen werde das Unternehmen direkt durch Beschäftigte der Stadt beauftragt. Damit unterscheidet sich Tübingens Vorgehen deutlich von dem in Reutlingen: Dort erfolgen Abschleppungen nur auf Anforderung der Verwaltung und nie an Sonn- oder Feiertagen (wir berichteten).
Keine Einzelfallabwägung
Auf die Frage, nach welchen Kriterien über das Abschleppen entschieden wird, antwortet die Stadtverwaltung knapp: „Ausschließlich danach, ob ein Fahrzeug berechtigt (also mit gültigem Parkausweis) oder widerrechtlich parkt.“ Beschwerden von Mietern über blockierte Stellplätze würden regelmäßig eingehen.
„Abgesehen von den Beschwerden unserer Mieter, die wegen widerrechtlich parkenden Fahrzeugen keinen Parkplatz finden, obwohl sie dafür bezahlen, ist den Mietern das Dulden widerrechtlich parkender Fahrzeuge auch nicht vermittelbar“, so die Sprecherin der Stadt. Würde man Verstöße tolerieren, würde das „widerrechtliche Parken auf Privatparkplätzen in nicht mehr handhabbare Zustände führen“.
Die hohen Kosten, die die Reutlingerin zahlen musste, hält die Stadt für gerechtfertigt. „Die Abschleppgebühren liegen im vorliegenden Fall im üblichen Rahmen für private Abschleppaufträge in der Region“, erklärt die Verwaltung. Die Höhe sei stark regional unterschiedlich und hänge „von Angebot und Nachfrage der vorhandenen Abschleppunternehmen und der regionalen Preisgestaltung“ ab.
Im konkreten Fall habe der Betrag „nicht über, sondern unter 500 Euro“ gelegen. Zu den genauen Preisstrukturen teilt die Stadt mit: „An Wochentagen zu üblichen Arbeitszeiten liegen die Kosten meist zwischen 270 und 300 Euro. An Sonntagen und nachts fallen zusätzlich zu den normalen Sätzen die gesetzlich vorgeschriebenen Nacht- und Wochenendzuschläge an.“ Die Höhe kann variieren, etwa wenn der Halter das Fahrzeug zu ungewöhnlichen Zeiten abholen will oder eine zusätzliche Anfahrt des Abschleppdienstes nötig wird. Auch der Fahrzeugtyp spiele eine Rolle, da „der damit verbundene Aufwand des schadenfreien Abschleppens erheblichen Einfluss auf die Kosten“ habe.
Zum Vergleich: In Reutlingen werden Autos auf städtischen Privatflächen – etwa Schul- oder Verwaltungsparkplätzen – nicht automatisch abgeschleppt. Nur wenn eine akute Gefahr oder Behinderung vorliegt, greift die Stadt ein. Meist bleibt es bei Verwarnungen. Abschleppungen an Wochenenden oder Feiertagen sind nach Angaben der Reutlinger Verwaltung ausgeschlossen, eigenständige Kontrollen durch Abschleppunternehmen gibt es nicht.
Zudem rechnet in Reutlingen nicht das Abschleppunternehmen direkt, sondern die Stadt mit den Betroffenen ab. Sie zahlt die Kosten zunächst selbst und fordert sie anschließend vom Halter zurück – zuzüglich einer Verwaltungsgebühr von 90 Euro. So wolle man verhindern, dass die Preise unkontrolliert steigen.
Während also in Reutlingen Zurückhaltung gilt, überlässt Tübingen die Kontrolle weitgehend dem Abschleppdienst selbst – inklusive Wochenend-Streifen und Direktinkasso. Damit trägt Tübingen die Linie einer konsequenten Parkraumüberwachung auch auf ihre Privatflächen. Dass dabei Beträge von rund 500 Euro entstehen können, sieht die Stadt nicht als Problem, sondern als Folge der gesetzlichen Zuschläge. Der Fall zeigt, wie unterschiedlich die Städte in der Region mit Falschparkern umgehen: Zwischen Tübingens konsequenter Linie und Reutlingens milder Praxis liegen – buchstäblich – zwei Städte, zwei Maßstäbe beim Thema Abschleppen.
Die Abschleppgebühren liegen im üblichen Rahmen für private Abschleppaufträge in der Region. Eine Sprecherin der Stadtverwaltung Tübingen