Die Migranten-AfD
Laut einer Studie ist ausgerechnet die AfD bei Migranten beliebter als bei Menschen ohne Migrationshintergrund. Wie sich das erklären lässt und was das für die politische Auseinandersetzung bedeutet.
Die Wiederwahl von Donald Trump war ein Schock für die US-Demokraten. Besonders ungläubig schauten sie auf dessen Zustimmung bei den Minderheiten. Trotz seiner rassistischen Tiraden stimmten deutlich mehr Schwarze und Latinos für Trump als noch bei dessen erster Wahl 2016. Mit Blick auf die AfD lässt sich für Deutschland eine ähnliche Entwicklung beobachten. Laut einer Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung ist die in Teilen rechtsextreme Partei für knapp jeden fünften Deutschen mit Migrationshintergrund die erste Wahl. Bemerkenswert: Die AfD schneidet sogar bei Ausländern ohne deutschen Pass besser ab als bei Bürgern ohne Migrationshintergrund.
Damit ist die AfD, die in ihrem Wahlprogramm Remigration fordert, quasi eine Migrantenpartei. Wie lässt sich dieser Widerspruch auflösen? Offensichtlich wird: Mit Identitätspolitik und dem Fokus auf die Präferenzen einzelner kleiner Gruppierungen, lässt sich diese neue politische Realität nicht erklären. Es war schon immer übergriffig und respektlos, Menschen Meinungen zuzuschreiben, weil alles andere ja den Interessen der Gruppe, zu der sie gehören, widersprechen würde.
Deswegen wollte der große amerikanische Bürgerrechtler Martin Luther King auch nichts von Identitätspolitik wissen und argumentierte stattdessen für einen farbenblinden Liberalismus, der Probleme wie Armut und Chancengleichheit für alle löst statt Hautfarbe, Religion oder Nationalität in den Mittelpunkt zu rücken. Abgewandelt liefert das auch eine bessere Erklärung für das überraschend AfD-freundliche Wahlverhalten der Migranten und Ausländer. Denn die, die sich erst noch einen gewissen Wohlstand erarbeiten müssen, spüren die Probleme des Landes besonders. Und wer sich mühsam etwas aufgebaut hat, hat möglicherweise Angst, den Wohlstand zu verlieren.
Wie rational das Verhalten ist, darüber lässt sich streiten. Nach dem Willen der AfD sollen nur Deutsche Bürgergeld bekommen können, was für ausländische AfD-Sympathisanten Existenznöte bedeuten würde, sollten sie ihren Job verlieren. Prekäre Arbeitsverhältnisse verbessern sich nicht gerade, wenn man Angst haben muss, ohne Gehalt und ohne Essen dazustehen. Und ob eine AfD-Regierung den Wohlstand der Migranten, die ihn schon haben, beschützen könnte, steht in den Sternen. Was die zentrale Forderung der Rechten für Folgen hätte, hat einer der Ihren treffend auf den Punkt gebracht. Die AfD wolle weniger Ausländer, für ihn bedeute das, dass er den Deutschen sagen müsse: „Passt mal auf, Freunde, also Ihr werdet in Zukunft länger arbeiten müssen und weniger Urlaub machen“, sagte Erik Lehnert, rechtsextremer Vordenker und Fraktionsgeschäftsführer der AfD in Brandenburg, in bemerkenswerter Offenheit dem „Deutschlandfunk“. Klar ist jedenfalls, dass sich die Stärke der AfD viel eher durch soziokulturelle Ansichten und Faktoren erklären lässt als durch die simple Schablone, dass Menschen mit Migrationshintergrund eine ausländerfeindliche Partei schon nicht wählen werden.
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Jene, die sich erst noch einen gewissen Wohlstand erarbeiten müssen, spüren die Probleme besonders.