Tim Kneule: Der stille Bruddler ist jetzt eine Legende
Handball Geschichte Der Dettinger Tim Kneule wird bei Frisch Auf Göppingen in die Hall of Fame aufgenommen. Die Würdigung einer einzigartigen Karriere.
Es mag manche oder manchen überraschen, weil er völlig normal wirkt: Tim Kneule ist eine Legende. Nicht erst seit dem 4. Oktober, aber da wurde es endgültig aktenkundig, als ein Banner mit seinem Konterfei unter die Hallendecke der Göppinger EWS-Arena gezogen wurde. Das fühlt sich auch knapp zwei Wochen danach noch surreal an. „Es war ein sehr emotionaler Moment, den ich auch heute noch nicht richtig beschreiben kann“, blickt Tim Kneule zurück. Schließlich sei es „extrem besonders“ eine Vereinslegende zu sein. Darauf kann man sich in der Tat nicht vorbereiten – das passiert einfach.
Prägende Zeit in Neuhausen
Tim Kneule hat sich als Handballer beim TV Neuhauen seine ersten Sporen verdient. Zunächst in der Jugend der JSG Neuhausen-Metzingen, dann beim TVN, mit dem er in die 2. Liga aufgestiegen ist. „Die Zeit in Neuhausen war prägend. Kurt Reusch und Hans Hahn haben mich schon in der Jugend gepusht. Ich bin ins Jugendprogramm von Frisch Auf Göppingen reingekommen, weil Kurt dort ja auch einen gewissen Einfluss hatte. Das war für meine Karriere extrem wichtig und auch extrem cool. Heute kann man sich das bei den Jugendakademien der Bundesliga-Klubs nicht mehr so richtig vorstellen, weil dort die Spieler viel früher an den Verein gebunden werden“, blickt der 39-Jährige dankbar auf die Zeit unterm Hofbühl zurück.
Und noch etwas kann man sich heute nicht mehr vorstellen. In der 18-jährigen Profikarriere hat der Rückraumspieler nur für die Göppinger gespielt. Das macht 511 Erstligaspiele mit 1062 Toren. Als einziger Spieler holte der Ermstäler mit den Göppingern vier Titel im EHF-Pokal: 2011/2012/2016/2017. So etwas schafft nur eine Legende – auch wenn sie nicht weiß, wie sich eine solche eigentlich zu gebärden hat.
Heimatverbundener Familienmensch
Die Vereinstreue kann man an zwei Pfeilern festmachen. „Ich bin heimatverbunden und ein Familienmensch. Zudem hatte ich in Göppingen immer das Vertrauen der Trainer, bekam viele Spielanteile. Es ging mir super, ich habe mit Frisch Auf vieles erreicht“, betont Tim Kneule.
Warum sollte er also den Verein verlassen, bei dem es ihm prima gefallen hat? Dass er seine Verträge ab einem gewissen Zeitpunkt selbst ausgehandelt hat, ist ein weiterer Aspekt für die Vereinstreue. Wenn ein Spieler sich selbst managt, kann ihm niemand dazwischenfunken, der glaubt, irgendwo anders sei alles besser. Anfragen sind gekommen, wurden aber allesamt abschlägig beschieden.
2024 hat Tim Kneule seine aktive Karriere beendet. „Der wird garantiert beim TVN oder in Dettingen weiterspielen“, waren sich manche „Insider“ sicher. Tat er nicht und wird er weiterhin nicht tun. Auch eine Anfrage aus Lichtenstein sei eingetrudelt, wo ihn sein Bruder für ein paar Spiele bei der SGOU gewinnen wollte. „Für mich war von Anfang an klar, dass ich richtig aufhöre. 18 Jahre lang habe ich als Profi meinen Körper geschunden – das reicht. Es wurde Zeit, dass die Familie in den Vordergrund tritt, ich genieße die freien Wochenenden. Nach wie vor gehe ich natürlich noch gerne in eine Halle. Das bleibt nicht aus, wenn der Handball so lange Lebensinhalt war.“
Da trifft es sich gut, dass der Sohn Handball spielt, in Dettingen. Gehört Tim Kneule zu den Vätern, die das ganze Spiel über im Kommentarmodus sind? „Ein bissle Expertise würde ja dahinter stecken. Tatsächlich bin ich aber eher der stille Bruddler. So würde ich das mal bezeichnen. Man muss die Kids spielen lassen und ihnen nicht andauernd Ratschläge erteilen. In meiner langen Karriere habe ich zudem gelernt, die Schiedsrichter zu respektieren“, so der Vater eines kleinen Handballers. Es wäre schon viel geholfen, wenn er dies anderen Eltern vermitteln könnte.
Trio in der Hall of Fame
In die Göppinger Hall of Fame hat es erst ein Trio geschafft. Vor Kneule wurde diese Ehre nur Bernhard Kempa und Horst Singer zuteil. „Wir kennen den Kempa-Trick, warum gibt es keinen Kneule-Trick“, lautete die provokante Frage des Interviewers. „Scheint so, dass ich keine Innovationen ins Spiel eingebracht habe“, lacht Kneule, der an anderer Stelle noch darauf verweisen muss, wie vielfältig Handballer sein können. Studiert hat er Sportwissenschaften, den Master im Gesundheitsmanagement erlangt. Jetzt arbeitet er als Berater bei der Firma Swagelok in Reutlingen-Altenburg, die sich um „leckagefreie Verbindungen in unterschiedlichen Fluidsystemanwendungen“ kümmert. Auch so etwas kann wohl nur eine Legende.
Es war ein sehr emotionaler Moment, den ich auch heute noch nicht richtig beschreiben kann. Tim Kneule Göppinger Handball-Legende