Obdachlose häufig psychisch krank
Reutlingen Die Stadt hat derzeit über 400 Personen in Gemeinschaftsunterkünften, Wohngemeinschaften oder in Wohnungen untergebracht.
Stand Ende Januar dieses Jahres hat die Stadt Reutlingen 410 obdachlose Personen untergebracht. Dabei habe die Zahl von wohnungslosen Menschen mit psychischen Erkrankungen in den vergangenen Jahren stetig zugenommen, so Reutlingens Verwaltungsbürgermeister Robert Hahn in einer Mitteilung für den Verwaltungsausschuss des Gemeinderats. „Oft landen diese ohne eine adäquate Betreuung oder Behandlung in der obdachlosen-rechtlichen Unterbringung“, so der Bürgermeister.
Die Unterstützung dieser psychisch Kranken aus entsprechenden Hilfesystemen könne allerdings nur auf Antrag gewährt werden. „Einigen Betroffenen sind die Unterstützungsmöglichkeiten nicht bekannt oder die Anträge sind zu umfangreich. Oft wollen aber auch Betroffene die Anträge nicht stellen, obwohl sie dabei unterstützt werden würden“, schreibt Hahn. In den meisten Fällen hätten die Betroffenen aber auch keine Krankheitseinsicht und keinen Willen, etwas zu verändern. Diese Personen seien massiv auffällig und belasteten das gesamte Umfeld.
Schwieriger Zugang
Nur über einen vertrauensvollen Zugang könne diesen Personen das Hilfesystem zugänglich gemacht werden. Diesen Zugang aufzubauen, würde erfahrungsgemäß Monate oder auch Jahre brauchen. Dafür werde dringend eine niedrigschwellige, aufsuchende Sozialarbeit benötigt, die zeitintensive Beziehungsarbeit leisten könne. „Dies ist mit einer Stelle für die Sozialarbeit Obdachlose nur sehr eingeschränkt zu stemmen“, erklärt Hahn.
Bei der Bekämpfung von Obdachlosigkeit wurden bei der Stadt im Jahr 2024 insgesamt 279 Fälle bearbeitet, zwei Fälle mehr als im Vorjahr. Von Obdachlosigkeit bedroht waren 399 Personen, davon 316 Erwachsene und 83 Kinder. „Ein Großteil der Erwachsenen war alleinstehend oder ohne familiäre Bindungen. Geschlechtsspezifisch gesehen, überwiegt auch im Berichtszeitraum 2024 der Anteil an Männern ab der Altersgruppe von 18 Jahren aufwärts“, heißt es in der Mitteilung von Bürgermeister Hahn.
Das sind die Hauptgründe, weshalb sich Menschen an die Obdachlosenbehörde gewandt haben: In 117 der 279 Fälle wurde nach Wohnraum oder größeren Wohnungen gefragt. In 71 Fälle waren Mietschulden ausschlaggebend. Jeweils 16 Mal war wegen Eigenbedarf gekündigt worden oder waren Familienstreitigkeiten der Anlass. Dabei kam es 2024 zu insgesamt 57 Zwangsräumungen, 15 Mal bei Wohnungen der Wohnungsgesellschaft GWG.
84 Personen neu aufgenommen
Rund 40 Prozent der Obdachlosen beziehen Bürgergeld oder Sozialhilfe, aber in immerhin 41 Fällen (15 Prozent) haben die Betroffenen ein festes Erwerbseinkommen. Insgesamt wurden 84 Personen vergangenes Jahr obdachlosenpolizeilich von der Stadt neu in Gemeinschaftsunterkünften, Wohngemeinschaften oder in Wohnungen untergebracht. Das waren 63 der 279 bearbeiteten Fälle, was einem Anteil von rund 23 Prozent entspricht.
Die verbleibenden 77 Prozent fielen entweder nicht in die Zuständigkeit der Obdachlosenbehörde oder es gelang den Personen selbst, Wohnraum zu finden. Einige der Fälle seien aber auch noch immer in Bearbeitung, da es nicht für alle direkt einen freien Platz zur sofortigen Unterbringung gebe, erklärt die Verwaltung.
Gleichzeitig konnten 2024 für 131 Personen (verteilt auf 76 Fälle) die Unterbringung aufgehoben werden: 47 Mal sind Betroffene um- oder weggezogen, 12 Mal unbekannt abgetaucht. In neun Fällen traten Obdachlose ihre Haft an, vier Menschen sind verstorben. „Erfreulicherweise konnte in vier Fällen eine Beschlagnahme bei der GWG wieder zurück in ein Mietverhältnis umgewandelt werden“, teilt die Stadt Reutlingen mit.