ICE: Trumps Geheimpolizei
Offiziell ist die Behörde Immigration and Customs Enforcement (ICE) damit beauftragt, kriminelle Migranten zu verhaften und außer Landes zu bringen. Doch das Vorgehen der Mitarbeiter deutet auch auf andere Ziele hin.
Der Umbau des US-Militärs hin zu autokratischen Strukturen schlägt sich nicht nur in illegalen Einsätzen der Nationalgarde oder in Kriegshandlungen nieder, die Präsident Donald Trump ohne die Zustimmung des Kongresses anordnet. Die direktesten Parallelen zu autoritär geführten Staaten sehen Experten in den unkontrollierten Vollmachten, die Trump der bewaffneten Grenzschutzbehörde Immigrations and Customs Enforcement (ICE) eingeräumt hat.
Lee Morgenbesser, Professor für Politik und auswärtige Beziehungen an der australischen Griffith Universität, zieht einen Vergleich zu den syrischen Geheimdiensten Mukhabarat. Unter dem früheren Präsidenten Baschar al-Assad kontrollierte das Mukhabarat-Netzwerk über Jahrzehnte das Land durch Überwachung, Verhaftungen, Einschüchterung und Folter.
Der Experte weist darauf hin, dass ICE sich keineswegs an Trumps Ankündigung gehalten hat, nur gewalttätige Migranten, die illegal in den USA leben, verhaften zu wollen. Morgenbesser nennt einzelne Kriterien, die Züge diktatorischer Staatsformen aufwiesen: So hätten bewaffnete ICE-Agenten konkret Kritiker und politische Gegner des Präsidenten im Visier. Mehrere von ihnen sind in Städten wie New York und Los Angeles verhaftet worden.
Auch gingen die ICE-Mitarbeiter streng geheim vor. Dies zeige sich an den Masken, die Grenzpolizisten tragen und an der häufigen Weigerung, sich auszuweisen. „Zudem unterliegen sie keiner Kontrolle, spezialisieren sich auf Überwachung und wenden in ihrer Vorgehensweise nicht selten reine Willkür an“, stellt Morgenbesser fest. Als Beispiele dafür nennt er Razzien in Schulen, Kirchen, Lebensmittelgeschäften und nächtliche Überfälle in Privatwohnungen.
Unterdessen haben die Methoden der ICE-Agenten zu Lynchjustiz geführt. Die Zahl der Zivilisten, die auf Amazon imitierte Uniformen der Grenzwächter bestellen, sich Masken übers Gesicht ziehen und mit erhobener Waffe Personen, die wie Ausländer aussehen, entführen, ist auf einen Rekordstand gestiegen. Einem Bericht des Fernsehsenders CNN zufolge gibt es seit Trumps zweitem Amtsantritt im Januar 2025 mehr „ICE-Nachahmer“ als während der vorangegangenen 16 Jahre zusammen.