Der größte Buchladen

  • Begehrte Ware am Stand des Hanser Verlags auf der Frankfurter Buchmesse: der mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichnete Roman „Die Holländerinnen“ von Dorothee Elmiger. Foto: Jürgen Kanold

Frankfurter Buchmesse Die Verlage stellen nicht nur aus und machen Lust auf neue Titel, sie verkaufen auch direkt ans Publikum.

Der weltweit wichtigste Handelsplatz für Inhalte aller Art – von gedruckten Büchern bis zu digitalem Content: Die Frankfurter Buchmesse, durch deren Hallen seit Mittwoch und noch bis Sonntag wieder die Massen strömen, kann mit vielen Superlativen locken. Jetzt ist sie 2025 erstmals auch die global größte Buchhandlung auf Zeit, vom ersten Tag an.

Früher hieß es: schauen, berühren, lesen – und zurücklegen. Heute wirbt etwa der S.Fischer Verlag an seinem Stand nicht nur stolz mit dem jüngst gekürten Literatur-Nobelpreisträger László Krasznahorkai, es ist auch eine Kassentheke aufgebaut. Im Regal stehen, schön gelb und buchstabenverzerrt gecovert, zahlreiche Exemplare seines Thüringen-Romans „Herrscht 07769“. Aber ja, bitte mitnehmen, für 26 Euro. Gerne, man weiß ja nie.

Denn die Branche hat Lieferschwierigkeiten. So hatte der Hanser-Verleger Jo Lendle kürzlich im Podcast „Lesart“ des Deutschlandfunks über Engpässe bei den Druckereien geklagt: „Ein großes Drama.“ Kurzfristige Nachauflagen seien schwer zu bekommen. Schlimmer noch als im Corona-Jahr sei die Situation, als die Lieferketten unterbrochen waren – und schlimmer als nach dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs 2022, als die Papierpreise durch die Decke gingen.

Lendle führt die Misere unter anderem auf den Fachkräftemangel, auf Schließungen von Druckereien und den zunehmenden „Just in Time“-Einkauf im Buchhandel zurück. Das Fachmagazin „Börsenblatt“ gab eine Umfrage in Auftrag, fast 63 Prozent der Verlage bestätigten: „Ja, die Lage ist katastrophal. Wir können gefragte Titel im Moment nicht nachdrucken.“

Asterix in der Vitrine

Besonders Hanser leidet aktuell darunter: Da gewinnt Dorothee Elmiger mit ihrem Roman „Die Holländerinnen“ den Deutschen Buchpreis 2025 – und dann ist das Buch ausverkauft. Händeringend erwartet der Verlag die nächste Auflage, bald sollen 100.000 Exemplare bereitstehen. Übrigens bemerkenswert: Der Titel wäre ja als E-Book zu erwerben. Die lesende Menschheit greift aber noch immer gerne zum gedruckten Buch.

Planung? Na ja, dass ein Roman für die Longlist, dann die Shortlist des Deutschen Buchpreises ausgewählt wird und den dann auch noch gewinnt, lässt sich natürlich nicht kalkulieren. Am Mittwoch lagen jedenfalls bei Hanser trotzdem viele Exemplare dekorativ am Stand aus – und die Schweizer Autorin, die sich bei der Verleihung mit einem Tocotronic-Zitat bedankt hatte, „das Unglück muss zurückgeschlagen werden“, war freudig gestimmt auf vielen Talks zu erleben.

Sowieso sind in den Hallen keine leeren Regale zu sehen. Dieses Riesenangebot! Wobei man nicht alles kaufen und einpacken kann. Die Buchmesse ist eine Buchmesse: Droemer Knaur inszeniert in einer separaten Grusel-Koje und mit einem Videofilm den nächsten Psychothriller von Sebastian Fitzek, „Der Nachbar“, der am 22. Oktober in den Handel kommt. Bei S. Fischer wird der nächste Bestseller von Florian Illies noch im Glasschrank verwahrt: „Wenn die Sonne untergeht“ (erscheint ebenfalls am 22. Oktober). Nach dem Maler Caspar David Friedrich („Zauber der Stille“) ist der Schriftsteller Thomas Mann mit seiner Familie dran: Im Sommer 1933 sind sie nach der Flucht aus Nazi-Deutschland in Sanary am französischen Mittelmeer gestrandet.

Und der Egmont Verlag stellt ein einzelnes Heft des nächsten gallischen Abenteuers „Asterix in Lusitanien“ in einer musealen Vitrine aus, als handelte es sich ungefähr um eine unschätzbar wertvolle Schrifttafel aus der Antike. Klar ist, dass es Asterix und Obelix diesmal nach Portugal führt und dort eher Kabeljau als Wildschwein serviert wird. Aber nein, sagt der Verlagssprecher am Stand, niemand, auch keine Fachpresse, dürfe einen Blick in den Comic werfen, der am 23. Oktober weltweit in 19 Sprachen erscheint. In einer Auflage von 450.000 fest gebundenen Exemplaren und einer Million Softcover werde die deutsche Ausgabe verkauft. Und nein, von Druckereiproblemen wisse er nichts. Wer einen „Asterix“ verlegt, denkt von vornherein sehr groß.

Das sind Zahlen! Davon träumen die kleinen, unabhängigen Verlage nur – anderseits machen sie mit Leidenschaft, in großer Vielfalt ihre Bücher, sind sie unverzichtbare Kulturinstitutionen.

„Geistiger Vampirismus“

Zur Eröffnung der Buchmesse warnte Kulturstaatsminister Wolfram Weimer deutlich vor den Auswüchsen der Künstlichen Intelligenz (KI), vor dem „geistigen Vampirismus“, der die Literatur treffe durch die Rechenzentren der Tech-Konzerne in den USA und China. Er sprach von Raub, von „digitalem Kolonialismus“. Allerdings: Die wahre Schönheit der Literatur sei der KI immer noch voraus: „Was diese Maschinerie produziert, hat keinen Puls, keinen Herzschlag und keinen Atemhauch.“ Das könne man auf der Buchmesse erleben.

Gut gesagt. Weimer brachte aber nicht nur schöne Worte mit, sondern auch Geld und verlieh den Deutschen Verlagspreis – die Spitzenpreise, je 50.000 Euro, gingen an den Konkursbuch Verlag (Tübingen), den März Verlag (Berlin) und den Unrast Verlag (Münster). Und die werden, mit empathischem Herzschlag, das Geld investieren: in Bücher.

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