Die Krise reißt Löcher

  • Auch an Volkswagens E-Auto-Standort Zwickau brechen die Gewerbesteuereinnahmen ein. Jan Woitas/dpa

Finanzen Stuttgart, München, Wolfsburg oder Ingolstadt sind namhafte Standorte der Automobilindustrie. Deren aktuelle Probleme haben Folgen für die kommunalen Kassen.

Für die Kämmerer vieler Auto-Städte ist es ein neues Gefühl: Statt auf sprudelnde Gewerbesteuereinnahmen zurückgreifen zu können, müssen sie sparen. Denn wegen der Krise der Autoindustrie brechen bei den Unternehmen die Gewinne weg – und bei den lange verwöhnten Auto-Kommunen die Einnahmen. Zwar gehörten Städte wie München, Stuttgart, Wolfsburg und Ingolstadt 2024 weiter zu den einnahmestärksten Kommunen in Deutschland, lautet das Ergebnis des jüngst vorgestellten „Kommunalen Finanzreports“ der Bertelsmann-Stiftung. Doch das könnte sich schnell ändern, sagt der Studien-Mitautor René Geißler von der Technischen Hochschule Wildau.

„Die Automobilindustrie sendet momentan ja eigentlich nur schlechte Nachrichten“, sagt Geißler. „Und alle die Gemeinden, die entsprechende Betriebe haben, merken das sehr schnell in ihren Kassen.“ Die wirtschaftliche Abkühlung trifft die kommunalen Haushalte auch im Großraum Stuttgart mit voller Wucht. Schließlich haben dort große Unternehmen wie Mercedes-Benz, Porsche sowie die Zulieferer Bosch und Mahle ihren Sitz.

Besonders die Landeshauptstadt muss den Gürtel enger schnallen: Obwohl schon an einigen Stellschrauben gedreht wurde, fehlen im Doppelhaushalt 2026/27 derzeit fast 800 Millionen Euro. Im Rekordjahr 2023 nahm Stuttgart noch gut 1,6 Milliarden Euro an Gewerbesteuer ein, für 2025 rechnet die Stadt nun mit 850 Millionen Euro. „So wie Stuttgart in wirtschaftlich starken Zeiten insbesondere von der Automobilindustrie und ihren Partnern profitierte, schlagen Rückgänge bei Umsatz und Export sich jetzt direkt auf die städtischen Finanzen nieder“, heißt es von der Stadtverwaltung.

Noch härter trifft es die nahe Gemeinde Weissach, Sitz des Porsche-Entwicklungszentrums: Für 2025 hatte die Kämmerei mit 65 Millionen Euro Gewerbesteuer gerechnet – jetzt musste sie die Prognose auf drei Millionen Euro senken. Die Stadt Sindelfingen, eng mit Mercedes verbunden, rechnet mit einem Minus um ein Viertel auf 148 Millionen Euro.

Auch am VW-Stammsitz Wolfsburg sind die guten Zeiten vorbei: „Die Gewerbesteuer ist und bleibt die zentrale Einnahmequelle der Stadt, weshalb wirtschaftliche Rückgänge beim Volkswagenkonzern und Unternehmen der Zuliefererbranche erhebliche Auswirkungen auf den Haushalt haben“, sagt ein Sprecher der Stadt. 2024 brachen die Gewerbesteuereinnahmen bereits um 40 Prozent auf 151 Millionen Euro ein, 2025 wird mit einem weiteren Rückgang gerechnet. Für 2025 und 2026 legte die Stadt Sparhaushalte auf.

Bis 2014 konnte sich die Stadt über sprudelnde Gewerbesteuereinnahmen freuen, war schuldenfrei und bildete Rücklagen für schlechte Zeiten. Doch dann kam 2015 der Diesel-Skandal – und ließ bei VW Gewinne und Steuerzahlungen wegbrechen. Inzwischen sind die Ersparnisse von einst aufgebraucht, bis 2029 erwartet die Stadt einen Kreditbedarf von 455 Millionen Euro.

Die Stadt, in der die kriselnde VW-Tochter Audi sitzt, hat ähnliche Probleme: Auch dort bricht die Gewerbesteuer ein. 2023 waren es noch 191,5 Millionen Euro, für das laufende Jahr geht die Stadt von 55 Millionen aus. Oberbürgermeister Michael Kern (CSU) sprach jüngst von einer „dramatischen, äußerst herausfordernden und historisch schwierigen Situation“.

Die BMW-Heimat München leidet ebenfalls unter Rückgängen bei der Gewerbesteuer, die dieses Jahr wohl um etwa 159 Millionen Euro niedriger ausfallen wird als ursprünglich geplant. Dennoch geht die Stadt von 3,6 Milliarden Euro Gewerbesteuereinnahmen aus. München hat allerdings eine sehr viel breiter verteilte Einnahmebasis als andere Auto-Städte: Schließlich sitzen dort viele große und finanzstarke Unternehmen.

Das hessische Rüsselsheim kämpft mit den Folgen des Niedergangs bei Opel. Statt früher mehr als 30.000 Menschen arbeiten dort nur noch rund 8.300 Beschäftigte. Wegen massiver Ausfälle bei der Gewerbesteuer klafft im laufenden Jahr ein Loch von 85 Millionen Euro im Haushalt der Stadt.

Auch Volkswagens sächsischer E-Auto-Standort Zwickau spürt die Krise: In diesem Jahr rechnet die Kommune noch mit 55 Millionen Euro Gewerbesteuer, gut 20 Millionen Euro weniger als 2023. Wie viel davon auf VW entfällt, lässt die Stadt mit Verweis aufs Steuergeheimnis offen. Allerdings verfügt die Stadt noch über liquide Mittel – die „aus den Haushaltsergebnissen der Vorjahre herrühren“, wie es heißt.

Nach dem Diesel-Skandal kam der Einbruch.

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