Windpark-Pläne Sieben Windräder im Wald zwischen Oberndorf, Hailfingen, Seebronn und Wendelsheim: Noch in diesem Jahr wollen die Rottenburger Stadtwerke eine Baugenehmigung beantragen.
Ach, hätten doch auch Hailfingen, Oberndorf und Wendelsheim ihre Grafen und Barone! Mit standesgemäßem Grundbesitz! Dieser Stoßseufzer dürfte den Planern eines Windparks im Waldgebiet zwischen den drei Rottenburger Ortschaften schon öfter entwichen sein. Denn statt adligem Großgrundbesitz ist dieser Wald in Hunderte kleine und kleinste Parzellen aufgeteilt, eine Folge der früher üblichen Erbteilung. Und dies erschwert heute die Pläne für den Bau von Windkraftanlagen auf dem Gelände.
Die Planer des Karlsruher Projekt-Entwicklers Altus haben noch nicht einmal alle Grundstückseigentümer ausfindig machen können, sagt der Rottenburger Stadtwerke-Chef Martin Beer.
Die Grundbücher sind oft nicht auf dem aktuellen Stand, und häufig wird es zusätzlich kompliziert wegen Erbengemeinschaften. „In Starzach tut man sich leichter. Da gibt es nur zwei Eigentümer“, sagt Beer und meint damit die Gemeinde Starzach und einen privaten . Er meint den Gemeindewald und einen großen Privatwald.
Zähe Suche nach Eigentümern
„Keiner von uns wusste vorher, wie kleinteilig die Grundstückssituation bei uns ist“, sagt der Stadtwerke-Chef und schließt dabei die Altus-Planer ein. Wobei die Realteilung früher auch anderswo in Württemberg üblich war. Manche Eigentümer zögerten auch mit der Verpachtung, weil sie fürchten, „was die Nachbarn wohl sagen werden“, glaubt Beer. Die Höhe der Pachtzahlungen selbst sei dagegen kein Problem – zumal Altus und die Stadtwerke da nicht mit sich feilschen lassen.
Schon im vergangenen Sommer hieß es bei Altus, man sei bei den Pachtverhandlungen „auf der Zielgeraden“. Knapp ein Jahr später sagt Beer: „Wir sind fast am Ende.“ Es geht also offenbar nur langsam voran. Trotzdem bekräftigt der Stadtwerke-Chef: „Wir werden auf jeden Fall noch in diesem Jahr (beim Landratsamt) die Baugenehmigung beantragen.“ Beer rechnet damit, dass die Windräder im Jahr 2028 in Betrieb gehen werden.
Die Rottenburger Stadtwerke und die Altus Renewables GmbH (früher „AG“, ihrerseits eine Tochter der Stadtwerke von Mainz und Wiesbaden) haben eine gemeinsame Kommanditgesellschaft für den Bau der (voraussichtlich) sieben großen Windräder gegründet.
Die notwendigen Flächen wollen sie langfristig pachten, von der Stadt Rottenburg, aber auch von vielen privaten Parzellenbesitzern. Der kleinste Teil davon wird für die eigentlichen Fundamente gebraucht, mit jeweils 25 Meter Durchmesser. Bei den meisten Grundstücken geht es um Zufahrten, unterirdische Stromleitungen und die sogenannten „Überschlagsflächen“ (der Radius der Rotoren).
Erst Standort, dann Gutachten
Und solange nicht alle Flächen gesichert sind, solange steht auch noch nicht fest, wo genau die Windräder gebaut werden. Möglicherweise müsse man den einen oder anderen Standort nochmal um 20 oder 50 Meter verschieben, sagt Beer.
Das wiederum beeinflusst die Gutachten zu Fragen wie Schattenwurf (wenn ein Rotorflügel über die tiefstehende Sonne streicht, dann flackert es auch noch in großer Entfernung „wie bei einem Stroboskop in der Disko“, sagt Beer), Eiswurf (die Rotoren können Eiszapfen mehrere hundert Meter weit schleudern) oder Richtfunkprobleme. „Die Gutachter verlangen koordinaten-scharfe Standorte“, sagt der Stadtwerke-Chef. Mit diesen Daten füttern sie dann ihre Computerprogramme. Immerhin haben die Messungen zur Windhöffigkeit und die Untersuchungen zum Artenschutz laut Beer „keinerlei K.O.-Argumente“ gegen den Bau des Windparks geliefert. Wobei es theoretisch auch möglich sei, dass das Landratsamt im Laufe des Genehmigungsverfahrens noch zusätzliche Gutachten verlangt.
Wohl nicht auf Reustener Gebiet
Beers Ziel: Den Bau-Antrag „fertig in der Schublade“ zu haben, sobald der Regionalverband (wie geplant) im Herbst den neuen Windenergie-Plan beschließt. Damit sollen sogenannte „Vorranggebiete“ definiert werden: 1,8 Prozent für Windkraft, 0,2 Prozent für Freiflächen-Sonnenkollektoren, quer über die Region Neckar-Alb verteilt.
Auch der Wald zwischen Wendelsheim, Oberndorf und Hailfingen ist für ein solches „Vorranggebiet“ vorgemerkt. Die Plan-Fläche ragt sogar über den Wald hinaus, bis fast zum Kochartgraben bei Reusten. Wo genau das nördlichste Windrad hinkommt, ist immer noch nicht klar. „Bis ganz an die Rottenburger Grenze“ sei denkbar, sagt Beer – also wohl nicht auf Ammerbucher Gemarkung.
Allerdings gibt es keinen zwingenden Zusammenhang zwischen dem Zeitplan des Regionalverbands und dem Rottenburger Bauantrag. Interessierte Betreiber müssten nicht auf den rechtskräftigen Beschluss der Regionalversammlung warten, teilte die Verbandsgeschäftsstelle auf Nachfrage mit. Sie könnten auch jetzt schon Bauanträge für Windräder stellen (und tun dies ja auch).
Nur noch eine Klage-Instanz
Die Baugenehmigung selbst wird dann im Tübinger Landratsamt geprüft. Voraussichtlich sei es das erste Mal, dass die Tübinger Behörde sich mit Windrädern befassen muss, sagt Beer. Das sei aber kein Problem, denn die Genehmigungsverfahren seien „ziemlich standardisiert“.
Wie lange die Prüfung dauern werde, hänge „auch von der Einspruchssituation“ ab. Allerdings wurden die Widerspruchsmöglichkeiten gegen Windkraft bereits eingeschränkt. Etwaige Einsprüche gehen direkt zu einer Spezialkammer des Verwaltungsgerichtshofs in Mannheim – also kein langwieriger Weg durch die Instanzen mehr.
Genossenschaft soll einsteigen
Mittlerweile geklärt sei die Frage, wie Rottenburger Bürger auch finanziell von den Windpark-Plänen profitieren können, über die Pachteinnahmen der Grundstücksbesitzer hinaus. Laut Beer wollen Stadtwerke und Altus die Genossenschaft „Erneuerbare Energien Rottenburg“ (die bisher vor allem Solar-Projekte finanziert hat) „mit reinnehmen“. Über die EER könne sich jeder Rottenburger am Windpark beteiligen – und nicht nur die Einwohner der drei unmittelbar benachbarten Ortschaften. Dass die Projektgesellschaft nachträglich noch weitere Windräder im Rottenburger Norden errichten lässt, könne er praktisch ausschließen, sagt Beer.
Die zusätzlichen Gutachten und vor allem der Einsatz eines Krans für nur zwei oder drei weitere Anlagen wären einfach zu teuer. Auch weiter in die Höhe gehen will er nicht: „Wir haben uns auf einen Anlagentyp festgelegt.“ Diese Windräder sind insgesamt 246 Meter hoch (Nabenhöhe: 164 Meter).
Weitere Beschlüsse im Rottenburger Gemeinderat seien nicht erforderlich, sagt Beer. Das Gremium hatte im November 2022 entschieden, dass die Stadt ihre kommunalen Flächen bei Bedarf für den Windpark verpachten soll.
Nur die Gemarkung Seebronn wurde herausgenommen, weil der dortige Ortschaftsrat sich zuvor nicht auf eine Beteiligung einigen konnte. Alle weiteren Entscheidungen fallen nun innerhalb der Stadtwerke. Deren Aufsichtsrat wird vom Gemeinderat nominiert, tagt aber nicht-öffentlich.