Was so alles zu Derendingen gehört

  • Ronja Engels Foto: Hans-Jörg Schweizer/Schwäbisches Tagblatt Hans-Jörg Schweizer/Schwäbisches Tagblatt
  • Eine altstädtische Adresse wird vom Google-Kartendienst Derendingen zugeordnet. Foto: Screenshot von Google Maps/Ronja Engels
  • Die Kartierung von Derendingen auf Openstreetmaps (links) im Vergleich zu Google Maps. Besonders der südlichste Zipfel ist hier unterschiedlich. Die niedrige Auflösung von Openstreetmap ist der Webseite geschuldet. Foto: Screenshots von Openstreetmap & Google Maps/Montage von Ronja Engels

Google Maps kennt unsere Wege besser als wir selbst. Doch was, wenn die Kartierung falsch liegt? In Tübingen landen manche Straßen in falschen Stadtteilen.

Neulich musste ich zur Feuerwehrausbildung nach Hirschau. Niemand kannte die Wache. Wir tippten also „Feuerwehr Hirschau Tübingen“ bei Google Maps ein, doch fanden wir zwei Standorte. Die Fotos zeigten zwei Einfamilienhäuser. Wir entschieden uns für eines. Es war das falsche. 300 Meter fanden wir die richtige Adresse. Zwei Tage später mussten wir nach Kusterdingen. Passt auf, warnte mich ein Kumpel. Wer „Feuerwehr Kusterdingen“ eingibt, landet in Mähringen. Erst „Feuerwehrhaus Kusterdingen“ führt zur Hauptwache – fünf Kilometer entfernt. Irren scheint nicht nur menschlich zu sein. Doch wer Google Maps folgt, der prüft ja nicht nochmal die Strecke händisch.

Wo ich wohne, wo ich arbeite, was ich in meiner Freizeit gemacht habe – der Kartendienst auf dem Handy weiß es oft besser, als meine engsten Freunde, mit Standort, Datum und Route. Da ich auch andere Google-Dienste nutze, könnte die Google-KI aus des Suchhistorie meine Biografie schreiben – und wäre damit vermutlich exakter als meine eigene Erinnerung. Das dürfte vielen so gehen: Mehr als eine halbe Milliarde Menschen nutzen Maps, so die Angabe des Alphabet-Konzerns.

Da ich ursprünglich nicht aus der Region Neckar-Alb komme, tippe ich täglich mehrmals eine Adresse beim Kartendienst ein. Dabei fällt auf:  In Tübingen ordnet der Kartendienst manche Straßen falschen Ortsteilen zu. Der Profiteur: Derendingen. Uhlandstraße oder Stadtgraben – Google Maps ist sich sicher, dass ich in den südlichsten Tübinger Stadtteil will. Dabei liegt der eine ganze Ecke entfernt.

Noch kurioser wird’s bei der Sofienstraße in der Altstadt. Laut Kartendienst gehört auch sie zu „Tübingen-Derendingen“ im Süden der Stadt. Der sogar noch ein paar Meter weiter südlich gelegene Schleifmühleweg hingegen nicht. Logikfehler. Noch absurder: Je nach Hausnummer ändert sich die Ortsmarke. Die ganze Kelternstraße wird ebenfalls Derendingen zugeschrieben. Fügt man eine Hausnummer hinzu, verschwindet der Zusatz wieder. Während auf dem alternativen Kartendienst „Openstreetmap“ der südlichste Zipfel (wie Teile der Südstadt) zu Derendingen gehören, zeigt Maps den letzten halben Kilometer als weißen Fleck an. Und beim „Steinlachwasen“ wechselt die Ortsmarke munter zwischen „Tübingen“, „Tübingen-Derendingen“ und „Tübingen-Steinlachwasen“!?

Dass Teilorte Tübingens einen Zusatz erhalten, ist der Eingemeindungsgeschichte folgend logisch. Doch Bebenhausen wird von Google gar nicht als Stadtteil anerkannt: Die dortigen Straßen, die Kilometer von der Kernstadt entfernt liegen, führt Maps nur unter „Tübingen“.

Wie entstehen solche Fehler? Ich rufe das deutsche Maps-Presseteam an. Geht aber nicht. Per Mail antwortet mir eine Agentur, die aber nicht zitierfähig sein will. Die Agentur schreibt eh nur, dass Google sich nicht zu Einzelfällen äußert, und verweist auf Blogeinträge, die die Kartierung der Welt erklären: Eine Kombination von Daten aus Streetview, von Gemeindeverwaltungen und aus Nutzermeldungen. Ein weltweites Datenteam sowie Nutzer und Nutzerinnen selbst sollen Fehler korrigieren. Doch wer nimmt sich schon die Zeit?

Dabei ist eine präzise Kartierung doch so wichtig. Kaum jemand läuft heute noch mit einer Faltkarte herum. Apps wie Booking oder Lieferando beziehen sich auf Google Maps. Fehlerhafte Einträge können schnell reale Konsequenzen haben.

Im schlimmsten Fall passiert dann so etwas wie kürzlich in Indonesien: Ein 61-Jähriger und sein Mitfahrer vertrauten dem Navigationssystem, das die beiden über eine unfertige Brücke leitete. Am Ende der Brücke stürzte das Auto aus 12 Metern Höhe auf eine mehrspurige befahrene Straße. Eine Überwachungskamera hat das aufgezeichnet. Das Auto hat Totalschaden, den beiden Männern geht es aber gut.

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