Most war noch wichtiger als Festnahrung
Museumsscheuer Die Ausstellung „Fassgeschichten“ zeigt, wie groß die Bedeutung der Fassbinder noch bis vor wenigen Jahrzehnten in Ofterdingen war.
Vor wenigen Tagen war der Raum noch etwas leer. Das hat sich geändert. Eindrucksvolle Holzfässer füllen mittlerweile die Museumsscheuer Sattlergasse in Ofterdingen. Sie sind Zeugen einer anderen Zeit. Tagen, in denen das Küferhandwerk, also die Herstellung von Fässern, einer der wichtigsten Berufszweige in der Gemeinde darstellte. Die neue Sonderausstellung „Fassgeschichten“ will dafür sorgen, dass das Handwerk und seine Bedeutung für Ofterdingen nicht in Vergessenheit gerät.
Fünf Küfereien habe es in den 50er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts in Ofterdingen gegeben. Namen wie Gottlob Haldenwang, Albert Hartmaier oder Jakob Steinhilber sind noch im Gedächtnis. Der Name Speidel steht bis heute für die Herstellung von Behältnissen.
150 Hektar Fläche waren in Ofterdingen einst mit Obstbäumen bestückt. Sie wurden laut den Ausstellungsmachern zumeist als Äcker mit Baumbestand bewirtschaftet. Um den Ertrag zu sichern, wurden die Bäume intensiv gepflegt. Im Winter wurden sie geschnitten und fast ganzjährig mit chemischen Mitteln gegen Insekten- und Pilzschäden behandelt.
„Die Äpfel und Birnen aus diesen Flächen waren jährlich der Garant dafür, dass Obst für den Wintervorrat als vitaminreiche Nahrung zur Verfügung stand“, heißt es im Begleitschreiben zur Ausstellung.
Ein für viele fast noch wichtigerer Grund der Obsternte war die Herstellung von Most. „Most war fast so wichtig, wie Wasser“, erklärt Werner Gimmel vom Arbeitskreis Sattlergasse, den ehrenamtlichen Machern der Sonderausstellung. In schlechten Jahren wurde Obst zugekauft, oder Most aus roten Johannisbeeren oder Rosinen gemacht. „Gräulich hat das geschmeckt“, sagt der 79-jährige Gimmel, „wie ganz mieser Wein“.
Schon die Obstblüte wurde genau beobachtet, um abschätzen zu können, ob im Herbst genügend Äpfel und Birnen zur Mostherstellung zur Verfügung stehen. Ähnlich wie beim Wein war die Qualität des Mostes abhängig vom Wetter. Viel Sonne mit genügend Feuchtigkeit lassen einen guten Ertrag heranwachsen.
Most, also vergorener Apfel oder Birnensaft war das tägliche Getränk der bäuerlichen Familien. Damit nicht zu viel Alkohol im Most war und er als Durstlöscher trinkbar war, wurde Wasser dem Saft zugefügt.
Lediglich kleine Fässer wurden beispielsweise für die Weihnachtszeit mit „Saft“ gefüllt, der dann vergoren „höherprozentig“ war. Um den Most zu lagern, waren Holzfässer aus Eichenholz die üblichen Behältnisse.
Altes mit Neuem verbinden
In jedem bäuerlichen Keller waren Fässer verschiedener Größen, die im Ort von bis zu 5 Küfereien hergestellt wurden. Kurz vor der Obsternte wurden die leeren Fässer vom Keller nach oben gebracht, um gereinigt zu werden. Dabei wurde der Rest und die verbliebene Hefe entleert, und danach das Fass gründlich mit der Fassbürste und Heißwasser gereinigt.
Zur Reinigung musste der Fassdeckel entfernt werden, der, nachdem das Fass wieder trocken war, wiedereingesetzt wurde. Um den Deckel wieder dichtzumachen, wurden in die Deckelnut am Fass sogenannte „Knospen“ (trockene Blätter vom Rohrkolben) eingelegt, und danach wieder verschlossen. Dies geschah durch das Anziehen der oberen Fassreifen mit Hammer und „Setz“. Große Fässer hatten ein Türle, durch das man das Fass von außen reinigen konnte. Bei ganz großen Fässern konnte man sogar hineinkriechen und das Fass von innen reinigen.
Mit fortschreitender Industrialisierung und Wohlstand ging der Mostkonsum und damit der Bedarf an Holzfässern stark zurück. Die kleineren Küfereien verschwanden nach und nach. Nur eine ehemalige Küferei besteht noch heute. Die Firma Speidel im Industriegebiet Stetten produziert für den Weltmarkt Edelstahlfässer von 27 Liter bis 150.000 Liter Fassungsvermögen in einem Betrieb mit 150 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.
Die Ausstellung ist untergliedert in einen traditionellen Teil mit der ehemaligen Mostherstellung in Ofterdingen im Fokus. Die Moderne wird repräsentiert durch die Firma Speidel, die das Küfer-Handwerk in Ofterdingen in das 21. Jahrhundert getragen hat. Zwei übermannshohe Edelstahltanks für Wein und Bier sind Teil der Exponate. „Wir wollten das Alte mit dem Neuen verknüpfen“, so erklärt Gimmel, der selbst noch eine kleine Obstanlage hat.