Der Biergarten beim Zentrum franz.K wird wiederbelebt

Reutlingen Vanessa Simon betreibt ihre Außengastronomie „l‘okapi“ zunächst bis Ende Oktober. Sie hat eine Option für ein weiteres Jahr.

Ein seltenes Tier hält Einzug in die Reutlinger Gastronomie: Vanessa Simon eröffnet in einer Woche das „l‘okapi“ und belebt damit den Biergarten neben dem soziokulturellen Zentrum franz.K wieder. Die saisonale Gartenwirtschaft folgt auf das Café Nepomuk, das Ende 2024 nach 40 Jahren in die Insolvenz gegangen war. „Es ist aber nicht einfach eine Betriebsübernahme, sondern eine Neugründung“, sagt die 40-Jährige über ihr Okapi.

Dieses Tier, eine Mischung aus Zebra und Giraffe, hat sie inspiriert: „Es hat Streifen und Punkte und soll zeigen: Hier sind alle willkommen!“, sagt die gelernte Hotelfachfrau, die in Tübingen lebt und vor zwölf Jahren aus Bruchsal in die Region gekommen ist. Simon hat auch Betriebswirtschaftslehre studiert und arbeitete zuletzt bei BAFF (Bildung Aktion Freizeit Feste) der Lebenshilfe.

Platz für bis zu 140 Leute

Sie hat einen Pachtvertrag bis Ende Oktober unterschrieben, mit der Option auf eine Verlängerung für 2026. Der gilt aber nur für den Biergarten, denn die Innenräume des ehemaligen Café Nepomuk müssen renoviert werden, die Küche ist derzeit gar nicht zu benutzen. Stattdessen ist am Mittwoch ein Foodtruck an der Adresse Unter den Linden 23 vorgefahren. Derzeit wird die Theke noch in Eigenregie erneuert. Ein ehrenamtliches Helferteam vom franz.K hat Tische und Bänke neu gestrichen. „Bis vor einer Woche war hier noch alles leer“, sagt Simon.

Die neue Betreiberin will eine alltagstaugliche und alternative Szene-Gastronomie mit Snacks und vollwertigen Speisen aufbauen.  „Ich traue mir das zu“, sagt sie – und buchstabiert den Namen ihres neuen Lokals: „l‘ in Anlehnung an die französische Geschichte des Gebäudes, o wie offen, k wie kreativ, a wie alternativ, p wie persönlich und i steht für individuell.“ 80 bis 100 Plätze sind unter den sieben hohen Bäumen rund um eine Linde vorgesehen, bei Bedarf können auch 140 Leute untergebracht werden. Das Freigelände umfasst rund 400 Quadratmeter.

Insgesamt zehn Personen werden für die kleine Speisekarte und die Bedienung zuständig sein, fünf festangestellt, der Rest als Aushilfe. Einige vom Nepomuk sind noch dabei. „Wir wollen eine übersichtliche Auswahl mit viel Abwechslung anbieten“, verspricht Simon. „Das gesamte Team vom franz.K hat sich für sie entscheiden, wir hatten viele Bewerbungen“, erklärt Claudia Heldt, zuständig für Personal und Liegenschaften. „Der Biergarten ist ein Schmuckstück mitten in der Stadt.“

Sarah Petrasch, beim frank.K für Marketing und Öffentlichkeitsarbeit verantwortlich, ist froh, dass der Biergarten nur vier Monate nach der Nepomuk-Insolvenz wieder eröffnet: „Ein soziokulturelles Zentrum braucht einfach eine Gastronomie!“ Im September wird entschieden, ob sich der Vertrag um ein weiteres Jahr verlängert. Und wenn Innenräume und Küche irgendwann renoviert werden sein sollten, hat die Betreiberin großes Interesse daran, sich auch um die Vollgastronomie zu bewerben.

Räume müssen renoviert werden

„Wir sind mit der Stadt in konstruktiven Gesprächen, wie es um die Renovierung steht“, sagt Heldt. Gleichzeitig verweist sie aber auf die prekäre Finanzlage der Stadt, wegen der viele Ämter Ausgabensperren unterliegen. „Wir treiben das aber voran und holen selbst Angebote ein.“

Der neuen Betreiberin ist vor dem Start ihres Biergartens nun klar: „Viel hängt vom Wetter ab. Doch selbst wenn es regnet, geht das Gelände nicht gleich unter“, sagt Simon. Eine regenfeste Alternative soll noch geschaffen werden. Die vor kurzem angelieferten Schirme schützen jedenfalls nicht vor Niederschlag. Die Betreiberin geht aber erst einmal von einem guten Sommer aus: „Es soll ja einen Trend zu alkoholfreiem Hefeweizen geben. Auch dafür bin ich gerüstet.“

Kommentar

Wer mitläuft, duldet auch

Es waren Friedenstauben und Kinder mit Luftballons angekündigt – und gekommen sind sie auch. Doch wer in Reutlingen letzte Woche genauer hinsah, bemerkte rasch: Der Protestmarsch auf den Bösmannsäckern unter der Bezeichnung „Gemeinsam für Deutschland“ hatte mitunter zwei Gesichter. Eines malte sich mit Deutschlandfahnen und Friedensparolen in bunten Farben. Das andere trug Bomberjacke, Springerstiefel und ein Weltbild aus der Mottenkiste des Nationalismus.

Dass rechte Symbolik offen gezeigt wurde – inklusive einer Fahne mit Reichsadler, verkauft womöglich im Online-Shop „Wehrmacht 1945“ – ist kein Nebendetail, sondern ein klares Alarmsignal. Wer solche Aufmärsche organisiert, muss sich fragen lassen, warum Neonazis offenbar keinen Widerspruch fürchten, sondern sich so selbstverständlich unter die Demonstranten mischen können.

Der Versuch, sich im Nachgang von rechtsextremen Teilnehmern zu distanzieren, wirkt hilflos. Dass die Fahne „leider erst später“ aufgefallen sei, mag stimmen – aber wie glaubwürdig ist ein Friedensprotest, bei dem man sich nachträglich über die eigenen Gäste wundert? Wer einen Raum bietet, muss auch Verantwortung übernehmen für das, was darin geschieht. Und wer auf Telegram problematische Gedankenspiele verbreitet – mit dem harmlos klingenden Zusatz, es sei ja „nur im Konjunktiv“ – kann sich nur schwerlich darauf berufen, falsch verstanden worden zu sein.

Das passt ins Muster einer Gruppe, die sich betont bürgerlich gibt, aber immer wieder mit radikalen Positionen kokettiert. Der Begriff „Friedensdemo“ wird hier zum Deckmantel. Wenn aus Kritik an Waffenlieferungen offene Systemverachtung wird, und aus Forderungen nach Deeskalation ein Schulterschluss mit Menschen entsteht, die Demokratie verachten, dann ist es kein Friedenszeichen, sondern ein gefährliches Signal.

Die AfD liebt den Auftritt als Anwalt des Volkes. Hansjörg Schrade, AfD-Rat und wegen Volksverhetzung verurteilt, versuchte, sich als Aufklärer zu gerieren. Im Gemeinderat stellte er Fragen zur Polizei – doch OB Keck konterte mit einem Bibelvers und ließ Schrade alt aussehen. Ein Satz aus Matthäus, und das Spektakel war beendet. So schnell kann sich politisches Pathos in pietätvolles Schweigen verwandeln. Man muss nicht mit der Regierung zufrieden sein. Man darf Waffenlieferungen kritisieren. Man darf protestieren. Aber man muss sich auch direkt vor Ort abgrenzen – klar, laut und glaubwürdig. Wer das nicht schafft oder nicht will, der demonstriert nicht für Frieden, sondern bewirkt mitunter das Gegenteil.

< VORHERIGE SEITE NÄCHSTE SEITE >