Aufschläge auf Heizen und Fahren
Klimaschutz Die künftige Bundesregierung setzt auf hohe CO₂-Preise, um die Emissionen zu senken – erhebliche Preissprünge drohen. Wie sie abgefedert werden sollen, ist umstritten.
Die kommende Bundesregierung plant einen Paradigmenwechsel in der Klimapolitik: Künftig soll es weniger kleinteilige Vorschriften geben, stattdessen soll der Preis für Kohlendioxid (CO2) das zentrale Steuerungsinstrument für den Klimaschutz werden. Der CO2-Preis soll Verhalten verändern und lenken, etwa weg vom Verbrenner hin zur Wärmepumpe. „Wenn uns der Umwelt- und Klimaschutz etwas wert ist, dann wird es teurer“, sagt der Bundeskanzler in spe Friedrich Merz (CDU).
Dass das Prinzip funktioniert, zeigt der bestehende EU-Emissionshandel für Industrie und Stromerzeugung: Seit seiner Einführung 2005 sind die Emissionen dieser Sektoren um mehr als 40 Prozent gesunken. Nun sollen auch Gebäude und Verkehr einbezogen werden – Bereiche, deren Emissionen bisher kaum gesunken sind. 2027 startet deshalb der „ETS 2“: ein zweiter europäischer Emissionshandel für Wärme und Mobilität.
Was hierzulande heute noch über eine nationale CO2-Steuer geregelt wird, soll dann über Zertifikate am Markt gehandelt werden. Die Unternehmen – also Kraftstoffanbieter, Gasversorger oder Heizölhändler – müssen Emissionsrechte kaufen. Die Menge dieser Rechte wird jährlich sinken, was den Preis tendenziell steigen lässt. Wie stark, darüber gehen die Schätzungen weit auseinander: Die EU-Kommission rechnete 2021 mit 48 bis 80 Euro pro Tonne CO2 im Jahr 2030. Das Potsdam-Institut modellierte 126 Euro, das Mercator-Institut hält bis zu 300 Euro für möglich. Für die Verbraucher bedeutet das deutlich höhere Sprit- und Heizkosten. Der ADAC warnt vor einem Aufschlag von 19 Cent pro Liter Benzin bei 100 Euro pro Tonne CO2 – bei 150 Euro pro Tonne wären es fast 40 Cent. Haushalte mit Gasheizung müssten laut dem Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) mit bis zu 1000 Euro Mehrkosten jährlich rechnen.
Doch viele Bürger wissen offenbar noch nicht, was da auf sie zukommen könnte. „Viele Deutsche sind auf die absehbaren Preissteigerungen nicht vorbereitet“, warnt das ZEW. Besonders betroffen sind Haushalte in ländlichen Regionen und Menschen mit geringen Einkommen.
„Damit der Emissionshandel wirkt, müssen die CO2-Preise deutlich steigen“, sagt Monika Schnitzer, Vorsitzende der „Wirtschaftsweisen“. Es komme stark darauf an, ob attraktive Alternativen zur Verfügung stehen, etwa gute und günstige E-Autos. „Wenn nicht, wird man sich politisch sehr schwertun, die Preise nach oben zu treiben.“
Klimageld nicht vorgesehen
Ein Ausweg könnte das Klimageld sein. „Es würde zeigen, dass man den CO2-Preis aufgrund seiner Lenkungswirkung möchte und nicht, um Staatseinnahmen zu generieren“, sagt Schnitzer. Wer nicht auf CO2-ärmere Alternativen ausweichen könne, nehme das Klimageld und bezahle damit beispielsweise die höheren Benzinkosten. Umso bedauerlicher sei es, dass ein solches Klimageld im Koalitionsvertrag nicht vorgesehen sei. Die künftige Bundesregierung plant stattdessen, die CO2-Einnahmen über Strompreissenkungen zurückfließen zu lassen. Die SPD-Klimaexpertin Nina Scheer betont, dass zudem „sozial gestaffelte Entlastungen und Förderungen beim Wohnen und bei der Mobilität“ vorgesehen seien. Damit werde ein „zielgerichteter Ausgleich für Belastungen aus steigenden CO2-Preisen ermöglicht“.
Unter Fachleuten stößt dieser Weg teils auf Zustimmung, teils auf Kritik. Mit einer Strompreissenkung würden alle Haushalte und Stromabnehmer entlastet, „auch diejenigen, die es aus Belastungssicht nicht nötig haben“, sagt Katja Schumacher vom Öko-Institut. Positiv sei daran, dass ein geringerer Strompreis den Umstieg auf klimafreundliche Technologien erleichtere. Das Institut empfiehlt grundsätzlich: Klimageld ja – aber sozial gestaffelt und zeitlich befristet.
Andere Experten gehen noch weiter: ZEW-Präsident Achim Wambach regt eine schrittweise Einführung an. „Wenn die Politik mit einem harten Preisschock startet, riskiert sie eine Gegenbewegung. Sinnvoll wäre, mit einem fixierten CO2-Preis anzufangen und erst später in den Zertifikatehandel zu gehen.“ Der RWI-Ökonom Manuel Frondel schlägt sogar vor, das Klimaneutralitätsziel um fünf Jahre zu strecken.
Tatsächlich wächst auch auf europäischer Ebene der Druck. In Brüssel ist die Debatte über den ETS 2 in vollem Gange. Einige Mitgliedstaaten fürchten, dass stark steigende Preise ohne Ausgleich die Akzeptanz untergraben. Andere wollen den ETS 2 in geplanter Form als Fundament einer marktwirtschaftlichen Klimapolitik durchsetzen.