China fährt auf deutschen Straßen hinterher

  • So sieht die Autopräsentation  im Jahr 2025 auf der Automesse in Shanghai aus: Zwei Models posieren an einem neuen BYD-Modell. Die Marke aus Shenzhen ist in Chinas E-Automarkt Spitzenreiter. Foto: Johannes Neudecker/dpa

Autoindustrie Auf ihrem Heimatmarkt sind Hersteller aus der Volksrepublik eine harte Konkurrenz für deutsche Marken – hierzulande stockt die Expansion.

Der Hype um Automarken aus China ist groß: In der Fachwelt werden sie als zukunftsweisend und preiswert gelobt. Für deutsche Automobilbauer dagegen gelten BYD und Co als Hybris. Aber auf deutschen Straßen sind die Fahrzeuge aus dem Reich der Mitte noch kaum unterwegs. Das Kraftfahrt-Bundesamt hatte dazu Anfang des Jahres Zahlen vorgelegt: Rund 50 Millionen Autos sind in der Bundesrepublik zugelassen, darunter aber nur 70.000 chinesische Modelle. Aber wie kommt dieser Unterschied von Wahrnehmung und Realität zustande?

Tatsächlich gibt es aktuell deutliche Steigerungen bei den fernöstlichen Anbietern, inklusive Polestar und Smart, das seit 2020 ein Gemeinschaftsunternehmen von Mercedes-Benz und dem chinesischen Konzern Geely ist. Im März haben sie 1,6 Prozent Marktanteil bei den Neuzulassungen erreicht. Das waren 0,4 Prozentpunkte mehr als im Vormonat und weist auf eine klare Entwicklung hin, wenn auch auf niedrigem Niveau.

Polestar, ein Joint-Venture von Volvo sowie dem Hersteller Geely mit Hauptsitz in Hangzhou, das sich als schwedisches Unternehmen mit Hauptsitz in Göteborg versteht, aber zu einem großen Teil in China produzieren lässt, hat erst vor kurzem die Verkaufszahlen für das erste Quartal in diesem Jahr bekannt gegeben. „Global konnten wir ein Wachstum von 76 Prozent erzielen, in Deutschland sind wir im Vergleich zum Vorjahresquartal ebenso um 35,5 Prozent gewachsen“, teilte Unternehmenssprecherin Anna Wesolowski mit. Aufgrund der Börsenlistung dürfe das Unternehmen keine lokalen Erwartungen kommunizieren, jedoch wird global von einem jährlichen Wachstum zwischen 30 und 35 Prozent in den kommenden drei Jahren ausgegangen.

Dünnes Vertriebsnetz

„Die Herausforderungen in Deutschland sind weiterhin die Zurückhaltung gegenüber der E-Mobilität im Allgemeinen“, sagt die Polestar-Sprecherin, „auch wenn die Koalition im 8-Punkte-Plan zu Förderung der Mobilität bereits einige positive Zeichen gesetzt hat, hätten wir uns ein klareres Bekenntnis zur E-Mobilität hier gewünscht, hoffen nun aber, dass die Punkte schnellstmöglich umgesetzt werden.“

Stefan Bratzel kommt in seiner Untersuchung für das erste Quartal des Jahres sogar auf fast 27.000 Neuzulassungen chinesischer Marken, wobei er die von Geely übernommene Marke Volvo mit allein rund 16.300 Zulassungen in seiner Auflistung dazuzählt. Der Professor und Gründer des Center of Automotive Management (CAM) in Bergisch-Gladbach übt allerdings Kritik an der bisherigen Strategie chinesischer Hersteller, was den europäischen Markt angeht: „Ich glaube, dass viele versucht haben, hier schnell zu expandieren und mit höherpreisigen Modellen größere Marktanteile zu erzielen – das ist schiefgegangen.“

Der Experte vermutet, dass sie demnächst mit einem anderen Ansatz die Expansion vorantreiben werden müssen mit noch höherer Qualität bei noch niedrigeren Preisen – so wie es die koreanischen Unternehmen Hyundai und Kia seinerzeit geschafft hätten, sich in Deutschland zu etablieren. Denn so viel günstiger als hiesige Fabrikate sind Autos aus dem Reich der Mitte nicht. „Und wenn Verbraucher ein Mittelklassefahrzeug für 40.000 Euro erwerben, dann wollen sie auch sicher sein, dass sie etwa bei Reparaturen einen guten Service vorfinden.“

Mit diesem Hinweis beschreibt der CAM-Chef ein weiteres Manko. Denn potenzielle Käufer schauen verunsichert auf ein dünnes Vertriebsnetz, das zum Beispiel an einem schnellen und ausreichenden Angebot von Ersatzteilen zweifeln lässt. Wer in Europa stark sein wolle, müsse letztlich auch die Wertschöpfung in Europa einrichten. Die Vorbereitungen dafür haben bei einigen Herstellern bereits begonnen.

„In den nächsten drei, vier Jahren werden wir sehen, wer sich aus dieser Vielzahl chinesischer Anbieter wird behaupten können“, prognostiziert Bratzel. Die, die mit eigenen Fabriken in Europa präsent sein und über ein weitverzweigtes Servicenetz verfügen werden, dürften überleben, die anderen wohl nicht. Bei Polestar jedenfalls sieht man sich gut aufgestellt: Die Produktion sei bereits auf Amerika erweitert, ein neues Modell der Oberklasse werde in Europa produziert. Wesolowski: „Da wir Produktionskapazitäten im Konzern nutzen, ist dies, ohne das Errichten von Fabriken in kurzer Zeit und ohne große Investitionen tätigen zu müssen, möglich – ein großer Wettbewerbsvorteil.“

Entwicklung nach oben auf niedrigem Niveau.

NÄCHSTER ARTIKEL