Umstrittene Personalie

  • Wolfram Weimer, designierter Kulturstaatsminister, zwischen CDU-Chef Friedrich Merz und Katherina Reiche, designierte Bundesministerin für Wirtschaft und Energie. Foto: IMAGO/Florian Gaertner

Kulturpolitik Dass der Publizist und Verleger Wolfram Weimer Kulturstaatsminister werden soll, stößt auf Kritik. Was sagen Kulturschaffende aus der Region?

Am 28. April stellte der CDU-Chef und designierte Bundeskanzler Friedrich Merz die Namen für die Posten im Kabinett aus seiner Partei vor: Kulturstaatsminister soll der Publizist und Verleger Wolfram Weimer werden. In Teilen der deutschen Kulturszene löste die Personalie großen Unmut aus. Weimer sei ein „stramm konservativer, wirtschaftsliberaler Medienmensch“, schrieb etwa der Schauspieler Ulrich Matthes. Bemängelt wird fehlende Expertise. Eine Online-Petition, zu deren Erstunterzeichner der Verein Ensemble Netzwerk zählt, fordert, die Ernennung Weimers zu stoppen. Dessen Verlagsprojekte, heißt es, stünden für „wirtschaftsnahe, konservative Perspektiven, nicht für eine offene, diverse und kritische Kulturlandschaft“.

Auf die Kritik hat Wolfram Weimer mittlerweile reagiert: Er sei ein Mann der bürgerlichen Mitte, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Gegen die AfD und die Umtriebe des Rechtspopulismus wende er sich seit Jahren: „Als leidenschaftlicher Europäer ist mir Nationalismus fremd.“ Die Petition gegen Weimer zählt am 2. Mai dennoch bereits knapp 63.000 Unterzeichner. Und wie sehen Kulturschaffende in Tübingen und Reutlingen die Personalie? Wir haben uns umgehört.

„Wir sind die Guten, Applaus!“

„Immer das gleiche Spiel“, sagt Thorsten Weckherlin, Intendant des LTT, mit Blick auf die kritischen Reaktionen auf die Personalie. „Reflexartig schießen wir uns jetzt ein gegen den designierten Kulturstaatsminister. Fordern in Online-Foren dazu auf, ihn auszutauschen“, so Weckherlin.

„Was haben wir vom Schauspiel der letzten Jahre nicht alles gelernt: Dass man kein AfD- und Trump-Fan, kein Europafeind sein sollte.“ Zumeist gehe dem zeitgenössischen Lehrstück folgende Choreografie voraus, schreibt Weckherlin auf Nachfrage in einem Statement: „Linksliberale Zuschauer besuchen das Stück eines linksliberalen Autors, um einander danach zu versichern: Wir sind die Guten, Applaus! Wer heute das sogenannte politische Theater besucht, betritt zumeist haltungsmäßige Komfortzonen, empfängt Botschaften, die auf einer schlichten Dualisierung der Welt beruhen – wir, die pluralistische Gesellschaft, gegen die Populisten da draußen. Sorry, aber mich langweilt das.“ Und weiter: „Stattdessen könnten wir uns mal Standpunkten öffnen, die die eigenen Weltsichten herausforderten.“

„In den letzten Jahren sind mir konservative Kultur-Politiker immer wieder auch positiv aufgefallen, weil sie sich mit der Geschichte der Kunst auskannten und die Freiheit der Kunst respektierten“, schreibt Nicole Fritz, Direktorin der Kunsthalle Tübingen, in ihrem Statement. Bei Wolfram Weimer sei sie aber eher skeptisch: Weder kenne sie Veröffentlichungen, noch sei er ihr in der Kunstwelt begegnet.

Auch Cornelius Grube, Intendant der Württembergischen Philharmonie Reutlingen (WPR), beschreibt Weimer als in der Szene weitgehend unbekannt und als „Neuling in der politischen Verwaltung“. Der Einfluss Weimers auf die Kultur sei deswegen noch nicht absehbar.

„Ein wenig habe ich die Befürchtung, dass es mit ihm zunehmend mehr um den wirtschaftlichen Aspekt der Kultur gehen wird als um die gesellschaftliche Ausrichtung“, so Grube weiter. Das sei eine Entwicklung, die er nicht nur auf Bundesebene beobachte. „Aber ich bin dennoch der Meinung, dass man jedem eine Chance geben muss – auch Herrn Weimer.“

Grube leitet das Reutlinger Orchester seit 2003 als Intendant. Begegnet sei er bisher drei Kulturstaatsministern, erzählt er. Christina Weiss habe er bereits in ihrer Zeit als Hamburger Kultursenatorin schätzen gelernt. Grube arbeitete seinerzeit in der dortigen Kulturstiftung. Bernd Neumann überreichte der WPR den „1. Preis für kulturelle Bildung“ 2009. Mit Monika Grütters handelte Grube für den Deutschen Bühnenverein das Programms „Exzellente Orchesterlandschaft Deutschland“ mit aus. „Allen war eine sehr diskursive und liberale Kunstauffassung zu eigen, stets sahen sie sich als Anwälte der Kultur.“ Die Amtszeit von der scheidenden Kulturstaatsministerin sieht Grube indes kritisch. „Bei Claudia Roth hat man eher nicht den Eindruck, dass sie etwas Nachhaltiges geschaffen hat, sie tappte dann doch sehr in viele Fettnäpfchen.“

Grube betont, dass für die Kulturinstitutionen der Region wichtiger sei, wer Staatssekretär für Kultur auf Landesebene ist und wie sich eine Kommune in Sachen Kultur positioniert. Denn: „Wir profitieren kaum – nur gelegentlich im Rahmen von einzelnen Projektförderungen – von der Kulturpolitik des Bundes, insofern ist es eher zweitrangig, ob Claudia Roth oder Wolfram Weimer in Berlin regiert.“

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