Widerständige „Haufen“
Bauernkrieg Das Unterjesinger Keltermuseum eröffnete am ersten Mai mit einem Dorffest die neue Saison und einer Freiluft-Ausstellung zum Bauernkrieg 1525.
Auf dem Tisch in der guten Stube stand ein Sträußchen Blumen. Um den Ofen sammelten sich Schuhe, als ob die Menschen, die einst im alten Zeeb-Haus in Unterjesingen wohnten, gleich wieder nach Hause kommen würden. Draußen um den blühenden Kastanienbaum auf dem Hof feierte am Donnerstag bei strahlendem Sonnenschein das Dorf. Gut versorgt mit hausgemachten Leckereien ließen sich die Besucher zu kleinen Ausflügen in die Geschichte einladen.
Da sich im Frühjahr 2025 der Höhepunkt des Bauernkrieges zum 500. Mal jährt, bietet das Keltermuseum in diesem Jahr eine Freiluft-Sonderausstellung an. Eliano Veronesi und der ehemalige Tübinger Kulturamts-Leiter Wilfried Setzler haben die Informationstafeln als Kuratoren gemeinsam mit Ute Graepler-Mainka und Karin Bürkert vom Unterjesinger Keltermuseum konzipiert. Den Ausstellungsmachern war es wichtig, in die ländliche Umgebung zu kommen, denn dort lebten die Aufständischen, die 1525 gegen die Obrigkeit in Stadt, Adel und Kirche aufbegehrten.
Die Führung von Eliano Veronesi zur Eröffnung traf auf reges Interesse. Ein einzelner Grund für die Aufstände oder ein einzelner Entstehungsort ließe sich, so erklärte er, gar nicht wirklich ausmachen. Vielmehr habe eine Vielzahl von Belastungen wie Erhöhung von Abgaben, Leibeigenschaft und eine allgemeine Empfindung der Rechtlosigkeit dazu geführt, dass sich die Landbevölkerung lokal zu widerständigen „Haufen“ zusammenschloss. Daraus sei ein „Flächenbrand“ entstanden.
„Ammertaler Haufen“
In Unterjesingen hatten die Menschen unter der Herrschaft des Klosters Bebenhausen gestanden und diesem Abgaben leisten müssen. Außerhalb des Klostergebiets zu heiraten, war ihnen verboten gewesen und der Abt des Klosters bestimmte sogar die Richter des örtlichen Schöffengerichts. Die hiesigen Aufständischen – der „Ammertaler Haufen“ – bestand vor allem aus Handwerkern, weniger aus Bauern. Das sei, so bemerkte Eliano Veronesi, wegen des besonderen Unfreiheit-Gefühls dieser Gruppe im Bauernkrieg keine Ausnahme gewesen.
Bauern oder Handwerker – Veronesi warnte davor, die Aufständischen als planlose Meute von Analphabeten anzusehen: „Das ist schon das Vorurteil: Die Bauern ziehen mit Mistgabeln in den Krieg.“ Es habe vor allem in der Anfangszeit auch Verhandlungen gegeben. In den „12 Artikeln“, die 1525 in Memmingen festgehalten und gedruckt weiterverbreitet wurden, sieht Veronesi Forderungen der Aufständischen prägnant formuliert. Als es schließlich zur Konfrontation kam, hatten die Aufständischen dann durchaus auch Schusswaffen gehabt.
Gegen den „Schwäbischen Bund“ der Herrschenden aber hätten sie nicht gewinnen können. Die Stadt Tübingen selbst, wo der Mitregent des württembergischen Herzogs Rudolf von Ehingen residiert, und auch die zeitweise aus Stuttgart geflohene württembergische Regierung, haben die Bauern nie eingenommen. Weil sie vor den anrückenden Truppen des „Bauernjörg“ Georg Truchsess von Waldburg zurückwichen. In der Schlacht von Böblingen am 12. Mai 1525 hat das Heer des Schwäbischen Bundes die Bauernhaufen vernichtend geschlagen. Vermutlich sind dabei mehrere tausend Menschen gestorben.
Ob der Ammertaler Haufen an dieser Schlacht beteiligt war, ist nicht dokumentiert, berichtete Eliano Veronesi. Nur, dass er sich wenige Wochen zuvor beim Kloster Hirsau mit Brot und Wein habe besänftigen lassen. Das Kloster Bebenhausen habe ebenfalls mit Aufständischen verhandelt und sei der Plünderung entgangen. Anders als viele weitere Klöster, die die Wut wegen der kirchlichen Abgaben traf.
Folgen für die Aufständischen
Wer den Bauernkrieg überlebte, sei genauer festgehalten als Beteiligte oder Gefallene. Denn die Geschlagenen hatten „Urfehden“ unterzeichnen müssen, also Sühnevereinbarungen und Gewaltverzichtserklärungen, die umfangreich archiviert worden sind. Viele Aufständischen mussten Strafen wie Geldzahlungen oder Verbannung akzeptieren. Eine übliche Auflage war zudem, keine Waffen mehr zu tragen, die schärfer sind „als ein abgebrochenes Brotmesser“.
Für Dagmar Waizenegger, Fachbereichsleiterin Kunst und Kultur der Stadt Tübingen, ziehen sich Spuren des Bauernkriegs bis in die heutige Zeit. Auch besonders in ihrer alten Heimatstadt Leutkirch im Allgäu, nahe Memmingen, dem Ursprungsort der „12 Artikel“, sei die Erinnerung nach Jahrhunderten noch selbstverständlicher Teil der Identität. Waizenegger erinnerte daran, dass selbst im 21. Jahrhundert das Motto „Ein jeglicher Mensch soll frei sein“ nicht überall umgesetzt oder sogar wieder gefährdet sei.