Ratiopharm-Arena Die „90s Super Show“ trumpft mit Eurodance-Stars wie 2 Unlimited, Haddaway oder Culture Beat auf, bietet aber wenig Live-Gefühl und Abwechslung.
Warum die Musikgeschichte so gerne in Jahrzehnte portioniert wird, ist nicht ganz schlüssig. Warum soll ein Song von 1989 für eine anderen Epoche stehen als einer von 1991? Eine mögliche Erklärung: Es lässt sich griffig vermarkten. Die Retro-Welle ist bei den 90er-Jahren angekommen, sie erzeugt 90er-Partys und 90er-Shows drinnen wie draußen, im Sommer gab es sie als Open Air im Wiley, am Samstag indoor in der Ratiopharm-Arena, mit teils gleichem Personal und ordentlich Publikumszuspruch.
Wobei sich das Alter der Fans nicht ganz am Thema festmachen lässt. Viele sind darunter, die wahrscheinlich damals in der Disco musikalisch sozialisiert wurden. Aber es sind auch etliche dabei, die erst um einiges später aufgewachsen sind und in einer Art Retromanie die 70er-, 80er- und Sonstwann-Partys abgrasen. Immer der Suche nach Spaß: Die 90er müssen eine unbeschwerte Zeit gewesen sein, eine Epoche voller Partys und Vergnügen, mit bunten Lichtern und knalligen Farben.
Überall blinken die Lämpchen
Jedenfalls sind Hüte, Häubchen und andere Kopfbedeckungen mit bunt blinkenden LED-Lämpchen ein Markenzeichen der Szene, fast so wie das Dirndl beim Oktoberfest, und werden an einem großen Stand im Foyer verkauft. Die Musik der „90s Super Show“: Partysound und Wo-sind-die Hände-Stimmung von der ersten bis zur letzten Sekunde.
Die Organisatoren haben acht Sänger/innen, Gesangsduos und DJs aus dieser Zeit engagiert, um Radiohits und Partysongs zu zelebrieren, mit denen sie und andere damals in den Charts waren, teilweise Gold und Platin holten. Es sind deutsche oder europäische Pop-, Rap- und Soulstimmen mit internationaler Attitüde und Namen wie Fun Factory, Culture Beat und 2 Unlimited. „Eurodance“ wird diese Popgattung auch genannt, hier präsentiert als Sechs-Stunden-Langstrecke mit halbstündigen Auftritten und viel Animation: „Let The Beat Control Your Body“.
Dazu gehört auch der synthetische Sound. Es gibt keine Bands und keine Musiker bei der „90s Super Show“. Es gibt nur die Menschen am Mikro, Tanzgirls, ein stimmungsforcierendes Ansagerinnen-Duo („Ulm, seid Ihr da?“) und ansonsten die DJs, die den Playback-Untergrund zusammensampeln für den Sound, wie er damals aus den UKW-Radios, Walkmen, Plattenspielern und Kassettenrecordern rollte.
Es gibt richtig gute Soulstimmen unter den Künstlern, die damals im besten Popstar-Alter waren und sich immer noch hören lassen können. 2 Unlimited etwa, ein holländischer Rapper (Ray Slijngaard) mit Begleitsängerin (heute Michèle Karamat Ali, damals Anita Doth), die mit „No Limit“ 1993 ihren größten Hit hatten. „What Is Love“ des deutsch-trinidadischer Sängers Haddaway ist in den Retro-Radiostationen immer noch präsent. Auch bei Culture Beat stimmte die Show, Sängerin Jacky Sangster mit eindrucksvoller Mähne und ebensolcher Stimme zelebrierte ausladend den Charts-Hit „Mr. Vain“, da wogte tatsächlich echtes 90er-Feeling durch die Arena – auch wenn die Sängerin des Originals eine andere (Tania Evans) war.
Gleichwohl: Musikalische Feinschmecker sind nicht die Zielgruppe der 90er-Partys. Die Liveshow ist kein Konzert und die Arena an dem Tag kein Musentempel, sondern eine Großdiskothek mit Konfetti, Bühnennebel, Wunderkerzen und bunten Projektionen, aber ohne Musikinstrumente. Der Sound kommt komplett aus der Konserve und ist nicht gerade ein Ausdruck buntschillernder Vielfalt. Er variiert vielmehr unentwegt und maschinengleich diesen Bumm-Tschak-Rhythmus, den man aus Titeln wie „YMCA“ der Village People (wurde auch kurz angespielt) kennt.
Die Fans sind am Ende zweigeteilt. Viele feiern bis zum Schluss – bei anderen ist die Luft raus nach über fünf Stunden Party. Der Run zum Parkplatz setzt früh ein.