„Das muss man erstmal verkraften“

  • Einen Mangel an Eiern befürchtet niemand auf dem Ulmer Wochenmarkt. Aber viele machen sich Gedanken um die Familie in Öllingen, deren Hof von der Vogelgrippe betroffen ist. Foto: Samuel Tschaffon

Vogelgrippe Marktbeschicker sowie Kunden und Kundinnen auf dem Ulmer Wochenmarkt bewegt das harte Los des Kaiserhofs in Öllingen, der 15.000 Hühner keulen lassen musste.

Am Samstag war eine große Lücke zwischen den Ständen auf dem Ulmer Wochenmarkt. Dort, wo man vorwiegend Eier und Geflügelfleisch kaufen kann. Der Grund: Der Kaiserhof aus Öllingen war nicht wie üblich vor Ort. Dort war am Donnerstag der ganze Tierbestand des Hofes – 15.000 Tiere – gekeult worden. Dies unmittelbar, nachdem dort das H5N1-Virus nachgewiesen worden war, umgangssprachlich Vogelgrippe genannt.

Die Tierseuche, die vor allem durch Zugvögel übertragen wird, war Thema Nummer eins auf dem Wochenmarkt. Zuallererst bei den Kollegen des Kaiserhofs – sechs weitere Anbieter mit ähnlichem Sortiment. „Sicher mache ich mir Sorgen“, sagte etwa Markus Magg, der auf seinem Bauernhof bei Erbach rund 6000 Hühner hält und die Eier an Supermärkte, Bäckereien und Restaurants verkauft. Sorgen, dass das Virus auch seinen Hof befällt, obwohl er gut 30 Kilometer Luftlinie von Öllingen entfernt liegt. Er ergreife bereits spezielle Maßnahmen, wenn er in den Stall gehe, so Magg. So betrete er ihn nur mit bestimmten Schuhen. Ein Teil der Tiere sei momentan noch draußen. Denn vorsorglich im Stall halten, das gehe gar nicht, erklärte er. „Dann darf ich die Eier nicht mehr als ,von frei laufenden Hühnern‘ verkaufen.“

Bei Wolfgang und Christine Maurer herrschte noch keine Alarmstimmung. Das Ehepaar kommt aus Wattenweiler bei Neuburg an der Kammel und ist damit weit aus der momentanen Gefährdungszone gelegen. Ohnehin: Selbst halten die beiden gar keine Tiere, sie haben verschiedene Bauern, die ihnen zuliefern. Natürlich könne es jeden treffen, sagte Christine Maurer, aber es klang so, als schiebe sie den Gedanken erstmal weg: „Man macht einfach normal weiter.“ Ein Mann in voller Regenmontur – es schüttete gerade wie aus Eimern – kaufte 30 Eier bei Siegfried Geywitz aus Scharenstetten. Auf die Frage, ob er sie angesichts der ausgebrochenen Seuche bunkert, schüttelte er den Kopf und sagte: „Nee, die esse ich. Und wenn es keine gibt, dann esse ich keine.“

Der Hof von Geywitz liegt ebenfalls weit außerhalb der vorgeschriebenen zehn Kilometer großen Beobachtungszone um Öllingen. Trotzdem achte auch er etwas mehr auf saubere Bedingungen, sagte er. Das Gute: Seine Hühner sind im überdachten Wintergarten untergebracht. Die Kunden hätten das Thema natürlich angesprochen und vereinzelt bestehe die Befürchtung, dass Eier Mangelware werden könnten. Aber an sich überwiege die Anteilnahme am Schicksal des Öllinger Hofes, erzählt Geywitz. Man hoffe sehr, dass es nicht noch mehr Betriebe treffe.

Die Anteilnahme ist auch unter den Marktbeschickern hoch. Sie wolle jetzt nicht mehr darüber reden, wehrte die Chefin des Standes Schick-Speiser aus Roggenburg ab. Dort werden ebenfalls Eier aus Freiland- und Bodenhaltung sowie Bioware verkauft. Sie habe das schon den ganzen Vormittag gemacht. Nur so viel: „Ich mache mir große Sorgen um die Kaisers.“ Vor ihrem Stand wartete ein Mann: „Ja, wir haben heute Morgen beim Frühstück über die Vogelgrippe gesprochen. Für so einen Betrieb ist das bestimmt ganz schön traurig.“

Beim Kaffee geredet

Ein anderer Mann kam tropfnass zum Stand der Gewürzhändlerin Carmen Süß nebenan: „Das ist so brutal, was den Kaisers passiert ist“, sagte er zu ihr. Sie nickte. „Das muss man erstmal verkraften.“ Er sei schockiert, dass Tausende von Tieren einfach umgebracht wurden. Nicht nur er war schockiert. Das Thema habe auch die Kollegen beschäftigt, erzählte Carmen Süß. Man habe beim Kaffee nach dem Aufbau am Samstagmorgen darüber gesprochen: „Das ist ja eine Existenz, die da von jetzt auf nachher bedroht ist.“

Obst- und Gemüsehändlerin Kerstin Gairing ist vom Schicksal des Kaiserhofs in Öllingen doppelt betroffen. Einmal als Mensch. Sie habe mit der Frau telefoniert, sie sei natürlich geschockt. Und das gleiche Gefühl habe sie auch: „Wenn man so etwas noch nie erlebt hat und man nicht weiß, was da auf einen zukommt die kommenden Wochen, das ist doch schrecklich.“ Sicher würden jetzt viele Geflügelhändler schlecht schlafen. Betroffen ist Kerstin Gairing auch als Geschäftspartnerin, denn Kaisers verkaufen freitags in der Gärtnerei Gairing ihre Produkte. „Das geht jetzt zunächst nicht mehr“, meint sie bedauernd. Einen Ersatz suche sie aber nicht. Sie warte so lange, bis der Hof wieder auf die Beine gekommen ist.

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