Wenn Schulden erdrücken
Finanzen Aktuell geht die Zahl der Privatinsolvenzen zurück. Doch der Beratungsbedarf von Menschen, die finanzielle Probleme haben, ist immens.
Wir können uns vor Anfragen kaum retten“, berichtet Petra Maurer, die als Schuldnerberaterin bei der Diakonie in Ulm arbeitet. Dort werden Menschen aus Ulm und dem Alb-Donau-Kreis betreut, die Schulden haben und Hilfe brauchen, damit umzugehen. Doch wer sich dort meldet, muss aktuell mit einer Wartezeit von elf Monaten rechnen.
Was Maurer schildert, stellt sich in den Zahlen des Statistischen Landesamtes in Baden-Württemberg so dar: Im Jahr 2024 wurden im Stadtkreis Ulm 99 Privatinsolvenzen von Verbrauchern angemeldet, also von Arbeitnehmern, Rentnern, Arbeitslosen oder Auszubildenden. Im Jahr zuvor waren es 71. Die Zahl der Fälle schwankt über die Jahre stark: So waren es im Jahr 2015 insgesamt 51 Verbraucherinsolvenzen, die angemeldet wurden. Ihre Zahl stieg dann leicht bis 2018 auf 71 und ging dann auf 63 (2019) und 40 Fälle (2020) zurück.
2021 stieg die Zahl der Insolvenzanmeldungen stark auf 98 an und schwankt seitdem auf hohem Niveau. Im ersten Halbjahr 2025 wurden 35 Verbraucherinsolvenzen in Ulm angemeldet. Im ersten Halbjahr 2024 waren es 50.
Doch Maurer schränkt direkt ein: Nicht jeder, der zur Schuldnerberatung kommt, meldet auch eine Insolvenz an. Denn in einem ersten Telefonat – noch bevor die Wartezeit für die Beratung beginnt – wird geprüft, welche und wie viele Schulden die Person überhaupt hat. „Wir schauen dann auch, wie man die Einnahmenseite verbessern kann“, erklärt Maurer. Also beispielsweise, ob Leistungen wie Wohngeld, Bürgergeld oder Kinderzuschlag den Betroffenen zustehen. „Viele, die zu uns kommen, haben Anspruch auf Sozialleistungen, haben diese aber nie abgerufen.“
Schulden häufen sich über Jahre
Dass die Zahlen in der Beratung aktuell steigen, sei nicht verwunderlich. Während der Corona-Pandemie hätten viele „alles flüssig gemacht, was ging“ und schieben trotzdem seit Jahren Schulden vor sich her. „Jetzt steht dann vielleicht die Rente bevor und man beginnt zu rechnen.“ Denn je näher es auf den Renteneintritt zugeht, desto näher an der Realität seien auch die Zahlen auf der jährlichen Renteninformation.
Dazu komme die hohe Inflation. „Es gibt es viele Familien und Singles, da war schon alles Spitz auf Knopf, und jetzt reicht es einfach nicht mehr, weil alles teurer geworden ist“, berichtet Maurer. Auch die Mieten sind stark gestiegen. Paare seien weniger gefährdet, von ihren Schulden übermannt zu werden, weil sie mehr Möglichkeiten haben zu jonglieren. Wenn beispielsweise ein Einkommen wegfällt, ist immer noch ein zweites da.
Immer wieder sieht Maurer auch ehemals Selbstständige, die beispielsweise ihr Geschäft von zu Hause betrieben, aber trotzdem Corona-Hilfen beantragt haben. Weil es bei so einem Betrieb aber keine Fixkosten wie Miete gibt, müssen die Hilfen nun zurückgezahlt werden. Dabei gehe es um Beträge bis zu 20.000 Euro. „Wenn man dann das Geld schon ausgegeben hat, hat man ein Problem.“
Schicksalsschläge belasten
Häufig führen auch Schicksalsschläge in die Schulden. Wenn Paare etwa gemeinsam einen Kredit aufnehmen – sei es für eine Wohnung, ein Auto und oder eine Küche – und dann ein Einkommen wegfällt, zum Beispiel wegen einer Trennung, Krankheit oder dem Verlust des Arbeitsplatzes, dann werden häufig die Raten angepasst. Sind diese zu niedrig berechnet, steigen die Schulden wegen der Zinsbelastung weiter, obwohl man regelmäßig tilgt.
Maurer kritisiert auch, dass man heute praktisch alles auf Raten kaufen kann. Jeder Elektronikmarkt, viele Internetshops und sogar Ferienparks bieten dies an. Dazu kommen noch Zahlungsdienstleister wie Klarna. Vor allem für Jüngere, die mit diesen Möglichkeiten aufwachsen, sei das problematisch.
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