Einsatz Annika Fischer aus Senden hat die Ausbildung zum Air Rescue Specialist gemeistert. Künftig wird sie mit dem Hubschrauber Menschen aus gefährlichen Hochwasserlagen retten.
Absolut schwindelfrei; psychisch hohe Belastbarkeit; sicheres Schwimmen und Retten im Fließwasser“ sind nur drei von zwölf Anforderungen, um für die Ausbildung zum „Air Rescue Specialist“ (ARS) zugelassen zu werden – übersetzt „Luftrettungsspezialist“. Bei der „Hubschraubergestützten Wasserrettung“, wie es im Fachjargon heißt, rettet man Menschen aus der Luft, vor allem bei Hochwasser-Katastrophen. Für Annika Fischer aus Senden der ausschlaggebende Grund, die anspruchsvolle Ausbildung zu absolvieren: „Oft kann man die Menschen noch lebend retten“.
Fischers Eltern, beide Mitglieder der BRK-Wasserwacht Senden, haben ihr die Affinität für Wasser quasi vererbt. Die heute 25-Jährige ist ebenfalls seit Kindertagen Mitglied in derselbigen, mit 16 Jahren folgte dann die Basisausbildung der Wasserrettung. Zur hubschraubergestützten Wasserrettung kam sie jedoch erst durch einen Bekannten. In Gesprächen erfährt sie viel über dessen Arbeit und wird neugierig. Als sie beschließt, die Ausbildung zu machen, war ihre Mutter zunächst besorgt. Aber für die junge Frau ist klar: „Angst darf man keine haben“. Es könne immer etwas passieren, genau so auch im Alltag. „Abgesehen davon hätte mich sowieso niemand davon abhalten können“, sagt sie und lacht.
Zur Ausbildung nach Bad Tölz
Um bei Einsätzen aus der Luft unterstützen zu können, hat Fischer eine mehrtägige Ausbildung im Bergwacht-Zentrum für Sicherheit und Ausbildung in Bad Tölz absolviert. In zweieinhalb Tagen Theorie lernte sie dort viel über den Umgang mit zu rettenden Personen. „Wie gehe ich vor, wenn ich zu Leuten komme, die quasi alles zurücklassen müssen?“, erklärt Fischer. Zudem sei die Situation für die Betroffenen, mit dem Helikopter abgeholt zu werden, neu. Deshalb müsse man ihnen genau erklären, wie die Rettung abläuft. Man übt auch, wie man sich im Team verständigt. „Im Helikopter ist es oft laut. Man kommuniziert viel über Zeigen, Blicke und Nicken“, erzählt die 25-Jährige.
Den Praxisteil der Ausbildung absolvierte sie unter anderem in der Hubschrauber-Übungskabine der Trainingsanlage. Jeder Handgriff muss dabei sitzen, „so, dass alles im Schlaf funktioniert“, erläutert Fischer. Ob man bestimmte Fähigkeiten für den Job mitbringen muss? Neben der körperlichen Fitness sei Selbstvertrauen wichtig, weil man gegenüber den Betroffenen den Ton angeben müsse. Gleichzeitig sei Einfühlungsvermögen essenziell, um die Personen zu beruhigen. „Und man sollte schon zupacken können, weil man die Leute ja auch halten muss“, antwortet sie.
Zwar ist die Ausbildung für alle Geschlechter offen, dennoch nimmt Fischer stellenweise eine männliche Prägung wahr. Diese fällt ihr beispielsweise an der Kleidung auf. „Die ganzen Klamotten sind auf Männer eingestellt. Gerade Klettergurte sind bei mir am Limit“, sagt sie. „Ich dürfte jetzt nicht dünner oder kleiner sein.“ Fischer lacht. Als Frau stehe man vielleicht etwas mehr unter Beobachtung, fügt sie hinzu, doch die ausschließlich männlichen Ausbilder im Trainingszentrum seien stets offen und nett gewesen. „Das ist auch nicht immer selbstverständlich“, sagt Fischer.
Geflogen wird der Hubschrauber oft von der Landes- oder Bundespolizei. Das ehrenamtliche Rettungsteam teilt sich die Aufgaben auf: Ist man zu zweit, werden zunächst beide per Seilwinde zu den Betroffenen abgelassen. Einer von ihnen bringt das „Rettungsdreieck“, vergleichbar mit einem Klettergut mit Sitzfläche, bei der Person an. Der andere, der sogenannte „Lift Boy“, begleitet die Personen nacheinander hoch zum Helikopter.
Zwei Rettungsarten sind dabei zu unterscheiden: die Rettung aus Gebäuden und die direkte Rettung aus dem Wasser. Bei ersterem habe man oft etwas mehr Zeit, weil Gebäude nicht innerhalb kurzer Zeit überflutet würden. Im Gegensatz dazu muss es bei einer Rettung aus dem Wasser oft schnell gehen. Die Einsatzkräfte werfen zügig eine Rettungsschlinge über die Person, dann wird kurz überprüft, ob alles fest sitzt. In dieser zeitkritischen Situation bleibe nicht viel Raum für Erklärungen. Wind, Strömung, Lautstärke und spritzendes Wasser machen die Rettung schwierig.
Zum ersten Mal geflogen ist Fischer dann erst bei ihrer praktischen Prüfung im August. „Das erste Mal fliegen war schon ziemlich cool“, sagt sie. Angst habe sie dabei keine gehabt, eher Freude verspürt. Einen echten Einsatz hat sie bisher aber noch nicht miterlebt.