Am Tiefpunkt angelangt?
SSV Ulm 1846 Fußball Elf Gegentore in drei Spielen, ein wütender Geschäftsführer und ein Auftritt, der Fragen hinterlässt: Das 0:5 beim SC Verl zeigt, wie angespannt die Stimmung bei den Spatzen ist.
Es war eine bemerkenswerte Szene. Als sich nach dem Spiel die Mannschaft in ihrem Kreis zusammenfand, stand Geschäftsführer Markus Thiele mitten drin. Er wirkte wütend und außer sich, er gestikulierte und hielt eine kurze, aber deutliche Ansprache. Seine Botschaft: Jeder sollte sich und seine Leistung hinterfragen. Dann verließ er den Kreis, ließ Spieler und Trainerteam zurück.
Dass der Klub-Chef inmitten des Mannschaftskreises als einer der ersten das Wort ergreift, dürfte in den vergangenen Jahren kaum bis gar nicht vorgekommen sein. Das Prä liegt normalerweise beim Trainerteam und den Führungsspielern. Was auf dem Platz passiert, ist zuerst einmal Sache der Mannschaft. Die Szene nach der 0:5-Niederlage beim SC Verl zeigt, wie angespannt die Stimmung und wie groß der Erfolgsdruck beim SSV Ulm 1846 Fußball ist.
Durch die dritte Niederlage in Folge rutscht der Zweitliga-Absteiger in die Abstiegszone. Die ernüchternde Bilanz: In drei Spielen – Ingolstadt (1:4), Cottbus (1:2) und Verl (0:5) – kassierten die Spatzen elf Gegentore bei gerade einmal zwei eigenen Treffern. Wirkte die Defensive beim 1:2 gegen Energie Cottbus deutlich gefestigter als gegen Ingolstadt, war in Verl wieder das Gegenteil der Fall: Der Sport-Club nahm den SSV regelrecht auseinander. Der Wucht der spielstarken Verler, die mit dem Sieg auf den dritten Tabellenplatz sprangen, hatten die Ulmer wenig entgegenzusetzen.
In der Abstiegszone
Die Hoffnung, dass sich der kleine Aufwärtstrend nach dem Trainer-Wechsel fortsetzten könnte, scheint von jetzt auf gleich zunichte. Mit der Entschuldigung bei den Fans, der denkwürdigen Reaktion des Geschäftsführers, dem Blick auf den enttäuschenden Saisonverlauf und den jüngsten Unruhen rund um den Aufsichtsrat stellt sich nach dem Verl-Spiel in aller Deutlichkeit die Frage: Ist der SSV Ulm 1846 Fußball an einem Tiefpunkt angelangt?
„Wir müssen uns schleunigst alle hinterfragen“, heißt es seitens der Spieler. An der Einstellung, der Mentalität habe es gefehlt. Kapitän Dennis Dressel sagte „Wenn wir nicht an unsere Leistungsgrenze kommen, dann funktioniert in der Liga halt gar nichts.“
In die gleiche Richtung ging die Kritik von Moritz Glasbrenner. Einige Zeit nach Abpfiff war bereits verstrichen, als er sachlich und ausführlich über das Spiel sprach. „Es kommen zwei Dinge zusammen“, sagte der Cheftrainer nach seinem ersten Auswärtsspiel in neuer Rolle. Das eine sei der starke Gegner. Das andere eine Mannschaft, die sich nach dem großen Umbruch noch finden muss: „Wenn solche zwei Welten aufeinandertreffen, dann kann es auch mal richtig weh tun.“ Dabei bemühte sich Glasbrenner keineswegs, um eine vorgeschobene Entschuldigung. Es war vielmehr der Ansatz eine Erklärung zu geben, für das, was abseits der offensichtlichen Fehler auf dem Platz schieflief. Was auf dem Rasen passierte, lässt sich schnell zusammenfassen: Durch die überaus anfällige rechte Abwehrseite, auf der Max Scholze seine Defensivpflichten vernachlässigte, kam Verl zum 2:0 zur Pause. Abläufe und Abstände waren wieder ein Thema. Es gab Zuordnungsfehler im Zentrum, auf rechter wie linker Seite, die Verl clever und effizient ausspielte. Offensiv fand Ulm kaum statt – zu einer echten Torchance kamen die Spatzen nicht. Nach dem 0:3 war der SSV gebrochen, das vierte und fünfte Gegentor folgten.
Dem Trainer fehlte die Mentalität, auch die Bereitschaft seiner Spieler. „Wir haben uns in der Mannschaft, glaube ich, noch nicht so gefunden, dass wir an so einem Spieltag einfach über unsere Grenze hinausgehen“, sagte Glasbrenner, der allerdings genau das von seinem Team einfordert: „Wir müssen bereit sein, 120 Prozent da zu sein und gerade im Bereich Emotionalität und Leidensbereitschaft all-out zu gehen. Und da kommt deutlich zu wenig.“
Verbunden mit einer Entschuldigung an die Fans für die gezeigte Leistung, sagte er: „Wir können da nur um Geduld bitten. So eine Mannschaft ist ein sensibles Konstrukt. Wir müssen dar jetzt den einen Stein auf den anderen setzen und einfach geduldig sein, aber auch klare Fortschritte erzielen.“
Was man dem 35-Jährigen innerhalb der Vorbereitung wohl ohne Wenn und Aber zugestanden hätte, wird nun zum großen Problem. Mit dem verstrichenen zwölften Spieltag befindet sich der SSV Ulm mitten in der Saison. Gerade einmal 13 Zähler haben die Spatzen auf dem Konto. In der Momentaufnahme ist der Tabellen-17. ein Abstiegskandidat. Dabei ist die Arbeit von Glasbrenner, der aus seiner Interimstätigkeit zum Cheftrainer befördert wurde, an die vorherrschenden Rahmenbedingungen und in gewisser Weise auch an äußere Einflüsse gebunden.
Dass sich die Mannschaft nach ihrem großen Umbruch nach wie vor in der Findungsphase befindet, offenbart nicht nur, was wochenlang auf der Strecke blieb. Es zeigt auch, dass es offensichtlich gar nicht so einfach ist, aus dem Kader eine geschlossene, konkurrenzfähige und selbstbewusste Einheit zu formen. Dabei spielen die Verletzungssorgen eine Rolle, vor allem aber auch die Zusammenstellung des Teams und die Frage der tatsächlichen Qualität.
Nach dem 0:5 in Verl braucht es gegen den VfB Stuttgart II am kommenden Samstag ein anderes Auftreten. Das wissen sie beim SSV Ulm alle. Schließlich ist die Rechnung im Fußball-Geschäft einfach: Bleiben die Erfolge aus, wächst der Druck. Auf Spieler, Trainer und Entscheidungsträger. Und das war nach Abpfiff in Verl inmitten des Mannschaftskreises zu sehen.