Ein Ledlum ist nicht genug
Ratiopharm Ulm Der Negativtrend hält an: Der Vizemeister verliert auch beim schwäbischen Nachbarn. 81:90 in Ludwigsburg – mit dem Ergebnis kann Ulm nicht zufrieden sein. Und mit der Leistung auch nicht.
Es gibt da so einen Song. Mikko Riipinen hat ihn nach Ludwigsburg gebracht. Und Ty Harrelson will ihn hören. „Sing es, Coach“, sagt er und lächelt. Riipinen druckst herum. Ihm scheint die Sache etwas unangenehm zu sein. „Ich bin ein schlechter Sänger“, meint der 38-Jährige auf der Pressekonferenz. Er schaut verlegen.
Dieser Song ist nicht für die Öffentlichkeit bestimmt. Er wird nur in der Kabine gesungen. Und nur, wenn die MHP Riesen Ludwigsburg gewonnen haben. Das war noch nicht so oft der Fall. Jedenfalls bis zum Sonntag. Am Sonntag feierten die Schwaben ihren ersten Heimsieg dieser Saison. Und sie feierten ihn ausgerechnet gegen Ratiopharm Ulm.
90:81 (47:37). Das war nicht das Ergebnis, das sich der Vizemeister vorgestellt hatte – und schon gar nicht die Leistung. Ulm enttäuschte, wieder zeigten sich eklatante Baustellen. „Wir müssen einige Dinge verbessern“, sagte Coach Harrelson. Es war kein schöner Abend für ihn. Dabei hatte er so schön begonnen.
Klepeisz feiert Comeback
Dieses Mal sah es nicht nach einem Fan-Bus aus. Höchstens nach ein paar Autos. Sonntagabend, 5. Spieltag der Bundesliga: Klang wohl nicht attraktiv genug, um eine stattliche Doppelstadt-Delegation zum Derby zu locken.
Der Gästeblock bestand aus drei, vier Reihen in der Hallenecke. Meistens hörte man ihn nicht. Doch in einem Moment, als der Sprecher die Gäste vorstellte, gaben die Ulmer den Ton an.
„Mit der Nummer 22: Thomas Klepeisz.“ Jubel. Applaus, so laut, dass auch die Heim-Kurve nicht dagegen ankam. Die Ulmer Fans hatten ihren Liebling wieder. Fast zehn Monate musste Klepeisz pausieren. Nun war er wieder da – zum Derby. Es hatte ein bisschen was von einem Märchen.
Nur ist der Sport kein Märchen. Keine Geschichte mit perfektem Happy-End. Klepeisz kam nach sechs Minuten rein und produzierte direkt beinahe einen Ballverlust. Seine persönliche Bilanz zur Halbzeit: zehn Minuten, null Punkte. Der 34-Jährige tat sich schwer – genau wie seine Mitspieler.
Man sah ihm die Frustration an. An den aufgerissenen Augen, an den Falten auf seiner Stirn. Ulm-Trainer Harrelson war nicht glücklich. Und er konnte es auch nicht sein. Sein Team zeigte in der ersten Halbzeit wieder eine dieser apathischen Vorstellungen, die zuletzt häufiger vorgekommen waren. Lasch verteidigen und Chris Ledlum vorne Punkte machen lassen – das reicht nicht.
Auch nicht gegen ein Team, das zuvor zuhause noch nicht gewonnen hatte. Dem Riesen-Vorsänger, der sich einfach irgendwo im Block platziert hatte, fiel es leicht, die Halle laut zu bekommen. Die Riesen erspielten sich im ersten Viertel eine Sieben-Punkte-Führung (23:16) und bauten sie im zweiten Viertel auf zehn Punkte aus (47:37).
Sie waren diejenigen, die in den ersten 20 Minuten als Team auftraten. Acht von ihnen punkteten. Bei Ulm waren es nur sechs, bei gerade mal acht Vorlagen. So ließ sich das fein-säuberlich auf den Statistik-Zetteln nachlesen, die Harrelson und seine beiden Assistenten bekamen. Die Drei vertieften sich zur Pause in das Papier. Sie bildeten an der Seitenlinie einen Stuhlkreis und ginges durch. Die Zahlen, das war allen klar, mussten sich ändern. Doch dafür brauchte es eine andere Einstellung. Giftiger, engagierter. So, wie es Tobias Jensen zu Beginn des dritten Viertels vormachte.
Er klebte an Gegenspieler Elijah Hughes, drängte ihn ins Aus. Ein Ballgewinn des Willens. War das die Initialzündung? Hatte Harrelson seine Männer in der Kabine wachgerüttelt? Naja. Die Gäste spielten nun zwar leidenschaftlicher, aber immer noch nicht wirklich gut. Und vor allem nicht als wirkliche Mannschaft.
Ledlum: 32 Punkte. Malik Osborne: 16 Punkte. Die übrigen zehn Spieler: 33 Punkte. Es war eine Ulm-untypische Zwei-Mann-Show im Derby. Sie gefiel Harrelson nicht. „Wir brauchen mehr Balance“, sagte er. Auch, weil außer den beiden kaum jemand passable Wurfquoten aufwies.
Und so lernten die Ulmer an diesem Abend: Nur zwei Starke sind nicht genug. Ulm kratzte im zweiten Durchgang zwar an der Riesen-Führung. Aber es bekam sie nicht weg. Fünf, sechs Punkte – näher kam der Vizemeister nicht ran. Obwohl auch die Ludwigsburger ihre Probleme hatten.
Aber sie hatten eben Hughes. Ein Forward, der vor Selbstbewusstsein nur so strotze. 90 Sekunden vor Ende ging er kurz hinter der Mittellinie hoch, warf über Klepeisz und schweißte den Ball passgenau in den Korb. 88:79 – es war die Entscheidung. Und Riesen-Coach Riipinen durfte die Stimmbänder lockern.