Zum Großereignis gibt es ein Versöhnungsstück

Kultur Freudenstadt Tourismus präsentiert auf der interkommunalen Gartenschau ein heiteres Stück mit dem Titel „Schrecklich nette Nachbarn“.

Geprobt wird schon seit Februar. Jetzt hatten Medienvertreter die Gelegenheit zu einem Gespräch mit Verantwortlichen und Ensemble-Mitgliedern im Alten Schulhaus in Tumlingen. Hier und im Kurhaus Freudenstadt ist die Gelegenheit geboten, der Aufführung den letzten Schliff zu verpassen. Bis zum Beginn der Spielzeit am 5. August ist zwar noch Zeit, aber bis dahin gibt es reichlich zu tun. An 15 Abenden, jeweils dienstags bis samstags, ab 18.30 Uhr, wird bis zum 23. August auf der Volksbankbühne im „Xentrum“ der Gartenschau gespielt.

Das Schauspiel „Schrecklich nette Nachbarn“ von Autor und Regisseur Jürgen von Bülow ist eine Liebeskomödie, die von Anton Tschechows „Scherz in einem Aufzug“ unter dem Titel „Der Heiratsantrag“ aus dem Jahr 1888 inspiriert ist. Von Bülows Werk handelt in turbulenten Szenenfolgen von dem Liebespaar Bea (Ulrike Krause) und Frederik (Konrad Schuler), das sich aus den Augen verloren hat und auf einem gemeinsamen Stadtfest von Freudenstadt und Baiersbronn wiederfindet. Streit und Hinwendung sind die Ingredienzien dieser Beziehung. Auch Frederiks Bruder Claudius (Derk Wittnebel) trägt zur allgemeinen Erheiterung bei.

Moderiert wird dieser amouröse Bilderbogen von Tina (Tanja Schwarz) und Christof (Christian Eckel). Die musikalische Begleitung der Aufführungen übernimmt die Live-Band „Happy Tones“ unter der Leitung von Oliver Herberger. Der Chef der Jugendmusikschule Baiersbronn tritt mit seinen Musikanten sozusagen als „Leihgabe“ beim Sommertheater auf – und zwar mit zahlreichen Ohrwürmern aus dem Bereich der leichten Muse. Ein Wiedersehen gibt es auch mit Andrea Bernhardt, die als Verantwortliche für die Kostümierung für ein „buntes Programm im wahrsten Sinne des Wortes“ sorgt. Mit von der Partie ist darüber hinaus Regieassistentin Helga Dengler, die dem Sommertheater als Schaltstelle zwischen Leitung und Ensemble bereits seit 2014 angehört.

15 Szenen in eineinhalb Stunden

Thomas Fischer und Frank Gretenkort, ausgewiesene Sommertheater-Profis, leiten auch dieses Mal die Produktion im Verein mit Carolin Schölzl. Nach Einschätzung der Freudenstädter Tourismusdirektorin greift die Komödie „wunderbar die Beziehung zwischen Freudenstadt und Baiersbronn auf“. Sie zeige auf humoristische Art und Weise, wie „nah wir eigentlich beieinander sind“. Die Gartenschau, beziehungsweise wie man gemeinsam voranschreitet, könne trotz gelegentlichen Konkurrenzdenkens verbindend wirken.

Die 15 Szenen sind auf eine rund eineinhalbstündige Spielzeit verteilt. Zwar sind viele der leicht dahingeworfenen Kraftausdrücke in den Dialogen („Halsbärtlerin!“, „Dalmoggel!“, „Bärenfänger!“ „Wiaschtgläubiger!“) längst Bestand der Liebesbezeigungen zwischen Freudenstädtern und Baiersbronnern, aber für das Publikum gibt es in dieser Beziehung doch noch manches zu entdecken.

Auf seine Weise trägt das Sommertheater Freudenstadt auf der Gartenschau zum gegenseitigen Verständnis mit einem Augenzwinkern bei. Das Ensemble jedenfalls ist überzeugt davon, dass die ganze Angelegenheit als „Versöhnungsgartenschau“ durchgehen kann.

Roman

Ein Pisswetter war das. Na ja, Caracciolawetter. Er grunzte auf. Da war ihm ja selbst mal ein guter Scherz in den Sinn gekommen. Gegen den Regenmeister konnten jedenfalls Hans Stuck und Bernd Rosemeyer keinen Stich machen. Waren schon ausgefallen. Nach knapp vier Stunden würden es die Silber­pfeile nun unter sich ausmachen. Das übrige Feld war ohnehin nur Staffage. Bugatti, Maserati. Alfa Romeo? Lachhaft.

„Wo bleibt denn der Clemens?“

Seine Worte wurden vom Gebrüll verschluckt, denn jetzt fegte Manfred von Brauchitsch über die Gerade. Vierhundertfünfzig Pferde. Wie einen Mann riss es die Menge aus den Sitzen. Als der Silberpfeil außer Sichtweite war, stand Clemens Jungheinrich wieder am Platz, drei Gläser vor der Brust. Zwei Bier und eine Kräuterlimonade für Otto, wie üblich. Und ohne das Gefrotzel, das er sich wegen seiner Abstinenz von den Parteigenossen ständig anhören musste.

Aus den Lautsprechern blecherte eine Stimme. Caracciola, Brauchitsch und Nuvolari gleichzeitig in der Box.

„Der Italiener fährt noch mit?“, wunderte sich Jungheinrich.

„Für den hat der Duce beim Führer ein gutes Wort eingelegt!“, mutmaßte Otto und tätschelte den freien Platz neben sich: „Setz dich wieder her, Clemens!“

Jungheinrich war ein feiner Kerl. Zu fein vielleicht für diese eher volkstümliche Veranstaltung hier, dachte Otto. Tagein, tagaus zerbrach er sich im Kontor seiner Fabrik den Kopf. Über finnische Fichten und polyfluorierte Alkylsubstanzen. Über die Anschaffung neuer Maschinen und das Verlegen neuer Gleise zu seinen Werkshallen. Über die Pensionen seiner Mitarbeiter und den Absatz seiner Produkte. Über den ganzen Kladderadatsch, den Otto seinem Geschäftsführer überlassen hatte, seit er in die Politik gegangen war. Aber für die Jungheinrich GmbH & Co. KG kam ein solches Arrangement nicht in Frage. Das Unternehmen war seit zwei Generationen in Familienbesitz. Clemens war die Firma. Guter Kerl, der mit Eugen die Liebe zur Literatur teilte. Damals schon, im Schützengraben. „Ohne mein Papier kein Eichendorff“, sagte der Clemens gerne. Vergangenes Jahr war er es gewesen, der die Bruderschaft nach Berlin gelotst hatte. In den „Sommernachtstraum“ von Mendelssohn, Furtwängler am Pult, den er gerne noch hören wollte, „bevor ich völlig taub werde“. Otto waren bei dem Gebratsche und Gefiedel immer wieder die Augen zugefallen. Wieso wurde im neuen Deutschland noch immer jüdische Musik gespielt? Leuchtete ihm nicht ein.

Wütend heulten die Motoren wieder auf. Wie Projektile schossen die Silberpfeile aus der Box, der Reihe nach. Nur der Alfa Romeo ließ auf sich warten. Typisch. Die Anzeigetafel verkündete, dass Nuvolari mehr als zwei Minuten verloren hatte und auf den sechsten Platz zurück­gefallen war.

„Organisation! Das können die Italiener einfach nicht!“, ver­kündete Otto. „Aber Opern schreiben“, bemerkte Jungheinrich, „das können sie.“ Und Eugen mit einem mitleidigen Blick: „Wagner. Mehr sage ich nicht.“ Jungheinrich nippte an seinem Bier: „Mehr fiele dir auch nicht ein, du Banause! Ohne den Reichtum gerade der ernsten italienischen Oper …“

Otto ließ den Blick über die Menge schweifen: „Hört auf zu zanken, Kameraden!“

Sport interessierte ihn eigentlich ebenso wenig wie Musik. Aber die Zeitungen waren voll mit all den Namen und Hymnen auf „die Männer in Leder“ in ihren „gefürchteten Nationalrennwagen“, erdacht von „genialen deutschen Technikern und Ingenieuren“. Aerodynamik. Neue Wissenschaft. Gelesen hatte Otto davon mit Skepsis. Was halt so in der Zeitung steht. Wenn er sich aber umschaute, konnte er nicht umhin, sich von der fiebrigen Atmosphäre anstecken zu lassen. Ihm leuchtete ein, dass Leibesübungen jeder Art durchaus der Ertüchtigung dienten. Vermutlich galt das auch für den Lärm, die Abgase, das Benzin und die Bratwürste hier. Und all die Köpfe. Da musste er irgendwie rein, der Wille zum Sieg. Und war es nicht ein beeindruckendes Menschenmeer? Wartende Mechaniker unten in den Boxen. Graue Piste der Rennstrecke mit dunklen Flecken dort, wo die Pfützen noch nicht getrocknet waren.

Fortsetzung folgt

© Klett-Cotta, Stuttgart

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