Hurra, ich lebe noch!

  • Wolfgang Hirn, Horb, Autor privat

Hurra, ich lebe noch! Das ist keine Floskel eines älteren Herrn, der sich jeden Morgen freut, dass er ohne Zipperlein oder schwere Gebrechen aus dem Bett kommt. Nein, es ist Ausdruck purer Lebensfreude, dass ich zwei Beinahe-Unfälle im nächtlichen Horb überlebt habe. Ich bin Fußgänger und damit eine sehr seltene Spezies in der Horber Innenstadt, erst recht, wenn sich die Dunkelheit über die Stadt legt. Dann ist kaum ein Mensch mehr unterwegs. Manchmal, wenn ich nach Stippvisiten in den kulturell und gastronomisch etwas besser ausgestatteten Städten der nahen und weiteren Umgebung vom Horber Bahnhof in die Weingasse laufe, begegne ich keinem einzigen Menschen. Eine abendliche Idylle also.

Oder doch nicht? Denn neben mir sind noch andere Menschen unterwegs. Sie sitzen allerdings in Autos und lenken diese auch abends in beträchtlicher Anzahl und Geschwindigkeit durch die Horber Innenstadt. Irgendwann kommen wir uns – der zweibeinige und der vierrädrige Verkehrsteilnehmer – in die Quere, nämlich an Fußgängerüberwegen, im Volksmund schlicht Zebrastreifen genannt. Denn irgendwo muss ich die Durchgangsstraße mal überqueren. Doch das ist gar nicht so einfach. Was tagsüber ein kinderleichter Spaziergang ist, wird abends zum Spießrutenlauf. Denn dann sind die Ampeln ausgeschaltet. Und der Fußgängerüberweg ist plötzlich keiner mehr. Zebrastreifen gibt es entlang der Durchgangsstraße keinen einzigen, nur noch eine breite, in rot dahingepinselte Masse. Wenn das dem Autofahrer signalisieren soll, dass da gegebenenfalls Fußgänger überqueren wollen, dann kann das nur die Idee eines Farbenblinden gewesen sein. Zudem gibt es an diesen Fußgängerüberwegen auch keine Hinweisschilder. Ich meine diese dreieckigen blauen Schilder mit dem Zebrastreifen in der Mitte. Ich schließe aus all dem, dass diese Fußgängerüberwege abends gar keine mehr sind. Aber wie und wo soll man dann die Straße ungefährdet überqueren?

Nachdem ich zweimal fast überfahren wurde – einmal zuckte ich geistesgegenwärtig einen Schritt zurück, das andere Mal legte der Autofahrer eine Vollbremsung hin – habe ich nun meinen fast idealen Nachhauseweg vom Bahnhof gefunden. Nur zweimal – bei der Kreissparkasse und der Volksbank – muss ich diese seltsamen Überwege überqueren. Danach halte ich mich konsequent auf der linken Straßenseite, laufe die Hirschgasse hoch und an deren Ende gegenüber vom Altersheim ist – man mag es kaum glauben – ein guter, alter Zebrastreifen, vor dem sogar Autofahrer respektvoll halten.

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