Wenn „Häs“ und „Saubloder“ klingen wie Dinge, die repariert gehören

  • Standing Ovations für den langjährigen Hochbauamtsleiter Markus Gärtner, der sich mit einer durchaus humorvollen Rede im Gemeinderat verabschiedet hat – und sich nach dem Applaus schnell wieder hinsetzen wollte. Foto: Philipp Koebnik
  • Mehr als 26 Jahre stand er im Dienst der Stadt: Markus Gärtner in seinem bisherigen Büro im Rottenburger Rathaus. Foto: Stadtverwaltung Rottenburg
  • Standing ovations für Hochbauamtsleiter Markus Gärtner, der sich mit einer humorvollen Rede am Ende der Gemeinderatssitzung (8.4.2025) verabschiedet hat. Foto: Philipp Koebnik
  • Alexander Widlowski, der neue Rottenburger Hochbauamtsleiter. Foto: Steffen Schlüter/Archiv

Verabschiedung Aus dem Ruhrpott nach Rottenburg: Markus Gärtner erklärt, warum er einst „die Seiten gewechselt“ hat und wieso der Umzug – trotz Kulturschock – die richtige Entscheidung war.

Seinen Dienst in der Rottenburger Stadtverwaltung trat Markus Gärtner im Februar 1999 an. Nachdem er zuvor in der Main-Metropole Frankfurt gelebt und gearbeitet hatte, war ihm bald klar: Die Unterschiede zwischen der Banken- und der Bischofsstadt sind „gewaltig“, so der 66-Jährige, als er sich kürzlich im Gemeinderat offiziell in den Ruhestand verabschiedete. Er begriff: „Großstädte bauen nicht nur hoch, sondern auch bürokratisch.“

Insofern hat eine Kreisstadt auch ihre angenehmen Seiten. Der eigentliche Kulturschock ließ indes nicht lange auf sich warten: Zehn Tage nach seinem Arbeitsantritt war „Schmotziger“! Der Neubürger Gärtner kam „völlig ahnungslos und unvorbereitet mit der Fasnet in Berührung“. Mit „Nachwirkungen bis heute“, gestand er, und fügte unter steigendem Gelächter flehentlich hinzu: „Ich hab‘s versucht, wirklich!“ Als er das erste Mal von „Häs“ und „Saubloder“ hörte, so der Noch-Hochbauamtsleiter, „dachte ich kurz: Klingt nach einem neuen Sanierungsprojekt!“ Aber wer weiß, vielleicht werde ihm ja der Ruhestand helfen, die „Fasnet doch noch richtig zu verstehen und einzuordnen“, sagte Gärtner.

Nicht alles verlief harmonisch

Im April war Gärtners letzte Gemeinderatssitzung, seit dem 1. Mai ist der 66-Jährige offiziell im Ruhestand. „Ich verspreche Ihnen, dass auch dieser Termin eingehalten wird. Alles läuft nach Plan“, hatte er im Gemeinderat noch versichert. Danach war er nur noch sporadisch im Rathaus, baute „die letzten Urlaubstage und Überstunden ab“, wie die städtische Pressestelle auf Anfrage mitteilte. „Sein letzter Tag im Rathaus ist der 30. April“, an dem Tag werde er sich von den Kollegen verabschieden.

„Erstmal tief durchatmen!“

Im Rat hatte er sich noch „für die konstruktive Zusammenarbeit“ bedankt, auch wenn es durchaus Sitzungen gegeben habe, „nach denen ich erstmal tief durchatmen musste“, so Gärtner. „Manchmal lief nicht alles harmonisch.“ Er dankte auch „für das entgegengebrachte Vertrauen“. Denn „ohne Vertrauen fehlt das tragfähige Fundament“ – und ein solches sei für ein Team genauso unverzichtbar wie bei einem erfolgreichen Bauprojekt.

Zu den großen Projekten in der Kernstadt, mit denen Gärtner befasst war, gehörten die Erweiterung der Festhalle mit dem Rundling und dem Foyer sowie das zweite städtische Gymnasium. Zudem gab es in jeder Ortschaft mindestens ein großes Bauvorhaben. Manche Projekte liefen reibungslos, andere kosteten viel Kraft gekostet. Und wieder andere hätten „beinahe eine eigene historische Denkmalschutzplakette verdient“, weil sie so lange dauerten – etwa der Ammannhof.

„Wenn Neher näher kommt ...“

„Die Schlagzahl war immer hoch, wurde aber noch einmal deutlich gesteigert, als 2008 Oberbürgermeister Neher gewählt wurde“, blickte Gärtner auf eine Zäsur für die Stadt zurück. Der damalige Baubürgermeister Holger Keppel, der ihn einst dem Gemeinderat als neuen Hochbaumatsleiter vorgeschlagen hatte, habe seinerzeit gesagt: „Wenn Neher näher kommt, bin ich weg.“

Der neue OB hat zweifelsohne Gestaltungswillen, spürte Gärtner. Jedoch: „Vielleicht ist die Architektur dabei eher nachrangig.“ Umso glücklicher war er, dass es gelang, den Staatspreis für hervorragende Architektur nach Rottenburg zu holen. „Die Stadtbibliothek ist ein gutes Beispiel dafür, dass sich das Festhalten an Ideen auch gegen Widerstände lohnt und gute Architektur und Wirtschaftlichkeit zusammengeführt werden können.“ Inzwischen sei der Bau „sehr beliebt“.

Mehr als Beton und Ziegel

Nicht nur ein Gebäude wurde mit einer Architektur-Auszeichnung belohnt, hob Gärtner hervor, der ein „großes Dankeschön“ an seine Kolleginnen und Kollege richtete: „Mit Ihnen habe ich Höhen und Tiefen erlebt, aber am Ende wurde jedes Haus fertiggestellt und bezahlt.“ Abschied bedeutet auch, Platz für Neues zu machen, sagte der scheidende Amtsleiter im Gemeinderat. „Ich gehe mit dem Wissen, dass das Hochbauamt in kompetenten Händen bleibt“. Tatsächlich steht Gärtners Nachfolger bereits seit einem Jahr fest: Der Rat hatte dessen bisherigen Stellvertreter Alexander Widlowski am 24. Mai 2024 zum neuen Hochbauamtsleiter gewählt.

Vorbild sein bei Klima-Protest

Er wünsche sich, dass Rottenburg weiterhin „zukunftsweisende Bauprojekte“ in die Tat umsetze – Stichwort Klima-Architektur – und dass „die kommenden Haushaltspläne Spielräume dafür ermöglichen und schaffen“, so Gärtner. „Baukultur ist mehr als Beton und Ziegel“, betonte er, „sie prägt das Gesicht einer Stadt und das Leben ihrer Menschen.“ Nach 26 Jahren könne er rückblickend sagen, „dass es eine gute Entscheidung war, hierher zu kommen“.

Stehende Ovationen

Mit stehenden Ovationen zollten Ratsmitglieder und Rathausspitze dem langjährigen Amtsleiter Respekt, bevor Oberbürgermeister Stephan Neher das Wort ergriff. Auf „seine Zahlen“ sei Verlass gewesen, sagte der OB über den scheidenden Amtsleiter, schränkte das Lob aber sogleich wieder ein: Beim Rathaus-Anbau vor ein paar Jahren seien die Zahlen ordentlich durcheinander gegangen (die ursprünglich für das Projekt angesetzten Kosten explodierten damals förmlich, Anm. d. Red.). Ein kleines Präsent überreichte er seinem langjährigen Kollegen freilich trotzdem.

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