AfD-Stadtrat Link relativiert NSDAP
Kommunalpolitik Bürgermeister Jens Keucher lässt prüfen, ob ein Facebook-Kommentar strafrechtlich relevant ist, und ob das Gemeinderatsmitglied damit dem Amt schadet.
Es ist dieselbe Woche, in der die „Alternative für Deutschland“ vom Verfassungsschutz bundesweit als gesichert rechtsextremistisch eingestuft wird, in der ein Bürgermeister der beschaulichen Stadt Sulz einen AfD-Stadtrat öffentlich in einer Sitzung rügt, sich von dessen Facebook-Kommentar distanziert und die Zeilen von Stefan Link an das Kommunalamt des Landratsamts sowie an die Polizei weiterleitet.
In der jüngsten Sitzung des Sulzer Gemeinderats informierte Bürgermeister Jens Keucher das Gremium darüber, dass er den Vorfall den zuständigen Behörden zur Prüfung übergeben habe. Er betonte, dass hier keine Trennung zwischen der Funktion als Gemeinderatsmitglied und der Privatperson für den Bürger wahrzunehmen sei.
Kommentar unter Facebook-Post von Klaus Schätzle
Doch was hat Stefan Link da in den sozialen Medien geschrieben? Der AfDler kommentierte einen Facebook-Post des ehemaligen SPD-Stadtrats Klaus Schätzle. Schätzle, selbst mehr als 30 Jahre Mitglied im Sulzer Gemeinderat, hat auf seinem Facebook-Auftritt in den vergangenen Wochen regelmäßig Beiträge mit der Überschrift „Vor 80 Jahren in Sulz“ gestellt. Der frühere Geschichtslehrer beschäftigt sich schon lange mit der lokalen Historie und hat 2022 das Buch „Unter dem Gähnenden Stein: Sulz 1848 - 1948“ herausgebracht.
Einen solchen Post Schätzles, der sich mit dem 16. April 1945 beschäftigt, kommentierte AfD-Stadtrat Stefan Link. Unter anderem schrieb er, es habe auch gute Dinge der NSDAP von 1933 bis 1938 gegeben sowie Terroranschläge der Polen hätten Hitler veranlasst, einen Krieg zu beginnen (genauer Wortlaut siehe Infokasten). Klaus Schätzle, sonst streitbarer Sozialdemokrat, antwortete unter dem Kommentar lediglich: „Sie leben offensichtlich auf einem anderen Stern.“
Auf Nachfrage der SÜDWEST PRESSE sagt Schätzle: „Ach, wissen Sie, da hätte ich ja zu jedem Satz etwas Längeres schreiben müssen. Da stimmte ja gar nichts. Und so jemanden können Sie ja auch nicht überzeugen.“ So negativ überrascht Schätzle von Links Kommentar war – ansonsten bekomme er auf seine geschichtlichen Betrachtungen auf seiner Facebook-Seite hin kein Feedback „aus der rechten Ecke“ – so sehr hat er sich über jene gefreut, die ihm zur Seite gesprungen sind.
„Ganz dünnes Eis“, schrieb etwa ein Sulzer, ein anderer „nahe an der Grenze zur strafrechtlichen Relevanz“. Und der AfD-Stadtrat scheint sich der Brisanz seines Kommentars durchaus bewusst zu sein. Denn er antwortete: „...Nahe an der Grenze, aber nicht darüber hinaus. Ich leugne nicht den Holocaust und rufe nicht zur Gewalt auf.“ Inzwischen hat Link seinen Kommentar samt Verlauf gelöscht.
Auf Anfrage der SÜDWEST PRESSE schreibt Link, er gebe weder eine Stellungnahme noch einen Kommentar zu dem Thema ab. Sein Rats- und Parteikollege Udo Schubert hingegen schon: „Da kann ich eigentlich keine Beleidigung erkennen. Im schlimmsten Falle sind das ‚Verschwörungstheorien‘, die sich wie so oft im – Nachhinein – verwirklichen können. Somit wäre es von der Meinungsfreiheit nach Art. 5 und 21 GG gedeckt. Er hat keine Ausdrücke der SA und keine verbotenen Zeichen von der NSdAP benutzt.“
Der frischgebackene AfD-Bundestagsabgeordnete des Wahlkreises Rottweil-Tuttlingen, Joachim Bloch, war bis Redaktionsschluss weder per Telefon noch per E-Mail zu erreichen. In einem früheren Gespräch mit der SÜDWEST PRESSE hatte Bloch Stefan Links Vorschlag, in Sulz ein Atomkraftwerk sowie ein Atommüllendlager zu bauen, folgendermaßen kommentiert: „Da ist der Kollege Link politisch nicht gebildet.“ Denn dafür sei der Bund zuständig. Und Sulz sei ja geografisch gar nicht geeignet. Für Bloch ist Links Vorstoß deshalb „völliger Blödsinn.“ Es zeichne die AfD jedoch aus, dass jeder erst mal sprechen könne, „auch, wenn er Blödsinn quatscht.“ Link schüre damit zwar unnötig Unruhe, es sei aber Teil der Meinungsfreiheit, ihn gewähren zu lassen.
Jens Keucher hat derweil Antwort vom Kommunalamt des Landratsamts Rottweil bekommen. Das Amt rate der Stadtverwaltung, die Entwicklung „sehr genau im Auge zu behalten“. Parallel hat die Stadt Links Kommentar, der per Screenshots vor dem Löschen gesichert worden ist, an die Polizei weitergegeben. Dies habe ihn intern direkt an die Abteilung „Staatsschutz“ zur Bearbeitung weitergereicht. Nun wartet die Verwaltungsspitze auf dessen Einschätzung.