Zeit zu zweit

  • Von wegen namenlose Massentierhaltung: Auf dem Hof der Familie Spiegel zählt jede Kuh. Foto: Isabella Hafner

>>>> mit denen Höfe konfrontiert sind, deren Erzeugnisse im Discount-Supermärkten landen, in dem weniger begüterte Kunden einkaufen.

Die Kuh – ein soziales Wesen

Die Bäuerin steht mittlerweile mit Kopftuch, Handschuhen, Gummistiefeln und einer Plastikschürze im Melkstand. Acht Euter schließt sie an die Melkroboter an. Denn die Euter werden von den Kälbern nie ganz leer getrunken. Die Kühe sind schließlich auf Milchleistung gezüchtet. Melkte sie jetzt nicht den Rest Milch heraus, käme es zu einem Milchstau oder zu Euterentzündungen, sagt Martina Spiegel.

Was ihr noch aufgefallen ist: Die Kälber verhalten sich in der Herde viel sozialer als früher. „Sie schauen sich schon früh viel von der Mama ab.“ Auch wenn sie in den ersten drei Monaten nur zwei Mal am Tag zusammen kommen – sie haben ständig Sicht- und Schnupperkontakt, weil die Stallbereiche direkt nebeneinander liegen.

Während Martina Spiegel die Kühe melkt und deren Zitzen vom Dreck befreit, lässt ihr Mann Kuh Karla zu Hermann, dem hofeigenen Bullen. Karla, das hat er nämlich vorher wirklich nicht übersehen können, hat andere Kühe von hinten immer wieder besprungen. Deutlicher kann man seinem Landwirt nicht sagen, dass man gerne Nachwuchs zeugen möchte. Als Hermann plötzlich Damenbesuch bekommt, wirkt er überrascht und hört mit dem Fressen auf. Jetzt gibt es Wichtigeres.

Hermann ist drei Jahre alt und hat sich auf dem Hof schon fleißig fortgepflanzt. 15 Kälber innerhalb eines Jahres. Rüdiger Spiegel: „Er wäre zwar schon seit eineinhalb Jahren geschlechtsreif, aber wir haben ihn erst später zu seiner ersten Kuh gelassen.“ Leise, als würde er Hermann nicht bloßstellen wollen, fügt er hinzu: „Sonst ist er frustriert, wenn’s nicht klappt. Nicht gut fürs Ego.“ Wenn es irgendwann damit losgeht, dass er seine eigenen Kinder schwängern würde – Inzucht also –, dann muss er ersetzt werden. Und geschlachtet.

Jedes Jahr ein Kalb

Eine Kuh bekommt jedes Jahr ein Kalb. Das entspricht ihrer Natur. Rund zwei Monate nach dem Abkalben wird sie wieder trächtig. Während ihrer Schwangerschaft gibt sie weiter Milch. Erst sechs Wochen vor der Geburt wird sie trocken gestellt. Heißt: Sie wird nicht mehr gemolken.

Karla scheint plötzlich die Lust abhanden gekommen zu sein. Dabei strawanzelt Hermann immer wieder verführerisch um sie herum. Sie dreht ihm den Hintern zu. Ab und zu reiben sie ihre Köpfe aneinander. Zu mehr lässt sie sich nicht aus der Reserve locken. Währenddessen liegen die Kälber wieder in ihrer Gruppe, im Laufstall, herum. Sie sind gesättigt und schauen entspannt durch die Gegend. Was ihnen wohl den ganzen Tag so durch den Kopf geht?

Das Gesicht von ihrem Bauern Rüdiger Spiegel verzieht sich dagegen zwei Stunden später zu einem zufriedenen Lächeln. Er kommentiert es schwäbisch knapp mit zwei Wörtern: „Hat geklappt.“ In etwa 280 Tagen gibt es wieder Nachwuchs auf dem Talhof.

Eine Liste von Höfen, die mutterkuhgebundene Kälberaufzucht betreiben: welttierschutz.org/hofliste-mit-mutter-oder-ammengebundener-kaelberaufzucht

Weitere Informationen: www.provieh.de

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