Die Gefahr, die aus der Erde kommt
Radon Das Edelgas kann Gesundheitsschäden verursachen. In Baden-Württemberg stellt das Umweltministerium kostenlos Messdosen zur Verfügung. Die werden nach einem Jahr ausgewertet.
Die Vorstellung ist schon ein bisschen gruselig: Ein radioaktives Gas dringt durch Ritzen und Spalten im Kellerboden ins Haus ein, verteilt sich unbemerkt in Kellerräumen und oberen Geschossen, es reichert sich an und kann der Gesundheit schaden. Wobei die Betonung auf „kann“ liegt. Das muss nicht sein. Radon ist ein radioaktives Edelgas, das überall in Baden-Württemberg vorkommt, allerdings mit erheblichen regionalen Unterschieden. Wer das Gas in erhöhter Konzentration über lange Zeit regelmäßig einatmet, kann an Lungenkrebs erkranken.
„Nach dem Rauchen zählt Radon zu den wichtigsten Ursachen von Lungenkrebs“, schreibt das Umweltministerium Baden-Württemberg in einer Pressemitteilung. Weil das Gas mit den menschlichen Sinnen nicht wahrnehmbar ist, ist seine tatsächliche Konzentration in Gebäuden meist unbekannt. Radon kann aber gemessen werden. Deshalb hat das Umweltministerium eine Neuauflage des Radon-Messprogramms gestartet und stellt kostenlos Messdosen zur Verfügung.
Ein Jahr lang wird gemessen
Alle Bürgerinnen und Bürger, die ein Eigenheim oder eine Wohnung im Südwesten besitzen und diese selbst bewohnen, können sich nach Auskunft des Ministeriums zu dem Programm anmelden. Gemessen wird der Radon-Gehalt ein ganzes Jahr lang. Danach sollte die Messdose an die Messstelle zurückgeschickt werden, damit sie ausgewertet werden kann. Die Teilnehmer erhalten von der Messstelle „neben dem konkreten Radon-Wert auch eine Einordnung des Messergebnisses in Bezug darauf, ob dieses unter- oder oberhalb des gesetzlichen Referenzwertes liegt“, so das Ministerium auf Anfrage. Liegt der Messwert über dem vom Strahlenschutzgesetz vorgegebenen Referenzwert von 300 Becquerel pro Kubikmeter, empfiehlt es sich, das Gebäude zu sanieren.
Aber: „Allen Definitionen gemein ist, dass nicht erst bei Überschreitung des Referenzwertes gehandelt werden soll – Schutzmaßnahmen sind auch vorher sinnvoll“, heißt es auf der Internetseite des Bundesamts für Strahlenschutz.„Es gibt keinen Radonwert von dem gesagt werden kann, dass er ungefährlich ist“, meint Marc Ellinger aus Bernau im Südschwarzwald. Er ist Bauingenieur, seit 2020 Radon-Fachperson, und redet Klartext. Die Erfahrungen, die er in den vergangenen Jahren mit den unterschiedlichsten Radon-Konzentrationen in Gebäuden und den darin lebenden Menschen gemacht hat, haben ihn gelehrt, dass gesunde Menschen, die ständig niedrigen Radon-Konzentrationen ausgesetzt sind, trotzdem steinalt werden können. Er weist darauf hin, dass jeder Mensch mit jedem Atemzug Radon in sich aufnimmt.
Wie bei vielen Stoffen kommt es auf die Dosis an. Die kann in Gebäuden gesteuert werden. Voraussetzung dafür ist, zu wissen, wie hoch die Konzentration ist. „Die einzige Methode, das herauszufinden, ist die Radon-Messung.“ Deshalb empfiehlt er: „Leute, holt euch die Messdosen, die das Umweltministerium anbietet.“
Nach seiner Beobachtung ist das Problembewusstsein in Bezug auf Radon in den Köpfen der meisten Menschen noch nicht vorhanden. Das liege auch an der Politik, kritisiert er. 2018/19 sei das Thema mal kurz hochgekocht worden, danach aber nicht weiter verfolgt worden. Das Umweltministerium bestätigt Ellingers Beobachtung. „Insgesamt lässt sich feststellen, dass das Thema Radon und die damit verbundenen gesundheitlichen Risiken nur wenig bekannt sind“, informiert das Ministerium auf Anfrage. Dies zeige auch die kürzlich vom Bundesamt für Strahlenschutz veröffentlichte Studie „Was denkt Deutschland über Strahlung 2024?“. Ein Ergebnis der Studie sei, „dass der Anteil der Befragten, die gar nicht wissen, ob Radon überhaupt ein Risiko darstellt, von elf Prozent im Jahr 2022 auf neun Prozent im Jahr 2024 gesunken ist.“ Dieser Unwissenheit soll nach Auskunft des Umweltministeriums unter anderem mit der an der Landesanstalt für Umwelt (LUBW) eingerichteten Radon-Beratungsstelle abgeholfen werden. Dort läuft die Informationskampagne „Von Grund auf sicher“.
Bei mittleren und niedrigen Konzentrationen ist die oft einfachste Lösung, regelmäßig zu lüften. „Die frische Luft verdünnt das Radon und trägt es nach draußen“, erklärt Ellinger. Deshalb sei die Radon-Konzentration im Sommer in den Gebäuden meist niedriger als im Winter. Damit ist auch erklärt, warum die Messgeräte ein Jahr lang aufgestellt bleiben müssen: „Die Radonmenge in einem Gebäude unterliegt jahreszeitlichen Schwankungen“, informiert das Umweltministerium. Durch die einjährige Messperiode werden diese Schwankungen gemittelt.