Wird die AfD jetzt verboten?
Gutachten Der Verfassungsschutz stuft die Partei in einer mehr als 1100 Seiten starken Analyse als „gesichert rechtsextrem“ ein. Das hat Folgen.
Der Verfassungsschutz hat eine Neubewertung der AfD vorgelegt und stuft nun die gesamte Partei als gesichert rechtsextremistisch ein. Das wirft einige Fragen auf:
Wie begründen die Verfassungsschützer ihre Entscheidung? Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) stuft die AfD „aufgrund der die Menschenwürde missachtenden, extremistischen Prägung der Gesamtpartei als gesichert rechtsextremistische Bestrebung ein“. Die Behörde hatte nach eigenem Bekunden das Agieren der Partei an den zentralen Grundprinzipien der Verfassung zu messen: Menschenwürde, Demokratieprinzip und Rechtsstaatsprinzip. Ihr Fazit ist, dass das „in der Partei vorherrschende ethnisch-abstammungsmäßige Volksverständnis nicht mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung vereinbar“ sei. Es ziele darauf ab, bestimmte Bevölkerungsgruppen von einer gleichberechtigten gesellschaftlichen Teilhabe auszuschließen, sie einer nicht verfassungskonformen Ungleichbehandlung auszusetzen und ihnen damit einen rechtlich abgewerteten Status zuzuweisen. Das gelte speziell für Muslime.
Ist die AfD nun illegal? Die AfD-Bundespartei kann gegen die Einstufung als extremistische Bestrebung klagen und wird dies voraussichtlich tun. Zunächst kann die AfD ein Eilverfahren anstrengen, dann das Hauptsacheverfahren. Bis zur Rechtskraft kann es einige Jahre dauern. In erster Instanz ist das Verwaltungsgericht (VG) Köln zuständig, weil das Bundesamt für Verfassungsschutz seinen Sitz in Köln hat. Über eine Berufung entscheidet das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster und über eine Revision das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig. Ob die Einstufung des Verfassungsschutzes berechtigt ist, wird dabei umfassend geprüft.
Was bedeutet die Einstufung für die künftigen Wahlchancen? Die Einstufung durch den Verfassungsschutz soll in der öffentlichen Diskussion auch als Aufklärung und Warnung für die Wähler dienen. Die Wahl- und Umfrage-Ergebnisse der AfD sind aber trotz der Einschätzungen des Verfassungsschutzes gestiegen. In einer Forsa-Umfrage war die AfD jüngst im Bund mit 26 Prozent die stärkste Partei vor CDU/CSU (24 Prozent).
Wieso wurde die Entscheidung erst nach der Bundestagswahl veröffentlicht? An ihrem Gutachten haben die Verfassungsschützer lange gearbeitet. „Rund drei Jahre“ umfasse der Prüfungszeitraum, teilte die Behörde mit. Aber ausgerechnet, als im vergangenen Herbst die Fertigstellung näher rückte, zerbrach die Ampel, und es wurden Neuwahlen angesetzt. Eine Veröffentlichung kam deswegen nicht mehr infrage, zu groß wäre das juristische Risiko gewesen: Die AfD hätte womöglich die Bundestagswahl wegen Benachteiligung anfechten können.
Wenn die Einstufung der AfD als extremistische Partei in einigen Jahren rechtskräftig bestätigt sein sollte, so kann dies vor allem Auswirkungen auf AfD-Aktivisten haben. AfD-Mitglieder dürften Probleme bei der Einstellung in den öffentlichen Dienst bekommen, da hier das Gebot der Verfassungstreue gilt, wobei es auf den Einzelfall ankommt. AfD-Funktionäre müssen dann sogar mit Entfernung aus dem öffentlichen Dienst rechnen. Hiergegen können sie allerdings bei den Verwaltungsgerichten klagen.
Jens Spahn wollte eine normalisierte Zusammenarbeit mit Blick auf Parlamentsrechte. Kann es das jetzt noch geben? Der designierte Unionsfraktionschef Jens Spahn (CDU) hatte kürzlich dafür plädiert, mit der AfD bei organisatorischen Fragen im Bundestag so umzugehen wie mit anderen Oppositionsparteien. Eine „Normalisierung“ habe er damit aber nicht gefordert, betonte Spahn später, wollte sich am Freitag wiederum aber nicht zu den Folgen der BfV-Einstufung äußern. Spahns Unionskollegin Andrea Lindholz, frisch gewählte Bundestagsvizepräsidentin, erklärte: „Eine Wahl von AfD-Vertretern in repräsentative Funktionen wie das Bundestagspräsidium oder Ausschussvorsitze halte ich nun für kaum mehr denkbar.“
Kommt jetzt ein Verbotsverfahren und wie geht das? Für Noch-Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sind die Hochstufung der AfD durch den Verfassungsschutz und ein mögliches Parteiverbotsverfahren unabhängig voneinander zu betrachten. Es gebe bei einem Verbotsverfahren „aus guten Gründen sehr hohe verfassungsrechtliche Hürden“. Noch-Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) erklärte, das Verbot sei „eine Sache, die man nicht übers Knie brechen darf“. Auch CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann äußerte sich auf Anfrage sehr zurückhaltend: „Unsere Position zur AfD war, ist und bleibt gleich“, erklärte er. „Es wird keine Zusammenarbeit mit dieser Partei geben.“
Dagegen sagte Carmen Wegge (SPD), die in der vorigen Wahlperiode zusammen mit dem CDU-Politiker Marco Wanderwitz einen AfD-Verbotsantrag in den Bundestag eingebracht hatte, der Verfassungsschutz habe bestätigt, „was wir im Parlament schon lange sehen konnten. Als Abgeordnete sind wir meiner Meinung nach nun umso mehr verpflichtet darauf hinzuwirken, dass die AfD vom Bundesverfassungsgericht überprüft wird“.
Die Partei hätte womöglich die Wahl wegen Benachteiligung anfechten können.