Thomas Kreidler: „Ohne Brauchtum verkommt die Fasnet zur Sauferei“
Horber Fasnet Für seine Verdienste in der Brauchtumskommission wurde Kreidler vom närrischen Freundschaftsring als Ehrennarr ausgezeichnet. Er darf künftig den roten Kittel tragen.
Die Horber Fasnet ohne Thomas „Metze“ Kreidler? Fast undenkbar. Und so weit wird es auch nicht kommen. Aber Kreidler hat sich so langsam aus den Ämtern verabschiedet. Jetzt ist der 63-Jährige nur noch privat bei der Fasnet unterwegs. Für seinen langjährigen Einsatz in der Brauchtumskommission beim Närrischen Freundschaftsring wurde er davor aber noch zum Ehren-narr ernannt und darf nun künftig den roten Ringkittel tragen.
Hat er sich gefreut über die Auszeichnung? Kreidler lacht beim Gespräch mit der SÜDWEST PRESSE. Klar habe er sich gefreut: Aber warum muss es unbedingt ein roter Kittel sein und kein schwarzer? Damit falle man gleich auf wie ein bunter Hund und jeder wüsste, dass man sich nicht erst seit gestern für närrische Traditionen einsetzte. „Mit dem roten Kittel gehörst du zum alten Eisen.“
Zwei Ziele: Ringbuch und SWR beim Jubiläum
Aber Kreidler nimmt es mit Humor. Zwei Ziele habe er gehabt, als er vor 26 Jahren in die Brauchtumskommission eingetreten ist: Zum einen ein Ringbuch zum 40-jährigen Bestehen der Narrenzunft herauszubringen, das war 2008. Das zweite Ziel: Beim großen Ringtreffen-Umzug in Horb zur Jubiläumsfeier des 100-jährigen Bestehens der Narrenzunft im vergangenen Jahr den SWR mit ins Boot zu holen. Beides ist gelungen.
Das Ringbuch hat dem Närrischen Freundschaftsring Geld eingebracht, was er gut gebrauchen konnte, denn die Kassenlage war eher mau. „Ich bettle ungern“, sagt Kreidler. Das war dann vorbei. Das Ringtreffen in Horb 2024 mit dem SWR sollte Prestige bringen. Jahrelang hat Kreidler hart an dieser Sache gearbeitet, mit Oberbürgermeister Peter Rosenberger war er auch beim SWR vorstellig. „Die wollten das ganz kurzfristig entscheiden. Aber ein Jahr Vorlauf ist da nichts“, sagt Kreidler.
Er hatte mit seinem Werben beim SWR aber Erfolg: Das Ringtreffen zum 100-jährigen Bestehen der Narrenzunft Horb fand am 28. Januar 2024 bei bestem Wetter statt, rund 4500 Närrinnen und Narren und 8000 Zuschauer waren dabei, das Event wurde vom SWR live übertragen. Doch es kam zum Zwischenfall: Zwei als Hexen kostümierte Narren hatten eine SWR-Reporterin in die Zange genommen und sich mit ihr auf dem Boden gerollt. Die Frau, die für den SWR vor Ort berichtet hatte, befand sich dabei umklammert in der Mitte der beiden. „Es gibt schon blöde Menschen“, kommentiert Kreidler die unschöne Szene.
Brauchtum ist für Kreidler eng mit der Fasnet verknüpft. „Brauchtum ist alles Wiederkehrende, Rituale, Ortsbezogen“, sagt er. Fasnet-Tourismus habe zwar auch ihre Berechtigung, um andere Narrenzünfte kennenzulernen, sie für einen Umzug zu gewinnen, mit Brauchtum habe das aber nichts zu tun. Brauchtum bei der Horber Fasnet sind für ihn die drei Veranstaltungen auf dem Marktplatz: Maskenabstauben, Schlüsselübergabe und Fasnetverbrennung. Die Horber Fasnet hat aber auch karnevalistische Wurzeln, das Grafenpaar und der Narrenrat sind Überbleibsel aus dieser Zeit, so wie die Saisoneröffnung mit der Vorstellung des neuen Grafenpaars um den 11.11.
Die jüngeren Zünfte können da nicht mithalten. „Bei einer zehnjährigen Narrenzunft: Wo soll da das Brauchtum herkommen?“, fragt Kreidler. Die neuen Zünfte bestehen vor allem aus Hexen. „Hexen in der schwäbisch-alemannischen Fasnet sind aber Quatsch. Weißnarren, Schantle, Tierfiguren haben Tradition, Hexen nicht“, betont Kreidler. Eine Narrenzunft wie Horb mit ihrer über hundertjährigen Tradition müsse daher das Brauchtum hochhalten. „Ohne Brauchtum verkommt die Fasnet zur reinen Sauferei“, sagt er.
Mit der Wahl zum Grafenpaar fing alles an
Dabei hätte er vor 30 Jahren nicht gedacht, dass er sich mal so für die Fasnet einsetzt. Kreidler ist gebürtiger Horber, als Kind war er bei den Stäpfeleshopsern, dann war aber jahrelang nichts mehr mit dem närrischen Treiben. Bis 1995 Zunftmeister Achim Hierath und Hans Kronenbitter bei ihm und seiner Frau Sabine auftauchten, um sie als Grafenpaar zu gewinnen. „Ich sagte zu den beiden: Ich tät‘s ja machen. Aber ihr müsst Sabine überzeugen“, erzählt er im Rückblick. Sein Kalkül: „Ich war mir 1000-prozentig sicher, dass Sabine es nicht macht.“ Kreidler hatte sich allerdings getäuscht. Seine Frau stimmte zu – und Kreidlers Laufbahn bei der Narrenzunft begann.
Den Eröffnungsball zur Show umgewandelt
Denn nach der Saison als Grafenpaar zog er Bilanz. Es hat ihm gefallen, aber zwei Dinge sind ihm aufgefallen: Der damalige Hofmarschall Peter Kramer habe sich bei jedem zweiten Satz verlesen und beim Eröffnungsball wurde ein Riesen-Aufwand betrieben, die Halle war aber immer nur halb voll. So sagte Kreidler zu Hierath: „Ich könnte mir vorstellen, das Amt des Hofmarschalls zu übernehmen und den Eröffnungsball zu organisieren.“ So geschah es dann.
23 Jahre hat Kreidler den gelb-grünen, mit silbergrauen Borten verzierten Umhang des Hofmarschalls getragen, bis er das Amt 2018 an Daniel „Dany“ Wagner abgab. Er hat diesen Job mit Leidenschaft und Herzblut ausgeübt. Kreidler, inzwischen Citymanager bei der Stadt Horb, war damals klar, dass er sein närrisches Amt an einen geeigneten Nachfolger weitergeben muss, denn seine oft recht spitzfindig glossierten Spitzen über die „Faulenzer von der Verwaltung“ konnte er nun ja nicht mehr anbringen. Zudem war es auch Zeit für einen neuen Narren in diesem wichtigen Amt.
Der Eröffnungsball hat Kreidler auch zu seinem jetzigen Erfolg verholfen. „Die Akteure waren schon immer gut. Aber die Show musste mehr in Szene gesetzt werden“, sagt er. Zuerst wurden mithilfe von Peter Gayer Beleuchtungseffekte eingesetzt, später kamen Videos dazu. Eigentlich war die Videoleinwand dazu gedacht, das Geschehen auf der Bühne für die hinteren Reihen zu übertragen. Doch dann wurde das Format auch für andere Videos benutzt, wie eine Liveschaltung von Alexander „Locke“ Guth vom Marktplatz in die Partnerstädte Salins-les-Bains und Haslemere. Die anfänglichen Ressentiments gegen die Videos waren wie weggeblasen.
Doch wie gesagt, jetzt ist Kreidler nur noch privat bei der Fasnet unterwegs. Als er den Hofmarschalltitel 2018 abgab, wurde er Gruppensprecher der Kropfer, um diese Figur wieder „mehr nach oben zu bringen“, wie er sagt. Letztes Jahr hat er auch dieses Amt an seinen bisherigen Vize Tobias Sontheimer weitergegeben. „Ich bin jetzt ein normales Mitglied bei der Narrenzunft“, sagt er.
In der vergangenen Fasnetssaison ist er bei jedem Umzug als Kropfer mitgelaufen, nur nicht in Dettingen, da war er Wahlhelfer bei der Bundestagswahl. Er geht auch zu Abendveranstaltung als Kropfer, auch wenn das Weißnarren-Häs darunter leiden könnte, vor allem, wenn bei anderen Gästen Asbach-Cola mit im Spiel ist. Aber er ist mit Leidenschaft Kropfer und vor allem genießt er jetzt eins: „Seit ich nicht mehr zur Fasnet muss, sondern es freiwillig mache, macht es mir viel mehr Freude“, sagt er und grinst.