Die Nomaden der Neuzeit?

Münsingen Sinti und Roma leiden seit Jahrhunderten unter Vorurteilen. Seit vergangener Woche stehen Wohnwagen beim Freibad. Das sagt die Stadt dazu.

Sprache beeinflusst, wie wir denken. Aufgrund dieser Annahme entstand ein zunehmend größer werdender Diskurs im 21. Jahrhundert. Zuerst waren es die „Negerküsse“, dann kam die Frage nach dem richtigen Gendern, und aktuell wird diskutiert, ob vegane Wurst nicht vielleicht doch besser „Vurst“ genannt werden sollte. Viele Menschen rebellieren gegen eine Weiterentwicklung der Sprache – es stört sie, weil sie anders sozialisiert wurden. Ob berechtigt oder nicht sei einmal dahingestellt, sicher gibt es wichtige und augenscheinlich weniger relevante Diskussionen.

Berechtigt sind zumindest die Fälle, in denen Personengruppen offensichtlich darunter leiden, so der politische Konsens. Eine dieser Diskussionen betraf das „Zigeunerschnitzel“, eine scheinbar harmlose Bezeichnung für eine leckere Mahlzeit. Mittlerweile ist das Essen in der Gastronomie bekannt als „Schnitzel ungarischer Art“ und wurde von dem vorurteilsbehafteten und diskriminierenden Begriff „Zigeuner“ befreit.

Roma meiden die Öffentlichkeit

Spuren dieser Voreingenommenheit finden sich auch heute noch in der Gesellschaft, was zeigt, dass es mehr bedarf als nur das Ändern eines Begriffs, um existierende Vorurteile, die jahrhundertelang galten, aus der Welt zu schaffen.

Schon alleine die bloße Existenz des Begriffs „Antiziganismus“, der sich auf den Hass gegenüber Sinti und Roma bezieht, suggeriert, wie tief diese Vorurteile sitzen. Das hat sich auch in der Praxis bestätigt, denn aktuell campieren Roma hinter dem Freibad auf dem oberen Parkplatz in Münsingen. Niemand von ihnen war bereit dazu, ein Interview mit der Südwest Presse zu führen und alle antworteten mit mehr oder minder denselben Aussagen: „Ihr wollt nichts Böses? Das haben wir schon oft gehört. Keine Presse.“

Verwurzelt seit 15. Jahrhundert

Ursprünglich stammen die Roma aus dem Nordwesten von Indien, oft müssen sie sich allerdings selbst als türkisch oder kroatisch ausgeben, um beispielsweise eine Wohnung finden zu können. Denn nicht alle Roma leben ein nomadisches Leben, wie oft vermutet wird. Einige Roma wohnenallerdings tatsächlich nomadisch und wechseln oft ihren Standort – sie verbindet die gemeinsame Sprache Romani.

Um das Jahr 1400 flohen sie aus dem südosteuropäischen Raum vor den türkischen Eroberern, teilweise auch ins heutige Deutschland. Dort entstand das Fabelwesen des „Zigeuners“, eher Tier als Mensch, mit einer fremden orientalischen Kultur, die im Kaffeesatz liest. Kriminelle Vorboten des Weltuntergangs, denen das Sesshaftwerden oft untersagt wurde. Die Machthaber machten aus den Roma einen Sündenbock, der von gesellschaftlichen Missständen ablenken sollte. Im 19. Jahrhundert verschärfte sich diese Ansicht, Roma werden systematisch ausgegrenzt und zu einem Verhalten gezwungen, welches ihnen von der Gesellschaft im Gegenzug vorgeworfen wurde. Eine Spirale, die im Nationalsozialismus ihren Höhepunkt fand.

Keine negativen Erfahrungen

Seit vergangener Woche steht die Handvoll Wohnwagen abseits am Waldrand, zurückgezogen und isoliert vom Rest der Gesellschaft. Die einzigen Berührungspunkte mit Münsingen bekommen sie durch Hausieren und die gelegentliche Dusche im Freibad. „Das ist seit vielen Jahren das erste Mal, dass Roma einen Aufenthalt bei uns angemeldet haben“, erklärt Bürgermeister Mike Münzing. Es habe aber auch Phasen gegeben, in denen es mehrmals im Jahr vorkam, erzählt er. Im Rathaus werden dann gemeinsame „Spielregeln“ definiert, neben der Platzsuche wird festgelegt, welche Kaution zu zahlen ist oder wie mit Müll umgegangen wird, so Münzing.

„Wie lange sie bleiben wollen, definieren sie oft selber. Daran wird sich auch gehalten“, weiß der Bürgermeister. Oft sind es nur wenige Wochen, weil sie schnell feststellen, dass der Markt hier bedient ist, sagt Münzing. Denn die Roma sind auf Hausieren angewiesen, mit ihrem Beschäftigungsnachweis in Form einer Reisegewerbekarte bleibt ihnen nichts anderes übrig, als vom Tageslohn zu leben. Neben ihren Wohnwagen haben sie Werkbänke aufgebaut, an denen hölzerne Fensterläden abgeschliffen und neu gestrichen werden. Einen tieferen Einblick in ihre sonstigen Tätigkeiten wurde der Südwest Presse nicht gewährt.

„Sie stellen zwar einen Ansprechpartner, aber in der Vergangenheit kam es sehr selten zu Problemen“, erinnert sich Münzing. „Wenn es etwas wärmer wäre, würden sie bestimmt länger bleiben“, scherzt er. Immerhin gibt es in der Nähe ein Freibad, in dem sie warm duschen können. Für vier statt den üblichen fünf Euro Eintritt bieten die Bäder einen Duschtarif an, der von allen Gästen ganzjährig genutzt werden kann. „Aktuell kommen die Roma, aber regelmäßig haben wir Fernfahrer und Montagearbeiter zu Gast“, erklärt der Leiter der Bäder Andreas Moll.

Zwischen Klick und Kompass

Ausflug Die Wanderschuhe sind geschnürt, doch wohin geht’s? In Münsingen zeigt sich: Die gute alte Karte hat noch nicht ausgedient.

Münsingen. Wer neue Pfade und unbekannte Regionen erkunden möchte, braucht eine Orientierungshilfe. Mehr als 45 Millionen Menschen weltweit setzen dabei inzwischen auf die Outdoor-App Komoot – nicht nur zur Navigation, sondern auch zur Inspiration und zur Planung ihrer nächsten Abenteuer in der Natur. Doch stellt sich die Frage: Hat die gute alte Wanderkarte aus Papier damit endgültig ausgedient?

Reiseziele im Wandel

„Das ist Typsache“, sagt Beate Betz, Filialleiterin der Münsinger Buchhandlung Finkeria. Manche bevorzugen das Smartphone, andere greifen lieber zur klassischen Print-Version. Vor Ort habe man stets aktuelles Kartenmaterial vorrätig, wobei die Nachfrage in den Ferienzeiten besonders hoch sei. Während diese in den Corona-Jahren stark gestiegen sei, habe sie sich inzwischen wieder etwas gelegt. Das liege aber auch an den Reisezielen, erklärt Betz. Derzeit seien Auslandsreisen wieder beliebter. „Jüngere Leute werden eher nicht auf Kartenmaterial zurückgreifen“, so Betz. Zu ihrer Klientel gehören Radfahrer ebenso wie Wanderer.

Nach wie vor möchten sich viele Menschen nicht völlig abhängig von der Technik machen. Was passiert, wenn der Akku des Handys plötzlich leer ist, und wie geht‘s weiter, wenn der Empfang plötzlich weg ist? Dies ist auf der Albhochfläche immerhin keine Seltenheit. Hinzu kommt das ständige aufs Mobil-Telefon-Schauen, was eine echte Ablenkung vom Naturerlebnis darstellt. Darüber hinaus gibt es Datenschutzbedenken, da Standorte oft gespeichert werden, sowie zahlreiche kostenpflichtige Funktionen. Daher setzen gerade ältere Ausflügler auf die bewährte Art und Weise, die einen Überblick bietet und ganz ohne neue Technologien funktioniert.

Knackige Infos gewünscht

„Die herkömmlichen Wanderkarten mit Maßstab laufen nach wie vor“, berichtet Silke Maier von der Touristik-Information in Münsingen. Doch der Trend geht ganz klar in eine andere Richtung. Infobroschüren mit Kartenausschnitten sind sehr gefragt. Besonders beliebt sind derzeit die Beschreibungen der „Hochgeh-Berge“ in praktischer Ringbuchform. Vor diesem Hintergrund hat das Team auch die lokalen Wanderwege auf Papier gebracht. Wichtige Informationen zu Parkplätzen, Länge und Dauer, Schwierigkeitsgraden sowie Einkehrmöglichkeiten sind so auf einen Blick verfügbar. Stolze 30.000 Exemplare der Broschüre „Wander-Touren“, die die zehn schönsten Touren auf Münsinger Gemarkung enthält, werden jedes Jahr gedruckt.

Ein Konzept, das insbesondere an Wanderparkplätzen sehr gut funktioniert. Dort gibt es Infotafeln, die den Standort und den Streckenverlauf zeigen. Außerdem stehen an insgesamt 24 Wanderparkplätzen Plastikboxen mit kostenlosem Infomaterial zur Verfügung.

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