Lohngefälle besteht weiter
Einkommen 2025 arbeiten Ostdeutsche ab dem 16. Oktober rein rechnerisch kostenlos, sagt der Deutsche Gewerkschaftsbund.
Berlin. 35 Jahre nach der Wiedervereinigung werden in Ostdeutschland noch andere Löhne als im Westen gezahlt – oftmals deutlich niedrigere. Der Unterschied ist im Schnitt sogar so deutlich, dass die Ostdeutschen ab dem 16. Oktober bis zum Jahresende rein rechnerisch unbezahlt arbeiten, kritisiert der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB). Die Lohndifferenz von Vollzeitbeschäftigten in West und Ost beträgt rund 21 Prozent beziehungsweise 13.374 Euro brutto im Jahr, wenn man die durchschnittlichen Gehälter samt Sonderzahlungen wie Weihnachts- und Urlaubsgeld vergleicht.
Das geht aus Daten des Statistischen Bundesamtes hervor, die der DGB ausgewertet hat und die dieser Zeitung exklusiv vorliegen. Demnach erhalten Vollzeitbeschäftigte im Osten im Schnitt 50.625 Euro, im Westen 63.999 Euro.
Weil 21 Prozent des Jahres 76 Tagen entspricht, fällt der „Ost-West-Lohnlückentag“, wie der DGB es nennt, 76 Tage vor Jahresende auf den 16. Oktober. 2024 war der Unterschied etwas geringer, auch weil keine Sonderzahlungen ausgewertet wurden, und der Lückentag fiel auf den 22. Oktober.
Experten erklären die Lohndifferenz mit unterschiedlichen Faktoren; im Osten gebe es mehr kleine Betriebe, gut bezahlte Jobs in derselben Branche fänden sich eher im Westen und im Osten arbeiteten weniger Menschen nach Tarifvertrag. Auch die Datenauswertung des DGB zeigt, dass eine Beschäftigung nach Tarif deutliche Lohnvorteile bringen kann. Im Westen beträgt der Vorteil im Schnitt 526 Euro pro Monat, im Osten verdienen tarifgebundene Vollzeitbeschäftigte durchschnittlich sogar 718 Euro mehr als nicht-tarifgebundene. Am geringsten ist der Vorteil in Brandenburg mit 680 Euro, danach kommt Mecklenburg-Vorpommern mit 711 Euro, in Sachsen-Anhalt sind es 718 Euro, in Sachsen 734 Euro, Spitzenreiter ist Thüringen mit 740 Euro.
Weil die Tarifbindung seit Jahren abnehme – im Westen beträgt sie nur noch 50 Prozent, im Osten nur noch 42 Prozent – „ist es höchste Zeit, dass der Bundestag ein starkes Signal für mehr Tarifbindung setzt, indem er zügig ein wirksames Bundestariftreuegesetz beschließt“, sagte DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell dieser Zeitung. Öffentliche Aufträge des Bundes sollen dadurch nur an Unternehmen gehen, die Tariflöhne zahlen. Für Körzell „ein entscheidender Schritt, um Tarifbindung zu stärken und fairen Wettbewerb sicherzustellen.“ Der Staat dürfe kein Lohndumping finanzieren. „Öffentliche Gelder müssen an gute Arbeit gebunden sein – nicht an den billigsten Anbieter.“
Körzell fordert zudem eine Nachschärfung des Regierungsentwurfs im parlamentarischen Verfahren, der Schwellenwert von 50.000 Euro schließe zu viele Aufträge aus, auch Ausnahmen für Beschaffungen für die Bundeswehr, Sicherheitsbehörden und Lieferleistungen stören ihn. Ebenso brauche es ein „wirksames Kontrollregime“.