Haushalt am absoluten Limit

  • So soll der Neubau des Landratsamts Reutlingen einmal aussehen – rund 42 Millionen Euro sind dafür im neuen Doppelhaushalt des Landkreises eingeplant. Riehle und Assoziierte

Kreis Reutlingen Rekordhaushalt und leere Kassen: Der Kreis Reutlingen muss mehr Geld ausgeben als je zuvor – und stößt damit an seine Grenzen.

Der Landkreis Reutlingen legt einen Doppelhaushalt vor, der alles sprengt, was es bisher gab – und doch kaum Handlungsspielraum lässt. 604 Millionen Euro stehen 2026 im Etat, 598 Millionen Euro 2027. Ein Rekord, den niemand feiern mag.

„Eine Situation, die schwieriger nie war“, sagte Landrat Dr. Ulrich Fiedler vor der Einbringung des Doppelhaushalts im Kreistag. Er spricht von einer „desaströsen Lage“, die nur mit einem klaren Signal an Land und Bund zu bewältigen sei: „Wir brauchen eine andere Politik, um unsere Aufgaben noch erfüllen zu können.“

Um überhaupt noch einen ausgeglichenen Haushalt zu erreichen, hebt der Kreis die Umlage um vier Punkte auf 37 Prozent an – den zweithöchsten Satz überhaupt in der Geschichte des Kreises. Für Städte und Gemeinden bedeutet das: 213,9 Millionen Euro müssen sie 2026 an den Kreis überweisen, 34 Millionen Euro mehr als bisher. 2027 bleibt der Satz gleich, die Summe steigt dennoch weiter auf 220,3 Millionen Euro.

Auch Kreiskämmerer Wolfgang Klett nennt das eine „katastrophale Ausgangslage“. In den vergangenen drei Jahren hat der Kreis Verluste von über 21 Millionen Euro angehäuft. „Die Taschen sind leer“, sagt er. Die Ausgaben steigen rasant – vor allem durch gesetzliche Verpflichtungen. Klett formuliert es offen: „Kürzen, schieben, strecken, streichen – das war das Motto für diesen Doppelhaushalt.“

Das Ergebnis: Eine Verschuldung auf Rekordniveau für den Kreis Reutlingen. 30 Millionen Euro neue Kredite sind 2026 vorgesehen, zehn Millionen 2027. Ende 2027 liegt der Schuldenstand für den Kreis bei über 174 Millionen Euro. Erst ab 2028 soll keine neue Verschuldung mehr hinzukommen. Zwischenzeitlich fällt die Liquidität unter die gesetzliche Mindestgrenze.

Der Ergebnishaushalt 2026 weist zwar ein leichtes Plus von rund 900.000 Euro aus, 2027 soll ebenfalls knapp ausgeglichen bleiben – ein rechnerisches Gleichgewicht, das nur durch Verschiebungen und Sparmaßnahmen erreicht wird. „Wir haben versucht, die Bürgerinnen und Bürger zu verschonen, es so wenig wie möglich spürbar zu machen“, sagt Fiedler. Doch irgendwann seien die Grenzen erreicht.

Straßenbeläge würden erstmal nicht erneuert, Investitionen geschoben, Sanierungen vertagt. In den vergangenen Jahren sei vieles auch wegen des Neubaus des Landratsamts zurückgestellt worden.

Noch hält der Kreis an der Planungssicherheit fest. Die geplante Erhöhung der Kreisumlage soll bis 2029 Bestand haben. Doch schon jetzt deutet sich an, dass diese Entwicklung nur mit Einschnitten zu erreichen ist. Freiwillige Leistungen – Fiedler nennt etwa Schwimmbäder, Bibliotheken, Kulturförderung – stehen zur Diskussion. „Diese Dinge dürfen niemals leichtfertig geopfert werden“, warnt der Landrat. „Aber sie kommen auf den Prüfstand.“

Auch für Familien dürften die kommenden Jahre teurer werden. In einer Vorlage für den Kreistag schlägt die Verwaltung vor, die Eigenanteile bei der Schülerbeförderung deutlich zu erhöhen – erstmals auch für Grundschülerinnen und Grundschüler. Hintergrund ist das steigende Defizit in diesem Bereich.

Lange Liste an Investitionen

Gleichzeitig wächst der Investitionsbedarf im Kreis. 56,7 Millionen Euro fließen 2026 in Projekte, 31,2 Millionen im Folgejahr. Der Schwerpunkt liegt auf Bildung, Gesundheit und Infrastruktur – 17 Millionen Euro fließen in den zwei kommenden Jahren insgesamt in die Schulen, acht Millionen in den Gesundheitssektor. Für den Neubau des Landratsamts sind 42 Millionen Euro eingeplant.

Fiedler betont, dass der Kreis ein Viertel aller staatlichen Aufgaben erfülle, aber nur rund 15 Prozent der Steuereinnahmen erhalte, um dies zu finanzieren. Das müsse sich ändern. Der Landrat fordert von Land und Bund eine bessere Finanzierung und deutlich weniger Bürokratie. Sein Leitmotiv lautet: „Einfach machen“, auch im Sinne von: einfacher machen.

Die Landkreisfinanzen sind eine große, offene Wunde. Und die sollen wir mit einem Pflaster behandeln. Dr. Ulrich Fiedler, Landrat des Kreises Reutlingen

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