Hintergrund Welchen Einfluss hat der Klimawandel auf den Tennissport? Trainer und Spieler Benjamin Genähr vom TV Reutlingen über Veränderungen und Timing.
Es ist und bleibt alles eine Frage des Timings. „Nicht nur Tennis als Sportart prinzipiell“, sagt Benjamin Genähr, Trainer beim TV Reutlingen und TC Markwasen, und fährt sich durch den Bart, „sondern ganz grundsätzlich, wenn wir darüber sprechen, wie wir in der Zukunft Tennis spielen wollen. Das Klima hat sich verändert, und wir alle stellen fest, wie sich dadurch auch dieser Sport verändern wird und muss.“ Lange drum herumreden, das ist nicht Genährs Art. Zumal er durch die vielen hundert Stunden, die er in diversen Vereinen und auf deren Anlagen verbracht hat, die Veränderungen sehen kann. Extreme Hitze im Wechsel mit den Stürmen und Regenfall verlangen den Tennisanlagen und den Verantwortlichen einiges ab.
Schön geschmeidig bleiben
Und dabei ist ein Outdoor-Sandplatz schon ohne klimatische Kapriolen weder leicht noch billig zu unterhalten. Beim TV Reutlingen und TC Markwasen sind insgesamt 32 Sandplätze in Benutzung. „Die Plätze bestehen aus unterschiedlichen Schichten. Empfohlen ist, dass Vereine ihre Plätze in regelmäßigen Abständen vor der Sommersaison grundsanieren lassen“, erklärt Genähr. Das müsse ordentlich gemacht werden, denn der Belag ist im Tennis ein entscheidender Faktor. Ordentlich bedeuten in diesem Fall Kosten von 800 bis 1000 Euro pro Platz. Outdoor-Tennisplätze haben in diesen Breitengraden ein schwieriges Verhältnis zum Wasser, so Genähr.
Ein Platz, der nicht regelmäßig – also je nach Hitze täglich – gewässert wird, ist innerhalb kürzester Zeit unbespielbar. „Die Schichten bilden dann keine Einheit mehr, sie fallen regelrecht auseinander. Übrig bleibt ein Untergrund wie an einem Sandstrand, der Platz ist komplett ruiniert“, führt der Vereinsfunktionär aus. Gewässert wird beim TVR entweder mit den 30.000 Litern, die in die Zisterne passen – oder eben mit teurem Leitungswasser, wie Benjamin Genähr zerknirscht zugibt. „Die Sache mit dem Wasser beschäftigt mich, ich habe deswegen oft schon ein schlechtes Gewissen.“ Diese Art des Wasserverbrauchs sei in Zeiten von globaler Wasserknappheit einfach nicht mehr angemessen.
„Sofern es den Vereinen hier finanziell und personell möglich ist, sollten wir auf Beläge umrüsten, die nicht mehr so viel Wasser brauchen“, regt der A-Lizenz-Trainer an. Eine Möglichkeit sei der bei Tennisspielern nicht übermäßig populäre Kunstrasen. Andere, die eher in die Sand-Richtung gehen, werden beständig entwickelt und ausgetestet. Südliche Länder, denen das Klima schon viel länger die Abläufe diktiert, seien da schon weiter. Ganz ohne Probleme sind aber auch die alternativen Hartplatzbeläge nicht. „Einige der Materialien, die da im Test sind, heizen sich sehr auf. In der prallen Sonne kommt dann die Hitze, der ein Mensch ausgesetzt ist, also nicht mehr nur von oben. Und mit Überdachungen und Hitzeschutz sind wir auch noch hinterher“, gibt Genähr zu bedenken, selbst jemand, der im Sommer Stunde um Stunde draußen auf dem Platz steht. Schattenplätze und Rückzugsmöglichkeiten sind in Reutlingen tatsächlich nur im Bedarfsfall im Einsatz. Es werden, beispielsweise an Spieltagen entsprechend Pavillons für die Teams und die Fans aufgestellt.
Lange Sommer, späte Spiele
Daher geht Genähr noch von einer anderen Entwicklung aus: „Ich glaube, dass wir uns langfristig den Lebensrhythmus aneignen werden, wie er in heißen Ländern ist. Wir spielen früher und später am Abend im Sommer, wenn es draußen unbedenklicher ist“, erklärt er seine Überlegungen. Zudem teilen sich dann auch Winter- und Sommersaison neu ein. Wenn es im März schon warm genug ist und es zudem bis in den mittleren Herbst möglich ist, würden Outdoor-Plätze länger in Benutzung sein. Es liege nicht nur daran, dass sich die Umgebung und die Sportanlagen ändern, ist sich Genähr sicher: „Das ist zu einfach gedacht. Es gibt viele Stellschrauben und in allen anderen Lebensbereichen müssen wir uns auch umstellen, da darf der Sport nicht außen vor sein.“ Dass Tennisvereine sich vermehrt mit den Anschaffungskosten von Flutlichtanlagen auseinandersetzen müssen, sei nur eine Frage der Zeit.
Doch, was wird nun aus Tennis? „Ich erinner’ mich noch, dass ich als Jugendlicher mal was von einem Ozonloch gehört hab“, sagt Genähr und schmunzelt bei dem Gedanken. Damals habe er das nicht einzuordnen gewusst, doch inzwischen „spielt das Wetter einfach verrückt. Wir stecken mit der Mannschaft in der zweiten Bundesliga mitten im Abstiegskampf und müssen alle halbe Stunde zwischen Halle und Platz wechseln“, stellt er mit Kopfschütteln fest. Erst schwüle Hitze, dann so viel Regen, dass innerhalb von nur wenigen Minuten die Plätze unter Wasser stehen. So extrem wie in dieser Saison habe er das noch nie erlebt. Aber unterm Strich, und das betont er, sei immer noch Tennis gespielt worden. Der Sport liegt so vielen Menschen am Herzen, die nicht verzichten wollen. Da seien eben die Tugenden wichtig, die auch auf dem Platz zählen: gutes Timing, flexibles Denken und geduldige Zielstrebigkeit.