Armee im Dienst des Anführers

USA Präsident Donald Trump und sein Kriegsminister Pete Hegseth stellen die Weichen für eine militärische Autokratie, in der Trump allein Einsätze seiner Truppen anordnen könnte.

Als Pentagon-Chef Pete Hegseth vor wenigen Wochen den ranghöchsten Offizieren aus aller Welt befahl, an einer Krisensitzung auf dem Marinestützpunkt Quantico bei Washington teilzunehmen, herrschte Ratlosigkeit: Was kann so wichtig sein, dass für jene, die an der US-Westküste, in Europa oder gar in Asien stationiert sind, eine virtuelle Schaltung nicht genügt?

Zwar beherrschte die dramatische Inszenierung seines Auftritts die Schlagzeilen, Hegseths Kritiker haben aber unterschätzt, dass Amerikas neuer „Kriegsminister“ ein klares Ziel verfolgte: Er bereitet den Weg in eine militärische Autokratie, in der sämtliche Macht auf den Oberbefehlshaber der Streitkräfte übertragen wird. Und das ist kein Geringerer als US-Präsident Donald Trump.

Mit lauter Stimme, Körpersprache und Übertreibungen, die an Trumps Wahlkampfveranstaltungen erinnerten, nutzte Hegseth den Anlass, um eine neue Militärdoktrin zu verkünden. Demnach gehören politische Korrektheit, soziale Gerechtigkeit, „ideologischer Müll“ und eine unnötig aufgeblähte Bürokratie der Vergangenheit an. Ideen, die an moderne Autokratien erinnern.

Das gilt auch für die Entlassung uniformierter Anwälte, sogenannter JAGs, die an der Rechtmäßigkeit von Trumps Militäraktionen zweifeln. Oder die neue Vorschrift, wonach Journalisten Artikel vor der Veröffentlichung mit dem Pentagon abzusprechen haben. Kritiker sehen darin Elemente einer Gleichschaltung der Medien. Dass bei Soldaten keine Bärte und nicht einmal leichtes Übergewicht geduldet werden, sei ein gefährlicher Auswuchs des Kulturkampfs und der Absage an die „Woke“-Bewegung.

Experten warnen aber vor der noch gefährlicheren politischen Komponente des Auftritts: der Abschaffung „unnötiger und lästiger Regeln“ für militärische Einsätze. Im Klartext: Die Regierung soll vor solchen Missionen künftig nicht mehr die Zustimmung des Kongresses einholen müssen. Zudem sollen die neuen „Einsatzregeln“ der US-Streitkräfte auf „gesundem Menschenverstand“ und dem Konzept der „maximalen Tödlichkeit“ beruhen.

Der demokratische Kongressabgeordnete Seth Moulton erklärte, dass „Hegseth im Grunde die Strukturen von Streitkräften in Diktaturen wie Nordkorea und Russland beschrieben“ hat. Moulton, ein Veteran des Irakkrieges und ehemals enger Berater von General David Petraeus, zieht daraus eine beunruhigende Schlussfolgerung: „Hegseth politisiert damit nicht nur die Streitkräfte, er schickt sich an, eine militärische Autokratie aufzubauen.“

Unterdessen manifestiert sich die Entwicklung bereits im politischen Tagesgeschäft. Anfang September hat der Präsident seinen Verteidigungsminister per Dekret zum „Kriegsminister“ umbenannt. Der erste US-Kriegsminister diente unter Präsident George Washington in tatsächlichen Kriegszeiten, nämlich während der Revolution gegen die britische Kolonialmacht vor 250 Jahren. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Bezeichnung abgeschafft.

Dass Trump damit auf den möglichen Eintritt der USA in einen Krieg anspielt, bestreitet das Weiße Haus, doch schon am Tag des Dekrets schritt Trump zur Tat. Er ordnete vor der Küste Venezuelas die Bombardierung eines Bootes an, das angeblich Drogen in die USA schmuggeln sollte, wobei elf Menschen starben. Eine Aktion, die laut Verfassung der Kongress hätte autorisieren müssen. Trumps Rechtfertigung: Die Drogenkartelle seien Terrororganisationen. Damit sei die nationale Sicherheit der USA gefährdet und die Umgehung des Kongresses völlig legitim.

Rechtfertigung konstruiert

Das sehen Experten anders. Nach Überzeugung von Michael O‘Hanlon, der bei der Brookings Institution für sicherheitspolitische Fragen zuständig ist, werde Trump bei jeder eigenhändigen militärischen Intervention eine Rechtfertigung konstruieren. „Zwar mag das Prinzip einer formalen Kriegserklärung altmodisch klingen“, sagt O‘Hanlon. „Gleichwohl sollten wir das Prinzip beibehalten, dass demokratische Institutionen – in diesem Fall der Kongress – ihr Mitspracherecht ausüben können.“

Von derartigen Appellen lässt sich Trump aber nicht aus der Bahn werfen. Dies zeigt sich auch an der umstrittenen Entsendung der Nationalgarde in demokratisch regierte Städte wie Washington, D.C., Chicago und Portland. Dabei verbietet der „Posse Comitatus Act“ dem Präsidenten, Soldaten auf US-Staatsgebiet einzusetzen. Auch hat er ohne Autorisierung iranische Nuklearanlagen attackiert. Und was kommt als Nächstes? In Regierungskreisen wird gemunkelt, dass Trump mit einem Einmarsch in Venezuela liebäugelt, um Präsident Nicolas Maduro zu entmachten. Da der Kongress dafür niemals grünes Licht geben würde, dürfte das ebenfalls ein Alleingang werden – Verteidigungs- oder eben „Kriegspolitik“.

Waffenruhe in Gefahr

Nahost-Konflikt Die Hamas demonstriert mit Hinrichtungen brutal ihre Macht. Parallel spitzt sich der Streit zwischen Israel und der Terrororganisation um die Rückgabe der Geisel-Leichen zu.

Mehrere Männer, die Augen verbunden, knien am Boden, umringt von Zuschauern, die jubeln und pfeifen. Maskierte Vermummte, einige davon mit dem Stirnband der Hamas, richten Kalaschnikows auf die Knienden – und drücken ab. Ein Mann nach dem anderen fällt vornüber in den Staub.

Die Aufnahmen dieser Szene aus dem Gazastreifen verbreiten sich seit Montag rasant in den sozialen Netzwerken. Gegenüber der New York Times bestätigte ein Hamas-Vertreter, dass es sich dabei um eine Hinrichtung von Gegnern der Gruppe handele.

Und die Männer in dem Video sind nicht die Einzigen, die der Hamas seit dem Inkrafttreten der Waffenruhe vergangenen Freitag zum Opfer gefallen sind. Nach Informationen der Nachrichtenagentur Reuters hatte die Gruppe allein von Freitag bis Montag mindestens 32 Angehörige einer Gang in Gaza-Stadt umgebracht. Die „New York Times“ berichtet unter Berufung auf Augenzeugen von einer Schießerei zwischen der Hamas und dem Doghmosh-Clan, einer einflussreichen Großfamilie in Gaza. Auch die öffentlich Hingerichteten sollen zu dem Clan gehört haben. Die Hamas lässt verbreiten, die Opfer hätten mit Israel kollaboriert. Es ist ein Vorwurf, der nicht nur in Gaza, sondern auch im Westjordanland oft mit der Ermordung des Beschuldigten endet – ohne Anklage, ohne Beweisführung.

„Mehrere Botschaften“

Mit Blick auf die mühsam ausgehandelte Waffenruhe lässt das brutale Vorgehen der Hamas nichts Gutes hoffen. „Die Hamas sendet damit mehrere Botschaften“, erklärt Guy Aviad, ein israelischer Hamas-Experte, im Gespräch mit dieser Zeitung. „Damit signalisiert sie der eigenen Bevölkerung: Wir sind die Herrscher in Gaza, wir haben den Krieg überlebt, und wir bleiben. Die Botschaft nach außen lautet: Es gibt kein Gaza ohne die Hamas.“ Während die USA, Israel und arabische Staaten noch darüber diskutierten, wer den Gazastreifen langfristig regieren solle, „schafft die Hamas bereits Tatsachen“.

Der Friedensplan des US-Präsidenten Donald Trump visiert für Gaza eine technokratische Übergangsverwaltung an, unter Beteiligung der Palästinensischen Autonomiebehörde – aber ohne die Hamas. Außerdem sieht der Plan die Entwaffnung der Gruppe vor.

Aviad hält das jedoch für unrealistisch. „Für die Hamas ist das eine rote Linie: Sie sieht sich als Widerstandsbewegung, die ihre Waffen zur Befreiung des Heimatlandes braucht.“ Dazu komme eine reale Bedrohung durch innere Feinde: „Nicht wenige in Gaza lehnen sie ab, wollen sich vielleicht sogar rächen, weil sie die Hamas verantwortlich machen für die Zerstörung, die der Krieg über Gaza gebracht hat. Die Hamas weiß: Würde sie auf ihre Waffen verzichten, fielen ihre Mitglieder Lynchmorden zum Opfer.“

Sollte die Hamas sich aber weigern, die Waffen niederzulegen, dürfte Israel kaum dazu bereit sein, seine Truppen aus dem Gazastreifen abzuziehen. Derzeit hält Israels Armee, die IDF, noch gut 50 Prozent des Territoriums entlang der Grenze zu Israel.

Die zweite Phase des Trump-Plans sieht vor, dass eine internationale Friedenstruppe die IDF ersetzt. Doch noch ist unklar, welche Staaten dafür Soldaten beisteuern würden – insbesondere, wenn diese damit rechnen müssten, in Kämpfe mit der Hamas verwickelt zu werden. „Kein Land wird Soldaten schicken, damit sie in Gaza sterben“, ist Aviad überzeugt. „Wir sind noch sehr weit von Phase zwei entfernt.“ Und dabei ist noch nicht einmal sicher, ob die aktuelle Waffenruhe hält. Israels Regierung wirft der Hamas vor, die Abmachung über die erste Phase des Trump-Plans zu brechen, weil die Gruppe bislang nur einen Teil der insgesamt 28 Geiselleichen übergeben hat. Die Hamas gibt an, sie könne die übrigen Leichen nur mit großer Anstrengung und besonderer Ausrüstung erreichen – mutmaßlich, weil sie unter Trümmern begraben liegen.

Hamas-Experte Aviad hält das angesichts der weitreichenden Zerstörung in Gaza durchaus für plausibel. Andere wittern dahinter jedoch eine Verzögerungstaktik, darunter auch israelische Regierungsvertreter. Verteidigungsminister Israel Katz drohte am Mittwoch bereits mit einer Wiederaufnahme der Kämpfe, sollte die Hamas ihren Teil der Abmachung nicht erfüllen.

Kommentar

Die Migranten-AfD

Laut einer Studie ist ausgerechnet die AfD bei Migranten beliebter als bei Menschen ohne Migrationshintergrund. Wie sich das erklären lässt und was das für die politische Auseinandersetzung bedeutet.

Die Wiederwahl von Donald Trump war ein Schock für die US-Demokraten. Besonders ungläubig schauten sie auf dessen Zustimmung bei den Minderheiten. Trotz seiner rassistischen Tiraden stimmten deutlich mehr Schwarze und Latinos für Trump als noch bei dessen erster Wahl 2016. Mit Blick auf die AfD lässt sich für Deutschland eine ähnliche Entwicklung beobachten. Laut einer Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung ist die in Teilen rechtsextreme Partei für knapp jeden fünften Deutschen mit Migrationshintergrund die erste Wahl. Bemerkenswert: Die AfD schneidet sogar bei Ausländern ohne deutschen Pass besser ab als bei Bürgern ohne Migrationshintergrund.

Damit ist die AfD, die in ihrem Wahlprogramm Remigration fordert, quasi eine Migrantenpartei. Wie lässt sich dieser Widerspruch auflösen? Offensichtlich wird: Mit Identitätspolitik und dem Fokus auf die Präferenzen einzelner kleiner Gruppierungen, lässt sich diese neue politische Realität nicht erklären. Es war schon immer übergriffig und respektlos, Menschen Meinungen zuzuschreiben, weil alles andere ja den Interessen der Gruppe, zu der sie gehören, widersprechen würde.

Deswegen wollte der große amerikanische Bürgerrechtler Martin Luther King auch nichts von Identitätspolitik wissen und argumentierte stattdessen für einen farbenblinden Liberalismus, der Probleme wie Armut und Chancengleichheit für alle löst statt Hautfarbe, Religion oder Nationalität in den Mittelpunkt zu rücken. Abgewandelt liefert das auch eine bessere Erklärung für das überraschend AfD-freundliche Wahlverhalten der Migranten und Ausländer. Denn die, die sich erst noch einen gewissen Wohlstand erarbeiten müssen, spüren die Probleme des Landes besonders. Und wer sich mühsam etwas aufgebaut hat, hat möglicherweise Angst, den Wohlstand zu verlieren.

Wie rational das Verhalten ist, darüber lässt sich streiten. Nach dem Willen der AfD sollen nur Deutsche Bürgergeld bekommen können, was für ausländische AfD-Sympathisanten Existenznöte bedeuten würde, sollten sie ihren Job verlieren. Prekäre Arbeitsverhältnisse verbessern sich nicht gerade, wenn man Angst haben muss, ohne Gehalt und ohne Essen dazustehen. Und ob eine AfD-Regierung den Wohlstand der Migranten, die ihn schon haben, beschützen könnte, steht in den Sternen. Was die zentrale Forderung der Rechten für Folgen hätte, hat einer der Ihren treffend auf den Punkt gebracht. Die AfD wolle weniger Ausländer, für ihn bedeute das, dass er den Deutschen sagen müsse: „Passt mal auf, Freunde, also Ihr werdet in Zukunft länger arbeiten müssen und weniger Urlaub machen“, sagte Erik Lehnert, rechtsextremer Vordenker und Fraktionsgeschäftsführer der AfD in Brandenburg, in bemerkenswerter Offenheit dem „Deutschlandfunk“. Klar ist jedenfalls, dass sich die Stärke der AfD viel eher durch soziokulturelle Ansichten und Faktoren erklären lässt als durch die simple Schablone, dass Menschen mit Migrationshintergrund eine ausländerfeindliche Partei schon nicht wählen werden.

leitartikel@swp.de

Kommentar

Eine Fehleinschätzung

Der neue Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung kommt zu dem Ergebnis, dass die Deutschen das Land für deutlich ungerechter halten als es ist. Darüber muss man sprechen.

Eine gefestigte Überzeugung in der öffentlichen Debatte lautet, dass es in Deutschland sehr ungerecht zugeht, die Armen immer ärmer und die Reichen immer reicher werden. Parteien links der Mitte sowie die zahlreichen Sozialverbände verstärken diesen Eindruck beinahe täglich. Aktuell etwa schlägt Vize-Kanzler Lars Klingbeil (SPD) vor, die Erbschaftsteuer zu erhöhen oder die Vermögensteuer wieder einzuführen. Er will damit die Lücken im Haushalt stopfen (obwohl der Ertrag den Ländern zusteht) und die Gesellschaft gerechter machen.

Ausgerechnet der neue Armuts- und Reichtumsbericht seiner Co-SPD-Vorsitzenden Bärbel Bas zeigt jetzt auf, dass diese gefestigte Überzeugung auf einer Fehleinschätzung beruht. Die Öffentlichkeit und mit ihr die Politik überschätze nicht nur die Zahl der Menschen in Armut, sie überschätze auch die Zahl der Reichen. Laut Bericht hat zudem die ungleiche Verteilung bei den Vermögen in den vergangenen Jahrzehnten abgenommen. Würde man in die Berechnung die Rentenanwartschaften der Beschäftigten einbeziehen, sänke die Ungleichheit sogar erheblich.

Erstaunlich? Ja. Doch steht zu befürchten, dass sich die Erkenntnisse nicht durchsetzen werden, wieder einmal. Der Glaube, wonach es in der Bundesrepublik enorm ungerecht zugehe, scheint wie in Stein gemeißelt. Für die Öffentlichkeit ist das noch hinnehmbar. Doch die Politik sollte sich an die eigenen Zahlen halten, um bessere Gesetze zu verabschieden.

Das zu großzügig gestaltete Bürgergeld beispielsweise hätte so vermieden werden können. Mehr noch: Öfter mal über die eigenen Zahlen zu sprechen, könnte auch dabei helfen, die von Klingbeil ausgemachte schlechte Laune im Land zu verbessern.

Schneller und billiger zum Führerschein kommen

Verkehr Die Kosten für den Erwerb der begehrten Fahrlizenz sind in den vergangenen Jahren stark gestiegen. Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder will nun gegensteuern.

Berlin. Einen Führerschein zu machen, ist immer komplizierter und teurer geworden. Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) will etwas dagegen unternehmen, denn „der Führerschein ist ein Schlüssel zur eigenen Freiheit – besonders dort, wo Bus und Bahn nicht regelmäßig fahren“. Was er plant.

Theorie Das Wissen für die theoretische Prüfung soll sich der Fahrschüler komplett digital aneignen können. Also: Die Pflicht zum Präsenzunterricht in der Fahrschule entfällt. Per App zu lernen, soll reichen. Zudem: Da der Fragenkatalog für die Theorieprüfung immer länger geworden ist, aktuell sind es 1169 Fragen, soll er um ein Drittel reduziert werden. Anders gesagt: Die Wahrscheinlichkeit, die Theorieprüfung nicht zu bestehen, soll reduziert werden. Für den Interessenverband deutscher Fahrlehrer ist das nur folgerichtig: Die Anzahl im „Theoriefragenpool ist viel zu hoch“.

Praxis Schnieder will die Möglichkeit schaffen, verstärkt Simulatoren zu nutzen. Das Fahren von Autos mit Handschaltung soll man vollständig im Simulator erlernen können. Damit entfällt für die Fahrschulen die Notwendigkeit, Schaltwagen vorzuhalten. Die eigentliche Prüfung kann in einem Automatik-Fahrzeug absolviert werden. Zudem sollen die Zahl der besonderen Ausbildungsfahrten (aktuell fünf über Land, vier auf der Autobahn, drei bei Nacht) reduziert werden. Es soll zudem möglich sein, sie teilweise im Simulator zu absolvieren. Dort müssen die Fahrschüler Lenkrad und Pedale bedienen, schauen dabei aber auf einen Bildschirm, der den Verkehr simuliert. Das kostet 20 bis 40 Euro pro 45-Minuten-Einheit, eine reguläre Fahrstunde kommt auf 55 bis 77 Euro. Allerdings müssen sich die Fahrschulen die Anschaffung, die bis zu 20.000 Euro kosten kann, auch leisten können. Bisher nutzt ein Viertel von ihnen Simulatoren. Zudem soll die Fahrzeit in der praktischen Prüfung auf die EU-Mindestvorgabe von 25 Minuten reduziert werden, aktuell sind es 45 Minuten. ADAC-Verkehrspräsident Gerhard Hillebrand begrüßt das: Neue Freiräume für Fahrschulen eröffneten die Chance, „dass diese zum Vorteil der Fahrschüler ihre Betriebskosten senken können“. Die kürzere Fahrprüfung könne helfen, Kapazitätsprobleme zu lösen.

Kostenentwicklung Laut Statistischen Bundesamt hat der Führerschein 2024 im Schnitt 5,8 Prozent mehr gekostet als noch 2023. Insgesamt, so der mit Fahrerlaubnisausbildung befasste Interessenverband Moving, lag 2024 der durchschnittliche Preis für den Führerschein der Klasse B bei 3070 Euro, während er 2019 noch 1984 Euro betragen habe. Die aktuelle Spanne ist groß, zwischen 2000 und 4500 Euro werden gezahlt. Wie sehr sich die geplanten Änderungen auswirken können, muss sich erst noch zeigen. Umsetzen will Schnieder die Änderungen im ersten Halbjahr 2026.

Der Widerstand wächst

Marken Das EU-Parlament will Bezeichnungen wie „Veggie-Burger“ verbieten. Doch dafür müssten die Mitgliedsstaaten zustimmen.

Brüssel. Geht es nach dem EU-Parlament, dürfen Begriffe wie „Steak“, „Schnitzel“, „Hamburger“ und „Wurst“ nur noch für tierische Produkte verwendet werden, nicht für die pflanzlichen Alternativen. Damit das Verbot von Bezeichnungen wie „Veggie-Schnitzel“ in Kraft treten kann, müssen die EU-Mitgliedstaaten zustimmen. Deutschland aber wird das Bezeichnungsverbot voraussichtlich nicht unterstützen. Der Grund: In der SPD gibt es scharfen Widerstand – und wenn die Bundesregierung keine einheitliche Position findet, muss sie sich in Brüssel enthalten.

„Bitte kein Kulturkampf um Lebensmittelbezeichnungen!“, sagt Justiz- und Verbraucherschutzministerin Stefanie Hubig dieser Zeitung. Ob ein Produkt vegan, vegetarisch oder fleischhaltig sei, lasse sich bereits unterscheiden – dafür brauche es keine Verbote. Verbraucherinnen und Verbraucher wüssten, wie eine vegane Currywurst oder ein Veggie-Burger schmecke, betont die SPD-Politikerin. Ihr zentrales Argument dürfte dem Koalitionspartner bekannt vorkommen: „Wohl aber verursachen überflüssige Regelungen enorme Bürokratiekosten, wie auch Handel und Industrie warnen – und das ohne jeden Mehrwert.“

Damit geht Hubig auf Konfrontation zu Kanzler Friedrich Merz und Agrarminister Alois Rainer, die ein Veggie-Schnitzel-Verbot unterstützen. Der CDU-nahe Kulturstaatsminister Wolfgang Weimer äußerte sich bei „ntv“ ähnlich wie Hubig: „Wir haben sowieso zu viele Regularien und Vorschriften und Regeln aus Europa.“

Ihre Fraktion weiß Hubig hinter sich. „Ich halte diese aktuelle Diskussion für komplett unnötig“, sagt Franziska Kersten auf Anfrage. „Dürfen wir dann morgen auch nicht mehr Scheuermilch sagen?“, fragt die agrarpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion. Unternehmen würden auf die bereits entwickelten Markennamen aufbauen und sorgten sich nun um wirtschaftliche Schäden. „Ich glaube, die Konsumentinnen und Konsumenten sind sehr wohl in der Lage, zwischen veganen, vegetarischen und tierischen Produkten zu unterscheiden.“

Im EU-Parlament war das Bezeichnungsverbot auch innerhalb der deutschen Abgeordneten von CDU und CSU umstritten. Wie ist das im Bundestag? Nachgefragt bei Fraktionsvize Albert Stegemann: „Ob Steak oder Tofu – jeder Verbraucher soll selbst entscheiden können, was er oder sie essen möchte. Wichtig ist eine klare Kennzeichnung ohne weitere Bürokratie.“ Was zunächst klingt wie eine Ablehnung des Verbots, ist nicht so gemeint. Die Entscheidung aus Brüssel sei ein klares Signal, dass die Union in Europa zur Tierhaltung stehe, so Stegemann. „Das steht für uns dabei im Vordergrund.“

Der EU-Abgeordnete Peter Liese (CDU) ist sich sicher, dass es schlussendlich nicht zu dem Verbot kommen wird: „Der Ministerrat wird diese aus meiner Sicht unsinnige Forderung ablehnen. Es bleibt also alles beim Alten.“

Zweifel an Losverfahren mehren sich

Bundeswehr „Dramatik rausnehmen“ – so ist die Devise der Koalition nach dem Wehrdienst-Chaos vom Dienstag.

Berlin. Der Bundeskanzler äußert sich in der Sache vorerst nicht: In seiner Regierungserklärung zum EU-Gipfel ging Friedrich Merz (CDU) zwar ausführlich auf das Thema Verteidigungsfähigkeit ein, zum aktuellen Drama um den Wehrdienst in seiner Koalition verlor er allerdings kein Wort. Verwunderlich ist das nicht, handelt es sich doch um einen aus Regierungssicht wirklich ärgerlichen Streit. Er rate „allen, die Dramatik rauszunehmen“, hatte sein Sprecher Stefan Kornelius bereits am Vortag gemahnt und sich ansonsten geweigert, Merz’ Bewertung des Vorgangs preiszugeben. Nachweisbar ist allerdings, dass auch Merz dem nun so umstrittenen Gesetzentwurf seines Verteidigungsministers im August im Kabinett zugestimmt und ihn anschließend sogar gemeinsam mit Boris Pistorius (SPD) öffentlich präsentiert hatte. Seither allerdings ließ der Kanzler hin und wieder erkennen, dass er Freiwilligkeit für auf die Dauer nicht ausreichend hält.

Offen ist allerdings, ob Merz die am Dienstag von der Koalition zunächst gefundene und dann wieder zurückgezogene Lösungsvariante Losverfahren für ausreichend hält. Gegen dieses Vorgehen mehren sich derweil die Vorbehalte, sogar Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ließ „Zweifel“ erkennen.

Auch politisch hagelt es Kritik

Der frühere Bundesverfassungsrichter Udo Di Fabio kam in einem Gutachten für die Unionsfraktion zu dem Schluss, dass eine „Kontingentwehrpflicht“ und ein Losverfahren zulässig wären. Inzwischen gibt es aber auch gegenteilige Stimmen. Im Zweifel müsste künftig das Bundesverfassungsgericht entscheiden.

Politisch hagelt es ebenfalls Kritik: Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge machte Merz für den Schlamassel verantwortlich und be­klagte eine tiefe Verunsicherung der Bürger. „Keiner weiß, wie es jetzt weitergeht“, sagte sie nach der Regierungserklärung des Kanzlers.

Ein Bündnis der Jugendorganisationen von SPD, Grünen und der Linken sowie von Studierenden und der Jugendabteilungen von Gewerkschaften und Umweltverbänden wandte sich derweil gegen jegliche Form einer Wehrpflicht. „Für uns ist klar: Wir sind dagegen, Menschen zum Dienst an der Waffe zu zwingen“, heißt es in ihrer Mitteilung.

Im Raum steht die koalitionsintern gefundene Lösung, junge Männer per Losverfahren zur Musterung einzuladen und gegebenenfalls zum Dienst zu verpflichten, wenn sich nicht genügend Freiwillige finden. Pistorius lehnt das ab, weil er ab 2027 alle jungen Männer mustern lassen will. Hintergrund der Debatte ist das Ziel, die Bundeswehr nicht zuletzt aufgrund der Nato-Anforderungen auf 460.000 aktive Soldaten und Reservisten aufzustocken.

Fahrplan für eine bessere Verteidigung

Brüssel. Unter dem Eindruck der Bedrohungen durch Russland hat die EU-Kommission einen Fahrplan für vier große europäische Aufrüstungsprojekte präsentiert. „Die jüngsten Bedrohungen haben gezeigt, dass Europa in Gefahr ist“, sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zur Vorstellung des Fahrplans. Ziel des Vorstoßes ist es, insbesondere die Luftverteidigung und den Schutz der Ostflanke bis 2030 deutlich zu verbessern. Dazu ist auch ein neues Drohnenabwehrsystem geplant, das spätestens Ende des kommenden Jahres in Betrieb genommen werden soll. Voll einsatzfähig soll es dann spätestens Ende 2027 sein. Nach Angaben von Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) will Deutschland in den nächsten Jahren zehn Milliarden Euro in Drohnen investieren werde.

Zu den vier vorgeschlagenen Aufrüstungsprojekten gehören neben der Drohnenabwehr-Initiative auch die „Eastern Flank Watch“ zur Verbesserung der Verteidigungsfähigkeiten der östlichen EU-Mitgliedstaaten und das „European Air Shield“ zur Stärkung der EU-Luftverteidigung. Zudem ist ein „European Defence Space Shield“ geplant, um den Schutz europäischer Satelliten sicherzustellen.

Die Finanzierung soll zunächst vor allem über die Mitgliedstaaten und über bereits bestehende EU-Programme erfolgen. Mittelfristig könnten zusätzliche Gelder über den nächsten Langfrist-Haushalt der EU fließen, der derzeit für die Jahre 2028 bis 2034 geplant wird.

Deutschland will Führungsrolle

Deutschland will laut Pistorius die Führung beim „European Air Shield“ übernehmen. Bei diesem Projekt geht es darum, EU-Programme zu nutzen, um ein über Ländergrenzen hinweg vernetztes, mehrstufiges Flugabwehrsystem einschließlich der erforderlichen Sensorik aufzubauen. Es soll gegen das gesamte Spektrum von Bedrohungen aus der Luft schützen und nahtlos mit dem Führungs- und Kontrollsystem der Nato zusammenarbeiten können.

Wie es mit dem Fahrplan weitergeht, liegt in der Hand der Staats- und Regierungschefs der EU-Staaten. Sie werden in der kommenden Woche bei einem Gipfeltreffen in Brüssel erstmals über die Vorschläge der Kommission beraten.

Aufrüstung Die EU-Kommission nennt Ziele. Auch ein neues Abwehrsystem für Drohnen ist geplant.

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