Prozess Aschaffenburg an einem sonnigen Tag im Januar: Wie im Wahn sticht ein Mann auf Kleinkinder ein. Warum, bleibt womöglich für immer ungeklärt.
Zwei Erzieherinnen wollen mit ihren kleinen Schützlingen an diesem sonnigen Tag einen Pfau im Aschaffenburger Park Schöntal beobachten. Doch binnen Sekunden verändert sich ihr Leben dramatisch: Wuchtige Messerstiche, immer wieder, treffen zwei zweijährige Krippenkinder, die angeschnallt in einem Transportwagen sitzen und sich nicht wehren können. Auch das Eingreifen zweier mutiger Männer und einer Betreuerin kann den Messerstecher nicht stoppen. Nach wenigen Augenblicken sind der zwei Jahre alte deutsche Junge marokkanischer Herkunft und der 41 Jahre alte deutsche Helfer tot. Das zweijährige Mädchen aus Syrien, der weitere Helfer (72) und eine Erzieherin (59) überleben schwer verletzt. Neun Monate später steht der mutmaßliche Täter vor dem Aschaffenburger Landgericht. Er ist 28 Jahre alt, afghanischer Flüchtling, polizeibekannt und vermutlich psychisch krank.
Für Verteidiger Jürgen Vongries ist es die „Tat eines Wahnsinnigen“. Der Beschuldigte habe damals Stimmen gehört und könne sich an die Attacke am 22. Januar nur diffus erinnern. Die Opfer habe der 28-Jährige zufällig ausgesucht, warum, sei unklar. „Genau diese Frage werden wir nicht beantworten können.“
Dem psychiatrischen Gutachter sagte der Verdächtige nach Angaben seines Anwalts, er habe das rund 30 Zentimeter lange Küchenmesser aus seiner Flüchtlingsunterkunft in Alzenau (Landkreis Aschaffenburg) mitgenommen, weil er Angst etwa vor den islamistischen Taliban gehabt habe, sagt Vongries. „Er habe einen Teufel im Kopf gehabt, der viel mit ihm geredet habe.“
„Der Beschuldigte litt bei Begehung der vorbezeichneten Taten an einer paranoiden Schizophrenie, aufgrund derer seine Fähigkeit, das Unrecht der Tat einzusehen, aufgehoben war“, fasst es Oberstaatsanwalt Jürgen Bundschuh zu Beginn des sogenannten Sicherungsverfahrens zusammen. Die Staatsanwaltschaft möchte erreichen, dass der Afghane dauerhaft in einem psychiatrischen Krankenhaus unterkommt.
Er war polizeibekannt
Es ist der 22. Januar 2025, ein sonniger Mittwoch. Der Migrant stromert durch den Innenstadtpark – mit dem Messer, wie Ermittler später rekonstruieren. Er fragt mehrere Männer nach Drogen und Zigaretten. „Außerdem führte der Beschuldigte Selbstgespräche“, sagt Oberstaatsanwalt Bundschuh. Zur selben Zeit sind die zwei Betreuerinnen mit fünf Krippenkindern in dem Park. Der Afghane bemerkt die Gruppe und folgt ihr. Der 28-Jährige spielt mit seinem Handy laut Musik ab. Weil ihnen die Situation unangenehm war und sie dem Beschuldigten aus dem Weg gehen wollten, entscheiden sich die Frauen, den Park zu verlassen. Kurz danach kommt es zum Angriff – unvermittelt und ohne Vorwarnung. Es sei „dem Beschuldigten von vornherein darauf angekommen, die beiden Kinder zu töten bzw. ihnen schwere Verletzungen zuzufügen“, erläutert der Oberstaatsanwalt. Erst als immer mehr Passanten auf die dramatischen Szenen aufmerksam werden, flüchtet der Verdächtige.
Rund zwölf Minuten nach dem ersten Notruf wird der Mann in der Nähe von Bahngleisen widerstandslos festgenommen. Das blutverschmierte Messer liegt nicht weit weg. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Verdächtigen Mord, versuchten Mord, Totschlag, versuchten Totschlag, Bedrohung sowie Körperverletzungsdelikte vor.
Der ausreisepflichtige 28-Jährige war vor der Tat wegen mehrerer Delikte polizeibekannt und vorübergehend in Psychiatrien – auch damals hieß es laut den Ermittlern schon, er könne paranoid schizophren sein. In dem Sicherungsverfahren geht es neben der Gewalttat im Park auch um einen Vorfall am 29. August 2024 in der Flüchtlingsunterkunft in Alzenau. Damals soll der Mann seine Freundin gewürgt und verletzt haben.